Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Auf den Spuren der Schmuggler
Im Westallgäu führten einst versteckte Wege nach Vorarlberg
Beschauliche Stille herrscht im Wildrosenmoos bei der Westallgäuer Gemeinde Oberreute. Es scheint, als würden Mensch und Tier die fahle Morgensonne zum verborgenen Müßiggang nutzen. Jedenfalls ist nichts und niemand zu entdecken. Nun könnte eigentlich die Stunde der Schmuggler schlagen. Vielleicht war es in alten Zeiten in dieser Gegend auch so: Günstig erscheinende Stunden wurden zum illegalen, aber lukrativen Warentransport über die Grenze genutzt. Sie befindet sich nur einige Meter weiter. Dort beginnt der Vorarlberger Ort Sulzberg. Dessen Tourismusbüro hat zusammen mit dem Oberreuter Gästeamt einen ehemaligen Grenzerpfad aufgewertet.
Der Rundweg dient zum einen als Naturkunderoute durchs Wildrosenmoos. Desweiteren sollen Kinder die Erlebnisse von Schmugglerpeter teilen, einer kleinen Kunstfigur, die auf Schautafeln das Geschäft einstiger Dunkelmänner erklärt – interaktiv natürlich. Das heißt, an jeder Station gibt es etwas zu tun: Verstecke erkunden, nach möglichen Häschern Ausschau halten und so weiter.
Idyllisches Wildrosenmoos
Eine davon liegt an einem Höhenweg nach Süden hin in Vorarlberg. Dort hat es auch mehr Publikum als im abgeschiedenen Wildrosenmoos. So soll ein kleines Mädchen an einer Schmugglerstation Gipfelkreuze mit dem festinstallierten Fernrohr ausmachen – angeblich eine Übung, um die Gegend nach verdächtigen Personen im Blick zu behalten. Doch dummerweise herrscht an diesem Morgen starker Dunst. Noch nicht einmal die Gipfel des nahen Bregenzerwaldes und der Allgäuer Alpen sind gut auszumachen. „Komm, lass es sein“, meint der Papa schließlich. Zusammen mit der Mama entschwindet die Familie entlang eines Höhenwegs hinter einer Baumgruppe. Dorthin führt auch der Weg zum gemütlichen Hochsträßstüble, der einzigen Einkehrmöglichkeit direkt am Rundweg. Um zehn Uhr macht das Wirtshaus auf. Die Vorarlberger Wandergruppe Hans-Jörg und Maria Heuschneider sowie Reinhard und Eva Berlinger hat dort gerade Kaffee getrunken. Jetzt zieht das Quartett über die Grenze. „Uns gefällt es richtig hier. Es ist nicht überlaufen. Das Moos liegt idyllisch“, meint HansJörg Heuschneider.
Scherzhaft auf Schmuggel angesprochen, winken die Vier schmunzelnd ab. Seit Österreich 1995 der EU und dem Schengensystem beigetreten ist, lohnt sich ein Schmuggel über die Moorpfade nicht mehr. Zuvor konnte es sich durchaus auszahlen, etwa mit Alkohol oder Zigaretten über die Grenze zu schleichen. Wie dies funktionierte, lässt sich an einem ehemaligen bayerischen Grenzhäuschen feststellen. Auf Tafeln wird einiges aus jenen vergangenen Zeiten beschrieben.
Von dort ist es nicht mehr weit bis zum Kalten Brunnen, einem Rastund Spielplatz im Wald. Von ruhigen Schmugglerstunden kann jetzt nicht mehr die Rede sein. Bereits beim Anmarsch klingen Rufe tobender Kinder zwischen den Bäumen durch. Wer die Rundtour von Oberreute her plant, tut übrigens gut daran, den Kalten Brunnen als Anfangspunkt zu nehmen. Eine Parkmöglichkeit existiert beim Freibad. Von Sulzberg her bietet sich als Zustieg das bereits erwähnte Hochsträßstüble an. Weitere Wege sind vorhanden, erscheinen aber weniger attraktiv.
Zeit nehmen sollte sich der Wanderer auf jeden Fall auf den Pfaden durchs Wildrosenmoos. Es hat seinen eigenen, fast schon verzaubernden Charme. Das Auge erblickt seltene Pflanzen. Dazu gibt es noch die Sage vom Hochsträßwible. Sie soll einst im Moos Männer in die Irre geführt haben. Der heutige Besucher hat jedoch nichts zu befürchten. Überall sind Wegschilder. Der Grenzerpfad ist überschaubar strukturiert. Je nach Zustieg dauert die Rundtour eineinhalb bis zweieinhalb Stunden. Im Moos führt der Weg zum Teil über Dielen. Von den örtlichen Fremdenverkehrsbüros wird sie als „einfache Wald- und Wiesenwanderung“beschrieben.