Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Joshua Kimmich ist Löws Königs-Personalie
Der Bösinger überzeigt beim Neustart der DFB-Elf gegen Weltmeister Frankreich auf der Sechs
MÜNCHEN (dpa) - Joshua Kimmich schien um einige Zentimeter gewachsen, als er durch die StadionKatakomben schritt. Die Versetzung des 1,76 Meter großen aus Bösingen bei Rottweil stammenden BayernProfis vom rechten Verteidigerposten auf die im modernen Fußball so wichtige Sechserposition im zentralen defensiven Mittelfeld war die Königs-Personalie von Bundestrainer Joachim Löw beim geglückten Neubeginn der Nationalmannschaft gegen Weltmeister Frankreich. Aus dem 0:0 am Donnerstagabend bei der Nations-League-Premiere könnte der 23-Jährige als ein großer Profiteur des WM-Debakels hervorgehen.
Zwei Tage vor seinem 33. Länderspiel hatte ihm der Bundestrainer eröffnet, „dass er überlegt, mit mir auf der Sechserposition zu spielen“, wie Kimmich berichtete. „Da konnte ich ein Grinsen nicht unterdrücken.“Die Sechs ist seine erklärte Lieblingsposition. Auf dieser wurde er in der Jugend des VfB Stuttgart einst ausgebildet, auch bei RB Leipzig spielte er im Mittelfeld. Erst Löw erfand bei der EM 2016 den Rechtsverteidiger Kimmich – ein Jahr später trat der dann auch beim FC Bayern die Nachfolge Philipp Lahms an.
Für Löw war es zunächst mal ein Test. Aber einer, der Zukunft hat. „Er war sehr präsent und sehr zweikampfstark. Er war viel am Ball und hat das gut gelöst. Es war sicherlich eine gute Lösung“, urteilte der Bundestrainer und ergänzte: „Das war für mich schon ein Gedanke nach der WM, weil wir im taktischen Bereich Maßnahmen ergreifen mussten, die Veränderungen mit sich bringen.“Kimmich habe die Position ja schon „in seiner Jugend gespielt“. Jetzt ist er der Mann nach Sami Khedira, den von Löw zunächst aufs Altenteil geschickten 2014-Weltmeister.
Kimmich erledigte den Job im Mittelfeld mit Laufstärke, Einsatz, Spielintelligenz und dem Willen, als Juniorchef Verantwortung zu übernehmen. „Ich habe schon oft gesagt, dass ich da spiele, wo ich gebraucht werde. Die Mannschaft weiß, dass ich ihr rechts hinten weiterhelfen kann. Jetzt versuche ich es auf der Sechs“, sagte er und ist gespannt: „Mal schauen, wie der Trainer mit mir plant.“Die Sechs reizt ihn dauerhaft. „Von mir aus gerne öfter“, bestätigte Kimmich.
Nicht nur für Löw sind die Sechser im modernen Fußball so etwas wie die neuen Spielmacher, „die eher ein bisschen weiter zurück agieren, da, wo das Spiel ausgelöst wird“. Ein Blick auf den neuen Weltmeister genügt, um die Bedeutung zu erkennen. Bei Frankreich ist N’Golo Kanté, gerade mal 1,68 Meter groß, als Sechser ein absoluter Schlüsselspieler.
Ob Kimmich auch beim Freundschaftsspiel gegen Peru am Sonntag (20.45/RTL) wieder auf der Sechs spielen wird, ist offen. Vor allem aber, weil Löw da noch ein wenig mehr experimentieren möchte. Wegen des Drucks und der „besonderen Vorzeichen“verzichtete der Bundestrainer am Donnerstag auf die Außenbahn-Talente Julian Brandt (22) und Leroy Sané (22), der nur zu einem Acht-Minuten-Einsatz kam. Auch die Neu-Nationalspieler Nico Schulz, Thilo Kehrer und Kai Havertz mussten zuschauen. „Ich wollte nicht von heute auf morgen, nicht völlig radikal, junge Spieler einbauen“, erklärte Löw, „es ist schon sehr wahrscheinlich, dass der ein oder andere Junge am Sonntag eine Chance von Anfang an bekommt.“