Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Der Dinkel ist im Kommen
SZ-Leser zu Gast bei der Genossenschaftsmühle in Böhringen – Herzstück der Mühle sind die Walzenstühle
RÖMERSTEIN - „Als kleine Mühle im Herzen des Biosphärengebiets Schwäbische Alb legen wir sehr großen Wert auf traditionelle Verarbeitung, gepaart mit ökologischen Grundsätzen.“Dies unterstrich Obermüller Oliver Wendorf, als er 15 interessierte SZ-Leser durch die Böhringer Genossenschaftsmühle führte und erläuterte, wie aus Getreidekörnern Mehl gemacht wird. Dafür sind viele Arbeitsschritte nötig. Ein Bild von der Arbeit eines Müllers bekamen die Gäste dank der Türöffner-Aktion der „Schwäbischen Zeitung“.
Oben in die Mühle das Getreide reinschütten und unten kommt das Mehl fix und fertig gemahlen raus – das wäre schön. Doch so einfach und unkompliziert verläuft der Produktionsweg vom Korn bis zum Mehl nicht, wie Oliver Wendorf bei dem Rundgang durch die Böhringer Mühle darlegte. „Unsere Mehle werden aus biologischem und einwandfreiem Getreide hergestellt. Die Getreidemischung für die Mühle darf weder muffigen Geruch aufweisen noch Schädlinge enthalten“, machte Oliver Wendorf klar.
Er hatte seine Ausbildung zum Müller in Böhringen absolviert und später in Buttenhausen und Aichach gearbeitet und die Meisterprüfung abgelegt. Seit einigen Jahren arbeitet er als Obermüller wieder bei der Genossenschaftsmühle in Böhringen.
Sortenrein müssen die Landwirte also ihre Getreide in der Mühle abliefern. Von rund 40 Bauern der Alb bezieht die Genossenschaftsmühle Böhringen das Getreide, die aktuell 104 Mitglieder hat. Gereinigt und abgewogen, je nach Sorte und Qualitätsstufe, lagert der Müllermeister das Getreide in Silos bis zur weiteren Verarbeitung. Ob Bäcker, Gastronom oder Nudelfabrikant, sie stellen an ihr Mehl besondere Ansprüche, denen der Müllermeister gerecht werden muss. So stellt er aus drei bis vier Weizensorten die gewünschte Mahlmischung her. „Bevor gemahlen wird, muss das eine homogene Mischung sein“, erklärte Wendorf.
Probenahme beim Getreide
Der Getreideanlieferung folgt gleich eine Probenahme und dann das Abladen in die sogenannte Gosse. Dabei wird der Feuchtigkeits- und Proteingehalt sowie die Fallzahl des Korns ermittelt. Je nach Sorte und Qualitätsstufe kann dann der Müller auf Basis der Analyseergebnisse ein qualitativ hochwertiges Mehl herstellen.
Doch zunächst gilt es, das Getreide zu reinigen, was in mehreren Schritten und mit unterschiedlichen Maschinen geschieht: Eingesetzt werden Aspirateur, Steinausleser, Magnete, Trieure, Scheuergeräte und Separatoren. Dabei werden kleine Steine, Strohteile, Unkrautsamen und am Korn anhaftender Staub vom Getreide getrennt. Nun kann die Vermahlung starten.
Mit einem Feuchtigkeitsgehalt von 14 Prozent ist das Getreide über längere Zeit lagerfähig. Um die Mahlfähigkeit des Getreides zu erhöhen, wird es in der so genannten Netzschnecke vor dem Mahlprozess leicht befeuchtet. „Die Getreideschale ist dann nicht mehr so brüchig und wir erreichen eine bessere Mehlausbeute“, informierte der
Obermüller und erklärte weiter: „Herzstück jeder Mühle sind die Walzenstühle.“Hier wird das Korn zwischen zwei Metallwalzen durchgedrückt und zermahlen. Je weiter der Mahlprozess vorangeht, desto feiner werde die Riffelung der Metallwalzen.
Der Vermahlungsprozess erfolgt mit Walzenstühlen, Plansichtern, Mehl- und Kleieschleudern sowie Prallmaschinen. Die anfallenden sogenannten Passagemehle werden je nach gewähltem Mehltyp zusammengeführt, kontrollgesiebt und dann über einen Entolater geführt. Es folgt der Mischvorgang der Mehle in Mischmaschinen, bevor das fertige Mehl im Mehlsilo landet. Ganz am Ende der Prozedur sind von den Getreidekörnern nur noch das weiße, staubfeine Mehl und die Kleie übrig.
Viel Dinkelproduktion
In Abhängigkeit vom Ausmahlungsgrad des Korns können Schrot, Gries, Dunst oder Mehl der unterschiedlichsten Typen herstellt werden. In der Genossenschaftsmühle von Böhringen, die ihre Dinkelmehlproduktion stark ausbaut hat, können täglich 24 Tonnen Getreide gemahlen werden. Im neugebauten Mehllager können 90 Tonnen Mehl in Silosäcken aufbewahrt werden. „Jetzt haben wir die Möglichkeit, das Mehl individuell den Kundenwünschen entsprechend zu mischen“, erklärte Oliver Wendorf. Abgepackt in Gebinden zwischen 2,5 und 25 Kilo können die unterschiedlichen Mehlsorten zum Brot- oder Kuchenbacken, aber auch für die Zubereitung von Spätzle oder Nudeln gekauft werden.
Durch die Sortenwahl und die Düngung der Weizenschläge haben die Landwirte einen großen Einfluss auf die Qualität des Mehls, erläuterte
Obermüller Wendorf. Die Weizensorten würden in fünf Qualitätsgruppen gegliedert, vom Eliteweizen bis zum Weizen für Tierfutter. Der Landwirt entscheide schon bei der Sortenwahl, für welchen Zweck er Weizen produziert. Er richte entsprechend die weitere Düngung und Pflege aus.
Weizen, Dinkel, Einhorn, Emmer, Lichtkorn, Roggen und normaler Roggen verarbeitet die Genossenschaftsmühle in Böhringen. Die Hauptabnehmer des Mehls sind vor allem BeckaBeck aus Böhringen, die Nudelfabriken Alb Gold aus Trochtelfingen und Tress aus Münsingen sowie weitere Bäckereien und Pizzerien. Ein Teil des Mehls und auch Nudeln werden direkt über ein Mühlenlädle an den Endverbraucher weiter gegeben.
„Unsere transparente Wertschöpfungskette von unseren Lieferanten, den regionalen Landwirten, über die schonende Reinigung und Vermahlung der Rohstoffe bis zur Vermarktung in der Region rundet unsere Philosophie bis zum Konsumenten hin ab“, betonte Oliver Wendorf, dem bei Fragen nach dem interessanten Rundgang auch Müllergeselle Waldemar Maier zur Seite stand.