Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Kroos kontert Özil – „Höherer Anteil an Quatsch“
Mittelfeldspieler setzt Karriere im DFB-Team fort und wehrt sich gegen Rassismus-Vorwürfe
HAMBURG (SID) - Mesut Özil sei „ein lieber Kerl“, sagt Toni Kroos und rechnet dann doch mit dem Ex-Kollegen ab. „Die Art und Weise seines Rücktritts“sei „nicht in Ordnung“, sagt Kroos der „Bild“und kritisiert Özil frontal: „Der Anteil, der in seiner Erklärung gut und richtig angesprochen wird, wird leider durch den wesentlich höheren Anteil an Quatsch überschattet.“
Der Verbal-Angriff von Ex-Weltmeister zu Ex-Weltmeister ist schon erstaunlich, schließlich übten sich andere Kollegen wie Nationalmannschaftskapitän Manuel Neuer oder Thomas Müller bei dem heiklen Thema zuletzt eher in Fußball-Diplomatie. Dass sich Özil im Kreis des DFB-Teams nach eigener Aussage zuletzt offenbar diskriminiert gefühlt habe, kann Kroos nicht nachvollziehen: „Ich denke, dass er selbst weiß, dass es Rassismus innerhalb der Nationalmannschaft und des DFB nicht gibt.“
Das Gegenteil sei der Fall: „Wir setzen uns ja immer wieder aus Überzeugung für Vielfalt und Integration ein. Mesut war dafür ein gutes Beispiel, wie viele andere unserer Mitspieler auch“, sagt der Mittelfeldstar von Real Madrid. Und auch zu dem Auslöser der Affäre, dem Bild von Özil und Ilkay Gündogan mit dem umstrittenen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hat der 28-Jährige eine klare Meinung.
„Mesut wurde für das Foto kritisiert – und das zu Recht. Und er hat die Chance verstreichen lassen, sich dazu zu erklären“, sagt Kroos: „Trotzdem wurde er von der sportlichen Leitung und im Mannschaftskreis absolut unterstützt. Später wurde er – wie wir anderen auch – für die Leistung bei der WM kritisiert.“Kroos räumt ein, dass die „Art der Kritik“sicher „nicht immer auf gutem Niveau“war, „aber da muss man als Spieler dann durch“.
Dennoch hätte Özil „einen besseren Abgang verdient gehabt“. Im Gegensatz zu Özil will Kroos trotz der völlig verkorksten WM in Russland weiter für Deutschland spielen. Ein Rücktritt sei kein Thema, auch wenn er mehr Ruhepausen – auch im DFBDress – brauche. Seine Frau Jessy hätte gesagt: „Schatz, so kannst du nicht aufhören.“Zudem sei sein Sohn großer „Fan von Real und der Nationalmannschaft. Da wäre es schwer gewesen, Nein zu sagen“.
Um bei der EM 2020 „deutlich erfolgreicher“abzuschneiden, müssen sich laut Kroos einige Dinge ändern: Neben sportlichen Aspekten („gieriger“vor dem Tor, „unangenehmer“in der Abwehr) vor allem die Einstellung. Diese müsse „wieder dahin kommen, dass jeder sein Ego in den Hintergrund stellt, sich und seine Stärken zum Wohl des Teams einbringt“, sagt er: „Wer nur auf Lobeshymnen hört und dann denkt, er ist der Beste, Tollste und Schönste, der tut sich schwer damit, wenn er plötzlich auf der Bank sitzt.“