Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Neuer Anlauf in Frankreich
Tettnanger Marco Mathis will Karriere bei Cofidis ankurbeln – Start in Wangen möglich
RAVENSBURG - Mit seinem überraschenden WM-Titel im U23-Zeitfahren ist Marco Mathis 2016 urplötzlich im Rampenlicht aufgetaucht. Es folgte der Wechsel zu Katusha-Alpecin, ein Rennstall der höchsten Kategorie. Dort wartete Mathis aber vergeblich auf den Durchbruch, deswegen entschied sich der 24-Jährige nun für einen Wechsel zu Cofidis. Die französische Mannschaft gehört zwar nur zu den Teams der Kategorie Professional Continental und damit zur zweiten Liga des Radsports. Mathis sieht das aber nicht als Rückschritt.
Die Zeit bei Katusha-Alpecin sieht Marco Mathis als „super Erfahrung“an. „Die zwei Jahre haben mich stärker gemacht“, sagt er. Doch in seiner Antwort schwingt auch ein großes „Aber“mit. Denn beim deutschen Topradstall war der junge Sprinter vor allem ein Helfer. Ein Helfer für die großen Namen, die sich im Team tummeln und getummelt haben – allen voran der ehemalige Zeitfahrweltmeister Tony Martin sowie der Topsprinter Marcel Kittel. „Natürlich musste ich für Kittel fahren“, sagt Mathis. Er meint das nicht vorwurfsvoll. „Aber ich konnte eben nicht zeigen, was ich kann.“
Dazu kamen atmosphärische Störungen innerhalb der Mannschaft. Teamchef Dimitri Konyschew warf Kittel während der Tour de France Egoismus und fehlende Effektivität vor. Nach seinen fünf Etappensiegen bei der Tour 2017 war Kittel mit großen Erwartungen – und für viel Geld – zum Schweizer Rennstall KatushaAlpecin gewechselt. Doch die Erfolge blieben aus, die Stimmung wurde schlechter.
„Es werden Rennen kommen, bei denen ich zeigen kann, was ich draufhabe.“
Marco Mathis über seine Zukunft
Auch die Bahn war eine Option
Darunter litt auch Mathis. „Wir Fahrer haben versucht, die schlechte Stimmung nicht an uns heranzulassen“, meint der 24-Jährige. Doch es rumorte dauerhaft, Kittel beendete vorzeitig seine Saison, Martin gab früh seinen Wechsel zur neuen Saison zu Lotto bekannt. Sponsoren erwarteten Ergebnisse, Talente wie Mathis bekamen kaum Freiheiten, sich bei größeren Rennen ins Rampenlicht zu fahren. Auch wenn daher die ganz großen Ergebnisse ausgeblieben sind, war und ist Mathis mit seiner Saison 2018 zufrieden. „Ich habe mich verbessert.“Bei der BelgienTour wurde er auf der dritten Etappe Zweiter, bei der deutschen Meisterschaft im Zeitfahren Siebter, 14. war er bei der Europameisterschaft. „Ich war mir aber sicher, dass ich einen neuen Weg einschlagen musste.“Es gab auch Überlegungen, zurück auf die Bahn zu wechseln und die Olympischen Spiele 2020 in Tokio ins Visier zu nehmen. 2016 wurde er neben Zeitfahr-Weltmeister auch deutscher Meister in der Einerverfolgung, in der Mannschaftsverfolgung und im Mannschaftszeitfahren. Die Entscheidung war aber, es weiter als Profi auf der Straße zu versuchen. Cofidis habe sich sehr um ihn bemüht, freut sich Mathis. Die Franzosen waren offenbar angetan von den Sprintfähigkeiten des jungen Tettnangers. „Er ist ein großes Talent“, sagte der französische Teamchef Cedric Vasseur. So wird Mathis in der kommenden Saison der erste deutsche Radprofi, der jemals für Cofidis gefahren ist. „Jetzt muss er sich beweisen“, weiß Richard Dämpfle, Teamchef des bärenstarken Mountainbiketeams Centurion Vaude und langjähriger Wegbegleiter in Mathis’ Radsportkarriere. „Der Wechsel ist eine große Chance für ihn, wir freuen uns sehr.“
Für zwei Jahre hat Mathis bei Cofidis unterschrieben. „Es werden Rennen kommen, bei denen ich zeigen kann, was ich draufhabe“, sagt der 24-Jährige. Zuletzt in Kanada ist Mathis das nicht gelungen – er kam nicht ins Ziel. Möglich ist übrigens, dass Mathis trotz der Reisestrapazen zwischen Europa und Nordamerika am Sonntag beim Kriterium in Wangen mitfährt. „Wenn alles klappt, möchte ich da am Start stehen“, sagt er. Mathis wäre in Wangen einer der bekanntesten Fahrer. „Ich freue mich auf das Rennen und hoffe auf viele Zuschauer.“