Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Erinnern ohne großen Aufwand
Denn einfache Bestattungsformen werden immer beliebter
LANDKREIS NEU-ULM - Die Gräber sind hübsch geschmückt und neu bepflanzt, die Steine noch einmal gesäubert worden. Zu Allerheiligen gedenken Angehörige traditionell in besonderem Maße ihrer Verstorbenen. Das Bild auf den Friedhöfen in der Region hat sich in den vergangenen Jahrzehnten jedoch stetig verändert. Statt der klassischen Erdbestattung wählen immer mehr Menschen eine Feuerbestattung. Und suchen nicht mehr unbedingt Urnengräber aus, sondern so genannte pflegefreie Bestattungsformen. Die Menschen möchten also so beigesetzt werden, dass sie den Hinterbliebenen mit der Grabarbeit wenig Arbeit hinterlassen.
Dieser Wunsch wirkt sich auch auf die Kommunen aus, die für das Bestattungswesen zuständig sind. Im Landkreis Neu-Ulm überlegen die Städte und Gemeinden in ihren Gremien regelmäßig, wie der Friedhof in Zukunft aussehen könnte. Da geht es nicht nur um die Vorstellungen der Menschen, sondern auch um Finanzen. Deutschlandweit werden die Friedhöfe immer leerer – um die Kosten für die Städte zu decken, sollen die vorhandenen Flächen sinnvoll genutzt werden. Und sinnvoll bedeutet eben heutzutage pflegeleicht.
Gabi Schmid leitet ein Bestattungsinstitut in Senden. Sie sagt, dass der Wunsch nach naturnahen Bestattungen merklich zugenommen hat. Um Senden herum macht die Feuerbestattung mit über 80 Prozent den Hauptteil aus und davon wählen viele Menschen selbst oder deren Angehörige die pflegeleichten Formen.
Auf dem Waldfriedhof werden die sterblichen Überreste in abbaubaren Urnen auf einer Fläche unter mehreren Bäumen beigesetzt. Neben diesem sogenannten Baumfeld stehen die Namen der Verstorbenen auf einem Schild. Ansonsten sieht man nur Rasen, für Außenstehende ist also nicht erkennbar, wo sich ein Grab befindet. Die Stadt hält auf einem Plan fest, wer wo beerdigt wurde.
Anonyme Bestattung wird selten angefragt
Neben den Baumfeldern können Menschen sich auch für ein anonymes Grab auf dem Waldfriedhof entscheiden. An dieser Stelle ist dann nur die Wiese zu sehen. Die beiden Formen kosten laut Schmid gleich, die anonyme Bestattung werde selten angefragt.
Andere Friedhöfe in Senden bieten lediglich die Möglichkeit zur letzten Ruhe in einem Urnengrab, das ähnlich wie das Erdgrab ist, oder einer Urnenwand, vor der die Urne in die Erde gelassen wird.
Auch in Neu-Ulm fragen immer mehr Bürger nach pflegefreien Ruhestätten. Gut angenommen werden laut Peter Jehle, dem Leiter für Bestattungswesen bei der Stadt NeuUlm, auch dort die Baumbestattungen. Dort sind Parzellen mit einem Rahmen abgeteilt, in dem sich die Urnen befinden. Entweder als Einzelgrab, dann werden die Plätze nacheinander vergeben, oder als sogenanntes Wahlgrab, bei dem man auch einen zweiten Platz reservieren kann. Die Fläche wird von der Stadt gepflegt, Angehörige dürfen die Gräber nicht selbst bepflanzen.
Daneben gibt es Urnen-Gemeinschaftsgräber, auch diese pflegt die Stadt. „Fast die Hälfte aller UrnenBestattungen sind pflegefrei“, sagt Jehle. Neu-Ulm bietet zudem Rasengräber an für Menschen, die sich nicht verbrennen lassen – gleichzeitig aber kein traditionelles Erdgrab möchten. Auch dort zeige nur ein Schild, dass unter dem Rasen ein Grab befindet. „Die Nachfrage isr gering, das sind vielleicht ein bis zwei Fälle im Jahr bei 450 Bestattungen“, sagt Jehle.
In Senden haben Fachleute bei der Vorstellung eines Friedhofskonzepts eben dieses Angebot vermisst. Und auch Gabi Schmid würde das begrüßen, ihrer Ansicht nach würden dann möglicherweise weniger Menschen eine Feuerbestattung wählen.
Die Stadt Ulm sieht seit etwa 2010 einen steigenden Trend zu pflegeleichten Ruhestätten. Mittlerweile lassen sich 80 Prozent der Verstorbenen verbrennen, sagt Heike StraubGollinger, die Leiterin des Friedhofsund Bestattungswesens. Auch Ulm bietet Baumgräber an, entweder in anonymer Form oder mit Stelen, auf denen die Namen der Verstorbenen stehen. Zudem gibt es dort etwas Platz, um persönliche Beigaben zu hinterlassen. Hinter den Stelen werden die Urnen bestattet. „Die Stelen mit Namen laufen viel besser als die anonymen Formen“, sagt StraubGollinger. Daneben gibt es auch in Ulm Gemeinschaftsgräber, die von der Stadt gepflegt werden und teilweise bepflanzt.
Kinder können oder wollen Grabpflege nicht mehr leisten
Woran die veränderte Bestattungskultur liegt, können Fachleute nur vermuten. Zum einen liege es sicher an der Mobilität, vermutet Gabi Schmid. Die Kinder der Verstorbenen lebten oft nicht mehr in der Nähe und können die klassische Grabpflege deswegen nicht mehr leisten. Wie Peter Jehle sagt, sei es bei einigen sicher auch eine Frage der Kosten. In Neu-Ulm bezahle man zwar für die Grabstelle an sich ähnlich viel, doch bei den pflegeleichten Bestattungen falle danach nichts mehr an. Bei klassischen Erdgräbern kommen der Grabstein sowie die Kosten und der Aufwand für die regelmäßige Pflege der Ruhestätte hinzu.
Möglicherweise wird sich das Bild auf den Friedhöfen an Allerheiligen in einigen Jahren weiter verändern.