Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ein peinliches Bild
Jetzt hat sich sogar die Bundeskanzlerin eingeschaltet in den Streit zwischen einem Kameramann und einem Demonstranten in Dresden. Und zwar mit einer Aussage, die im Grunde ein Allgemeinplatz ist: Wer zu einer Demonstration geht, muss damit rechnen, gefilmt zu werden. So ist es. Hätten das die beteiligten Polizisten nur ebenso gesehen. Dann hätte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer jetzt nicht so ein dickes Problem am Hals.
Denn während die Kanzlerin am Donnerstag klare Worte fand, gab ihr sächsischer Parteifreund – in dem Willen, zunächst einmal seine Beamten in Schutz zu nehmen – ein peinliches Bild ab. Schlimm genug, dass er dem ZDF-Mann indirekt eine unseriöse Arbeit vorwarf und damit genau jenen Ton anschlug, mit dem sich die „Lügenpresse“grölenden Pegida-Anhänger noch darin bestärkt fühlen können, Journalisten verbal und tätlich anzugreifen. Solche Übergriffe gibt es gerade in Dresden immer wieder.
Schlimmer noch, dass der Pöbler mit dem Deutschlandhütchen, der den Streit ausgelöst hat, sich nun als Angestellter des sächsischen Landeskriminalamts entpuppt. Egal, wie der Vorgang dienstrechtlich zu bewerten ist: Einen Menschen, der bei Antidemokraten und Verschwörungstheoretikern mitläuft, möchte man nicht auch nur in der Nähe einer Position wissen, in der er für die Sicherheit Deutschlands eine Mitverantwortung trägt.
Leider überrascht es nicht wirklich, dass so etwas ausgerechnet in Sachsen möglich ist. Die CDU hat es sich dort lange Zeit zu bequem gemacht und kein spezifisch sächsisches Rechtsextremismus-Problem erkennen wollen. Das gibt es aber. Es besteht darin, dass die Verantwortlichen viel zu lange weggeschaut haben, statt sich den fremdenfeindlichen Umtrieben entgegenzustellen. So gelangte die NPD in den Landtag, so überflügelte die sächsische AfD die Union bei der Bundestagswahl 2017. Bei seinem Amtsantritt als Ministerpräsident hatte Kretschmer versprochen, Sachsen endlich wieder in ein positiveres Licht rücken zu wollen. Nun ja, so wird das nichts.