Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ritt auf dem Rück
Abseits der Massen können Radler das Hinterland des Bodensees entdecken
Kühle Wälder, einsame Wege und eine traumhafte Aussicht auf Vulkane, Alpen und den Bodensee – auf der Bodanrück-Tour entkommen Radler den Touristenmassen am Bodensee. Die Runde ist anspruchsvoll und nicht unbedingt geeignet für Familien mit Kindern oder quengelnden Teenagern. Doch mit dem Pedelec ist die Tour auch für Sonntagsfahrer machbar – vorausgesetzt, der Akku hält.
Los geht’s am Bodensee-Radwanderweg in Konstanz. Egal, ob man mit dem Katamaran, dem Zug oder der Fähre ankommt – der BodenseeRadwanderweg führt fast direkt an den Anlegestellen beziehungsweise dem Bahnhof vorbei. Erstes Highlight ist nach ein paar Kilometern die Insel Mainau. Wer den ganzen Tag eingeplant hat, kann hier einen Stopp einlegen. Kinder haben freien Eintritt und vergnügen sich am liebsten beim Wasserspielplatz. Eine Oase der Ruhe ist auch an starken Besuchertagen das Café Vergissmeinnicht, das Jugendliche betreiben.
Durch eine schattige Allee, die immer wieder den überwältigenden Blick auf den Bodensee freigibt, führt die Tour weiter Richtung Litzelstetten. Vor dem Ort kommt die erste kurze Steigung, danach geht es am Strandbad vorbei Richtung Dingelsdorf und Wallhausen, wo ebenfalls Strandbäder locken. Wer keinen Proviant dabei hat, sollte sich unbedingt im Restaurant Ufer 39 am Strandbad Wallhausen stärken, denn unmittelbar nach dem Bad kommt die größte Steigung hinauf auf den Bodanrück. Die Halbinsel zwischen dem Überlinger See und dem Untersee besticht zwar durch ihre Landschaft, doch Einkehrmöglichkeiten sind hier eher rar.
Oben angekommen zeigt der Blick auf den Tacho, dass der Anstieg seinen Tribut gefordert hat. Zwei der fünf Balken auf der Akku-Anzeige des Pedelecs sind weg – dabei liegen zwei Drittel der Tour noch vor uns.
Die zweite Herausforderung ist die Wegbeschreibung. Abseits des Bodensee-Radwanderwegs gibt es keine durchgehende Beschilderung. Wirklich verfahren kann man sich allerdings nicht. Irgendwo weist dann doch noch ein Schild auf die nächste Ortschaft hin.
Wir queren die Hauptstraße vor Langenrain und folgen dem Radweg nach Freudental. Endlich. Es geht wieder bergab! Schön ist es hier. Schon von weitem sichtbar thront Schloss Freudental über dem Dorf. Wir sind so begeistert, dass wir die Abzweigung vor dem Ort verpassen. Doch der Umweg lohnt sich. Unmittelbar hinter dem Ort kommt linker Hand die Bauernstube Litz, in der man unter Obstbäumen neben Eseln und Lamas etwas essen und trinken kann. Nur dumm, dass die Stube erst ab 15 Uhr geöffnet ist. Nur sonntags ist schon ab zehn Uhr offen. Wer hier gelandet ist, kann sich entscheiden: Wieder nach Freudental zurückfahren oder direkt hinunter nach Kaltbrunn rollen und die Tour abkürzen? Für Radler mit Kindern sicher eine Alternative.
Wir widerstehen der Versuchung. Schließlich wollen wir noch zum Mindelsee. Also zurück zum Ort und ab Richtung Möggingen. Wieder geht es bergauf, bergab durch den Wald. Mit gutem Profil ist man hier klar im Vorteil. Die Mountainbikerin triumphiert und mir macht der Akku Sorgen. Irgendwo beim Mindelsee verschwindet der dritte Balken auf der Anzeige. Der Strom wird knapp, aber es könnte reichen. Die Hälfte ist schließlich geschafft und die größte Steigung bewältigt. An fast jeder Kreuzung stehen Radler und brüten über ihren Karten. Wir scheinen nicht die einzigen zu sein, die mit ihrer Wegbeschreibung kämpfen.
Kurz vor Möggingen geben die Bäume den Blick frei auf die HegauVulkane, die Alpen und den Mindelsee. Der gut zwei Kilometer lange Gletscherzungensee ist ein echtes Kleinod. Das Naturschutzgebiet ist neben dem Wollmatinger Ried bei Konstanz das einzige offizielle international bedeutsame Feuchtgebiet für Watt- und Wasservögel im Südwesten. Vor allem, wenn in den Urlaubszeiten die Strandbäder am Bodensee überlaufen sind, gilt der See als Geheimtipp. Allerdings gibt es nur eine Badestelle, die man in wenigen Minuten vom Wanderparkplatz in Möggingen erreicht.
Doch statt in den Badeanzug schlüpfen wir in die Regenjacken und starren wieder auf die Karte. Es ist kalt und wir haben Hunger. Jenseits der Touristenpfade sollte man unbedingt einen Riegel mehr einpacken, denn viele Restaurants haben erst abends geöffnet. Beim Gedanken an herzhafte Landjäger müssen wir eine Abfahrt verpasst haben. Statt beim Parkplatz Richtung Wildpark Allensbach landen wir in Markelfingen. Macht nichts. Vom Bodanrück führen alle Wege zum Bodensee – davon sind wir inzwischen überzeugt. Wir kaufen am Straßenrand ein Kilo Obst, üben uns im Kernweitspucken und diskutieren die Strategie für die letzte Etappe nach Konstanz.
Es tröpfelt und wir entscheiden uns gegen den Schlenker nach Kaltbrunn, von wo aus es durch schattige Wälder zurück nach Konstanz gehen würde. Uns zieht es hinunter zum Bodensee-Radwanderweg. Hier ist zwar mehr los, doch über uns hängen bedrohlich schwarze Wolken, und die Akkuanzeige auf dem Tacho zeigt nur noch einen Strich. Die Strategie geht auf: Kurz vor dem Wolkenbruch sitzen wir beim Kaffee, und der Akku hält bis Konstanz. Dort angekommen sind wir trotz Abkürzung stolz auf uns. Mit 58 Kilometern haben wir sogar vier Kilometer mehr auf dem Tacho als die Tour eigentlich haben sollte.