Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Härtetest bestanden
Cockpit-Schutzbügel Halo hat Formel-1-Pilot Charles Leclerc vermutlich das Leben gerettet
SPA-FRANCORCHAMPS (SID) - Die Geburt war schwierig. Zwei Jahre lang diskutierte die Formel 1 gegen zum Teil heftigen Widerstand der Protagonisten über die Einführung eines Cockpitschutzes, der vor allem den Kopfbereich der Fahrer vor Schlimmerem bewahren soll. Im März 2018 in Melbourne feierte der Halo Premiere, in Spa rettete er dem Monegassen Charles Leclerc vermutlich das Leben.
Nach dem missglückten Bremsmanöver von Nico Hülkenberg hob der McLaren von Fernando Alonso ab, schoss im Tiefflug über Leclercs Sauber hinweg und traf dabei den Halo. Deutliche Spuren an dem Titanbügel zeugten anschließend von einer Wucht, die Leclerc ohne Schutzbügel wohl nicht heil überstanden hätte. „Ich war nie ein Fan des Halo, aber heute war ich sehr froh, ihn über meinem Kopf zu haben“, sagte Leclerc.
Der Halo war schon während der Saison 2016 ausgiebig von allen Teams getestet worden. Die Konstruktion besteht aus zwei Titanbügeln, die seitlich am Cockpit nach vorne geführt werden und dort an einer horizontalen Hauptstrebe zusammenlaufen. Laut einer Studie des Automobil-Weltverbandes FIA soll die Überlebenschance durch den Bügel in verschiedenen Unfallszenarien um 17 Prozent steigen.
Charles Leclerc stieg in Spa völlig unversehrt aus seinem Auto, Jules Bianchi war das im Oktober 2014 in Suzuka nicht vergönnt. Im Regen kam der Franzose von der Strecke ab, sein Marussia prallte nahezu ungebremst auf einen Abschleppwagen, der den Sauber von Adrian Sutil bergen sollte. Neun Monate später erlag Bianchi seinen schweren Kopfverletzungen.
Höchst fraglich bleibt, ob der Halo in Bianchis speziellem Fall der Wucht des Aufpralls standgehalten hätte. Doch der Unfall des Franzosen brachte die Diskussionen um einen Cockpitschutz entscheidend in Schwung. „Er wird uns Fahrern helfen, wenn schlimme Unfälle passieren“, sagte Sebastian Vettel, von Anfang an einer der Befürworter der Idee: „Diese Tatsache zu ignorieren, wäre einfach dumm.“Auch Weltmeister Lewis Hamilton gab dem Halo nach anfänglichem Zögern seine Stimme: „Es wäre fahrlässig, sich dagegen zu sperren.“
In Spa waren Beteiligte und Unbeteiligte spürbar froh über den Titanbügel. „Es hätte sonst sehr übel ausgehen können“, sagte MercedesTeamchef Toto Wolff, und der zurückgetretene Ex-Weltmeister Nico Rosberg twitterte: „Wir können die Diskussionen um den Halo beenden. Er wird Leben retten!“
Das Argument von Puristen, der Bügel könne die stromlinienförmige Optik der Autos stören, zerstreute Ex-Ferrari-Pilot Felipe Massa via Twitter: „Nach den Bildern von Spa stellen wir fest: Der Halo ist wunderschön.“Massa selbst hätte vielleicht ebenfalls von einem solchen Schutz profitiert. 2009 in Budapest wurde der Brasilianer von einer 800 Gramm schweren Metallfeder, die sich vom Auto seines Landsmanns Rubens Barrichello gelöst hatte, am Helm getroffen und schwer verletzt.
In Spa gab es Bedenken, der Halo könne das Sichtfeld der Fahrer in der Bergauf-Passage der berüchtigten Eau Rouge beeinträchtigen. Ob der Bügel störe, wurde deshalb FerrariFahrer Kimi Räikkönen gefragt. Antwort: „Beim Auto fahren nicht, beim Vögel beobachten schon.“