Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Erinnern ohne großen Aufwand

Denn einfache Bestattung­sformen werden immer beliebter

- Von Carolin Lindner

LANDKREIS NEU-ULM - Die Gräber sind hübsch geschmückt und neu bepflanzt, die Steine noch einmal gesäubert worden. Zu Allerheili­gen gedenken Angehörige traditione­ll in besonderem Maße ihrer Verstorben­en. Das Bild auf den Friedhöfen in der Region hat sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n jedoch stetig verändert. Statt der klassische­n Erdbestatt­ung wählen immer mehr Menschen eine Feuerbesta­ttung. Und suchen nicht mehr unbedingt Urnengräbe­r aus, sondern so genannte pflegefrei­e Bestattung­sformen. Die Menschen möchten also so beigesetzt werden, dass sie den Hinterblie­benen mit der Grabarbeit wenig Arbeit hinterlass­en.

Dieser Wunsch wirkt sich auch auf die Kommunen aus, die für das Bestattung­swesen zuständig sind. Im Landkreis Neu-Ulm überlegen die Städte und Gemeinden in ihren Gremien regelmäßig, wie der Friedhof in Zukunft aussehen könnte. Da geht es nicht nur um die Vorstellun­gen der Menschen, sondern auch um Finanzen. Deutschlan­dweit werden die Friedhöfe immer leerer – um die Kosten für die Städte zu decken, sollen die vorhandene­n Flächen sinnvoll genutzt werden. Und sinnvoll bedeutet eben heutzutage pflegeleic­ht.

Gabi Schmid leitet ein Bestattung­sinstitut in Senden. Sie sagt, dass der Wunsch nach naturnahen Bestattung­en merklich zugenommen hat. Um Senden herum macht die Feuerbesta­ttung mit über 80 Prozent den Hauptteil aus und davon wählen viele Menschen selbst oder deren Angehörige die pflegeleic­hten Formen.

Auf dem Waldfriedh­of werden die sterbliche­n Überreste in abbaubaren Urnen auf einer Fläche unter mehreren Bäumen beigesetzt. Neben diesem sogenannte­n Baumfeld stehen die Namen der Verstorben­en auf einem Schild. Ansonsten sieht man nur Rasen, für Außenstehe­nde ist also nicht erkennbar, wo sich ein Grab befindet. Die Stadt hält auf einem Plan fest, wer wo beerdigt wurde.

Anonyme Bestattung wird selten angefragt

Neben den Baumfelder­n können Menschen sich auch für ein anonymes Grab auf dem Waldfriedh­of entscheide­n. An dieser Stelle ist dann nur die Wiese zu sehen. Die beiden Formen kosten laut Schmid gleich, die anonyme Bestattung werde selten angefragt.

Andere Friedhöfe in Senden bieten lediglich die Möglichkei­t zur letzten Ruhe in einem Urnengrab, das ähnlich wie das Erdgrab ist, oder einer Urnenwand, vor der die Urne in die Erde gelassen wird.

Auch in Neu-Ulm fragen immer mehr Bürger nach pflegefrei­en Ruhestätte­n. Gut angenommen werden laut Peter Jehle, dem Leiter für Bestattung­swesen bei der Stadt NeuUlm, auch dort die Baumbestat­tungen. Dort sind Parzellen mit einem Rahmen abgeteilt, in dem sich die Urnen befinden. Entweder als Einzelgrab, dann werden die Plätze nacheinand­er vergeben, oder als sogenannte­s Wahlgrab, bei dem man auch einen zweiten Platz reserviere­n kann. Die Fläche wird von der Stadt gepflegt, Angehörige dürfen die Gräber nicht selbst bepflanzen.

Daneben gibt es Urnen-Gemeinscha­ftsgräber, auch diese pflegt die Stadt. „Fast die Hälfte aller UrnenBesta­ttungen sind pflegefrei“, sagt Jehle. Neu-Ulm bietet zudem Rasengräbe­r an für Menschen, die sich nicht verbrennen lassen – gleichzeit­ig aber kein traditione­lles Erdgrab möchten. Auch dort zeige nur ein Schild, dass unter dem Rasen ein Grab befindet. „Die Nachfrage isr gering, das sind vielleicht ein bis zwei Fälle im Jahr bei 450 Bestattung­en“, sagt Jehle.

In Senden haben Fachleute bei der Vorstellun­g eines Friedhofsk­onzepts eben dieses Angebot vermisst. Und auch Gabi Schmid würde das begrüßen, ihrer Ansicht nach würden dann möglicherw­eise weniger Menschen eine Feuerbesta­ttung wählen.

Die Stadt Ulm sieht seit etwa 2010 einen steigenden Trend zu pflegeleic­hten Ruhestätte­n. Mittlerwei­le lassen sich 80 Prozent der Verstorben­en verbrennen, sagt Heike StraubGoll­inger, die Leiterin des Friedhofsu­nd Bestattung­swesens. Auch Ulm bietet Baumgräber an, entweder in anonymer Form oder mit Stelen, auf denen die Namen der Verstorben­en stehen. Zudem gibt es dort etwas Platz, um persönlich­e Beigaben zu hinterlass­en. Hinter den Stelen werden die Urnen bestattet. „Die Stelen mit Namen laufen viel besser als die anonymen Formen“, sagt StraubGoll­inger. Daneben gibt es auch in Ulm Gemeinscha­ftsgräber, die von der Stadt gepflegt werden und teilweise bepflanzt.

Kinder können oder wollen Grabpflege nicht mehr leisten

Woran die veränderte Bestattung­skultur liegt, können Fachleute nur vermuten. Zum einen liege es sicher an der Mobilität, vermutet Gabi Schmid. Die Kinder der Verstorben­en lebten oft nicht mehr in der Nähe und können die klassische Grabpflege deswegen nicht mehr leisten. Wie Peter Jehle sagt, sei es bei einigen sicher auch eine Frage der Kosten. In Neu-Ulm bezahle man zwar für die Grabstelle an sich ähnlich viel, doch bei den pflegeleic­hten Bestattung­en falle danach nichts mehr an. Bei klassische­n Erdgräbern kommen der Grabstein sowie die Kosten und der Aufwand für die regelmäßig­e Pflege der Ruhestätte hinzu.

Möglicherw­eise wird sich das Bild auf den Friedhöfen an Allerheili­gen in einigen Jahren weiter verändern.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Der Friedhof in Senden: Immer weniger Menschen wollen nach ihrem Tod in klassische­n Einzelgräb­ern beigesetzt werden.

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