Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein Fest für Mesale Tolu und ihren Sohn

Am Sonntag kehrt die lange festgehalt­ene Neu-Ulmer Journalist­in aus der Türkei zurück

- Von Sebastian Mayr

ULM/NEU-ULM - Sie wollen feiern. Monatelang haben Freunde und Verwandte hörbar und sichtbar für die Freiheit und die Rückkehr von Mesale Tolu gekämpft. Am Sonntag ist es so weit. Die 33 Jahre alte Journalist­in aus Neu-Ulm kommt mit ihrem dreijährig­en Sohn Serkan nach Deutschlan­d. Um 13.30 Uhr landet ihr Flugzeug in Stuttgart, eine Stunde später will Tolu im Bürogebäud­e SkyOffice in der Nähe des Terminals ein Statement abgeben.

Wie es danach weitergeht, will niemand verraten. Zumindest fürs Erste. Mesale Tolu, die acht Monate lang in Untersuchu­ngshaft saß und anschließe­nd weitere acht Monate lang die Türkei nicht verlassen durfte, will erst einmal ihre Ruhe haben. Ihr Vater Ali Riza Tolu, der sich derzeit ebenfalls in der Türkei aufhält, hat der Deutschen Presse-Agentur verraten, dass seine Tochter wohl weiter als Journalist­in arbeiten will, unter anderem für eine österreich­ische Zeitschrif­t.

Die Freude über die Rückkehr der Neu-Ulmerin ist groß, das betonen ihr Vater, der ältere Bruder Hüseyin und die Helfer vom Solidaritä­tskreis. Doch zumindest Vater Ali Riza macht sich öffentlich Sorgen – um seinen Enkel Serkan, der zeitweise mit seiner Mutter im Gefängnis lebte und eine schwierige Zeit erlebt hat. Serkan soll hier in den Kindergart­en gehen, deutsch lernen und das Geschehene verarbeite­n.

Wann die Rückkehr der Journalist­in gefeiert wird, steht noch nicht fest. Cengiz Dogan, einer der Sprecher des Solidaritä­tskreises „Freiheit für Mesale Tolu“, verspricht eine großes Feier. Sie soll Anfang September in Ulm steigen. Die Details stehen noch nicht fest – genauso wenig wie die Details des Empfangs, den die Städte Ulm und Neu-Ulm der Familie Tolu gemeinsam bereiten wollen. „Uns geht es darum, sie willkommen zu heißen“, sagt Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch, der Tolu einen Brief geschriebe­n hat. „Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass die Familie – Eltern und Geschwiste­r zusammen mit ihren Sohn – nun Zeit zum Durchatmen und zur Verarbeitu­ng der Geschehnis­se findet.“

Keine Angst vor erneuter Festnahme in der Türkei

Mesale Tolu, so ihr Vater, will weiter in die Türkei reisen, weil ihr Mann Suat Corlu das Land weiter nicht verlassen darf. Angst, dass sie wieder festgenomm­en werde, habe er nicht – obwohl der Prozess gegen die NeuUlmerin weiterläuf­t. Tolu wird Terrorprop­aganda und „Mitgliedsc­haft in einer Terrororga­nisation vorgeworfe­n.

Er sei gespannt, wie der Prozess ausgeht, schreibt Neu-Ulms Oberbürger­meister Gerold Noerenberg in einer Stellungna­hme. Der Jurist fordert einen Prozess nach rechtsstaa­tlichen Prinzipien – und denkt nicht nur an die 34-Jährige: „Der Fall Mesale Tolu geht uns besonders nahe, da sie Bürgerin unserer Stadt ist. Es sind in der Türkei jedoch weiterhin Journalist­en inhaftiert.“Auch für sie müsse ein demokratis­ches Verfahren sichergest­ellt werden.

Am Stuttgarte­r Flughafen werden nicht nur etliche Journalist­en und ihre Familie auf Mesale Tolu warten, sondern auch viele Unterstütz­er aus dem Solidaritä­tskreis, wie Cengiz Dogan ankündigt. Vertreter der Städte dagegen werden nicht kommen. „Wir möchten die Privatsphä­re von Frau Tolu respektier­en. Wenn sie einen städtische­n Vertreter hätte dabei haben wollen, dann hätte sie uns mit Sicherheit eingeladen“, sagt eine Sprecherin der Stadt Neu-Ulm. Das sei auch mit der Schwesters­tadt Ulm abgestimmt.

Ob Mesale Tolu einen besonderen Schutz durch die Polizei genießen wird, will er Sprecher nicht verraten. Die Polizei wolle sich nicht berechenba­r machen. Deswegen könne er dazu nichts sagen.

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