Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Stadt verdient an Prostitution und Glücksspiel
Einnahmen durch Vergnügungssteuer sind zurückgegangen – und könnten um die Hälfte sinken
ULM - Es sind nicht einmal zwei Prozent der gesamten Steuereinnahmen der Stadt, doch die Zahl ist hoch: Jeweils rund 4,3 Millionen Euro Vergnügungssteuer hat Ulm in den beiden vergangenen Jahre eingenommen. Betreiber von Diskotheken bezahlen diese Abgabe, aber auch Inhaber von Bordellen, StripteaseBars, Pornokinos, Spielhallen und Wettbüros. Bisher. Denn ein Teil der Betriebe wird künftig von der Besteuerung ausgenommen. Dass die Einnahmen durch die Vergnügungssteuer bald um knapp die Hälfte sinken könnte, hat allerdings einen anderen Grund.
Wettbüros müssen vorerst keine Vergnügungssteuer mehr entrichten. Das hat der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung entschieden. Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Demnach ist der Maßstab der Stadt Dortmund nicht zulässig: Entscheidend für die Höhe der Abgaben war die Fläche der Wettbüros. Ulm handelte bisher nach dem gleichen Prinzip. Weil die Stadt zuletzt nur rund 63 000 Euro auf diesem Weg einnahm, ist der Verwaltung der Aufwand zu hoch, neue Grundlagen zu erarbeiten.
Um deutlich mehr Geld geht es bei Spielautomaten. Wie berichtet, hat die Stadt den meisten Spielhallen in Ulm die Konzession entzogen. Grund ist ein Gesetz, das der badenwürttembergische Landtag im November 2012 verabschiedet hat. Es schreibt unter anderem einen Mindestabstand von 500 Metern zwischen Casinos vor. 40 Spielhallen gibt es in der Stadt, 39 mussten neue Lizenzen beantragen. Nur elf von diesen dürfen bleiben. Doch wegen zahlreicher Widersprüche dürfen die Spielhallen vorerst weiter betrieben werden – die Stadt scheut mögliche Strafzahlungen, die fällig werden könnten, wenn ein Casino seine Konzession zu unrecht verloren hat und schließen musste. Wenn die 28 Betriebe tatsächlich weichen müssen, dürfte das die Stadt rund zwei Millionen Euro an Steuereinnahmen kosten. Ab 2020 könnte es so weit sein, vermutet die Verwaltung.
Vor zehn Jahren waren die Einnahmen aus der Vergnügungssteuer noch deutlich niedriger: Sie lagen bei rund 700 000 Euro. Dann wurde die Berechnung umgestellt. Statt der Zahl der Automaten ist jetzt das Einspielergebnis ausschlaggebend. Dadurch haben sich die Einnahmen inzwischen versechsfacht. Denn die Einnahmen aus dem Einspielergebnis von Automaten machen drei Viertel der Vergnügungssteuer aus. Die Zahlen gehen aus städtischen Statistiken hervor.
Die 2013 eingeführte Bordellsteuer trägt dagegen nur knapp fünf Prozent zu den Vergnügungssteuer-Einnahmen bei. Zehn Euro pro Quadratmeter und Monat müssen Betreiber an die Stadt abgeben. Die Bordelle melden die Werte, die Verwaltung prüft in Stichproben, ob die Angaben stimmen. Bei den Kontrollen komme es darauf an, ob ein Raum für bezahlten Sex, erotische Massagen und ähnliche Dienstleistungen nutzbar ist, erklärt Irene Derr, Leiterin der Ulmer Steuerverwaltung. Von 2016 auf 2017 sind die Einnahmen aus der Bordellsteuer von 240 000 Euro auf rund 200 000 Euro zurückgegangen, die Zahl der Betriebe von 28 auf 25 gesunken.
Prostitution auch in Hotels
Nicht überall werden Steuern gezahlt. „Illegale Prostitution ist ein Thema. Zum Beispiel in Hotels, bei denen Gäste nur mit ihrer Kreditkarte und ohne Ausweis einchecken“, sagt Rainer Türke, Leiter des städtischen Ordnungsamts.
Die Polizei verweist in ihrer Sicherheitsanalyse 2017 auf eine Dunkelziffer „illegaler und möglicherweise unter Zwang ausgeübter Prostitution“. Weil Huren ihren Aufenthaltsort oft wechseln und sich oft abschotten, sei die Dunkelziffer nicht feststellbar.
Die Polizei bemühe sich um intensive Kontakte zu betroffenen Frauen, sagt Polizeisprecher Wolfgang Jürgens. Auch Rocker-Gruppen sind nach den Erkenntnissen der Ermittler teilweise eng mit verbotener Prostitution verwoben. „Das ist Teil der Strategie, an Einnahmen zu kommen – auch wenn die Gruppen das immer bestreiten werden“, sagt Jürgens. Auch illegales Glücksspiel gebe es in der Region, allerdings bestehe dabei kein Schwerpunkt.