Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Streit um Vertretungsunterricht
Kultusministerin wollte erheben, wie Stunden gestaltet werden – Personalräte blockieren
STUTTGART - Lernen die Kinder Mathe, oder malen sie Mandalas aus? Bislang gibt es in Baden-Württemberg keine Daten dazu, was im Vertretungsunterricht passiert, wenn reguläre Schulstunden ausfallen. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) wollte das nun ändern. Doch die Lehrervertretungen blockieren die Erhebung mit Verweis auf den zusätzlichen Arbeitsaufwand. Der oberste Elternvertreter im Land, Carsten Rees, spricht von einem „Machtspiel, das auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird“.
Jahrelang hatten die Eltern im Land über die offiziellen Zahlen zum Unterrichtsausfall geklagt. Sie seien nicht aussagekräftig, so das Argument. Bisher verließ sich das Ministerium nämlich auf eine Stichprobe, die sie einmal im Jahr an ausgewählten Schulen erhoben hatte. Im Juni hat Eisenmann erstmals an allen 4500 öffentlichen Schulen im Land den Unterrichtsausfall erheben lassen. Das Ergebnis: 4,1 Prozent des Pflichtunterrichts fiel aus. Zudem stand in 6,3 Prozent der Zeit ein Vertretungslehrer vor der Klasse. Besonders betroffen waren die Gymnasien und Beruflichen Schulen. Der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Rees, hatte kritisiert, dass es damit keine Erkenntnisse zur Qualität des Vertretungsunterrichts gebe.
Das wollte Eisenmann bei der nächsten Erhebung ändern, die am 12. November startet. Laut Ministerium sollten die Schulleiter angeben, wie der Vertretungsunterricht gestaltet wurde: ob etwa von einem Fachlehrer. Am Dienstag teilte das Ministerium mit, dass die Hauptpersonalräte dies ablehnten.
Die Hauptpersonalräte dienen als Interessensvertretung der Lehrer. Es gibt verschiedene dieser Gremien – darunter eins für die Gymnasien, eins für die Beruflichen Schulen und eins für alle anderen Schularten. Gewählt werden die Mitglieder für fünf Jahre von allen Lehrern. „Die Eltern im Land fordern zurecht Informationen über den Unterrichtsausfall“, kritisiert Eisenmann. „Die Blockadehaltung der Personalvertretungen lässt jedoch ein Interesse an Transparenz und differenzierter Betrachtung vermissen.“
Herbert Huber, Vorsitzender des Landesverbands der Berufsschullehrer, sieht in Eisenmanns Angriff eine Aufkündigung der vertrauensvollen Zusammenarbeit. „Es wäre ein Akt der Fairness von Seiten des Kultusministeriums, auf die Gründe hinzuweisen und einige davon zu nennen!“, teilt er mit. Das Argument, das er wie auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nennen, lautet: Der Druck auf die Lehrer ist groß, wegen des akuten Lehrermangels fehlt Zeit. „Angesichts dieser Situation wäre das Ministerium gut beraten, die Schulleitungen nicht mit weiteren Aufgaben zu überfrachten“, so der VBE.
Arbeitsbelastung eindämmen
GEW-Landeschefin Doro Moritz, die auch Personalrätin ist, sieht das ähnlich. „Wir achten in letzter Zeit bei allen Maßnahmen, die zusätzlich auf die Schulen zukommen, darauf, die Arbeitsbelastungen zu begrenzen“, sagt sie. Wenn die Schulleiter pro Jahr drei zusätzliche, umfangreiche Statistiken erstellen müssten, sei das viel zusätzliche Arbeit. „Wir stellen uns hier schützend vor die Schulleiter“, so Moritz. Sophia Guter, Vorstandsvorsitzende des Hauptpersonalrats der Beruflichen Schulen, betont: „Wir benötigen weitere Arbeitszeit für zusätzliche Aufgaben. Wir brauchen mehr Lehrerstellen, wenn wir bessere Vertretungsstunden machen sollen.“
Auch Landeselternvertreter Rees pocht auf mehr Unterstützung für Schulleiter – und verweist auf ein entsprechendes Konzept des Kultusministeriums, das er als „einen ersten Schritt in die richtige Richtung“bezeichnet. Beide Seiten bringen laut Rees berechtigte Argumente vor. Aber: „Es macht keinen Sinn, sich jetzt gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben.“Wie Vertretungsstunden gestaltet werden, sei eine „absolut unverzichtbare Information“für die Eltern. „Es ist schade, wenn jetzt aus taktischen Gründen diese Erhebung abgesägt wird.“