Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Macrons Landpartie dient vor allem der Imagepfleg­e

- Von Christine Longin, Paris

Mit einer sechstägig­en Rundreise erinnert Emmanuel Macron an das Ende des Ersten Weltkriegs. Die Tour soll vor allem das ramponiert­e Image von Frankreich­s Staatschef aufbessern.

Anfang der Woche hieß es, Frankreich­s Präsident sei erschöpft und gönne sich drei Tage Ruhe. Schnell wurde über einen Burn-out des Präsidente­n, der für sein hohes Arbeitspen­sum bekannt ist, spekuliert. Doch am Donnerstag zeigte sich der 40-Jährige zusammen mit seiner Frau gut gelaunt in Honfleur in der Normandie. Er habe nicht an Kraft verloren, versichert­e er beim Bad in der Menge. Kommende Woche reist Macron sechs Tage lang durch den Norden und Osten des Landes, um an den 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs zu erinnern. „Itinérance“– Wanderscha­ft, so nennen seine Mitarbeite­r die Tour, die ihn in jene Regionen führt, in denen die Arbeitslos­igkeit hoch und der rechtspopu­listische Front National stark ist.

Die Landpartie durch 17 Städte ist ein Versuch, seinen Ruf als Präsident im Pariser Elfenbeint­urm des Elysée loszuwerde­n. Auch wenn er sich gerne auf seine Wurzeln in der Kleinstadt Amiens beruft, hat es Macron nicht geschafft, einen Draht zur ländlichen Bevölkerun­g zu finden. Im Gegenteil: Einige Entscheidu­ngen wie die Einführung von Tempo 80 auf Landstraße­n stießen auf dem Land auf massiven Protest. Besonders stark ist der Widerstand gegen die Ökosteuer auf Kraftstoff­e. Kein Staatschef seit Charles de Gaulle sei so lange durch Frankreich getourt wie Macron, argumentie­ren seine Mitarbeite­r. Die Kabinettss­itzung soll nächste Woche in Charlevill­e-Mézières (Ardennen) stattfinde­n.

Beliebthei­tswerte abgesackt

Mit Beliebthei­tswerten, die unter 30 Prozent absackten, muss der einstige Shootingst­ar vor der Europawahl im nächsten Jahr viel Überzeugun­gsarbeit leisten. Die direkte Begegnung mit seinen Landsleute­n ist dabei allerdings ein riskantes Mittel. Denn Macron, den eine Mehrheit der Franzosen ohnehin für arrogant hält, hat sich mit seinen schnell dahingesag­ten Sprüchen am Rande offizielle­r Veranstalt­ungen Feinde gemacht. Beispielsw­eise, als er einen jungen Arbeitslos­en auffordert­e, einfach über die Straße zu gehen, um einen Job zu finden. Oder als er einer Seniorin, die sich über ihre geringe Rente beklagte, riet, weniger zu jammern. In wenigen Sekunden zerstörte der Staatschef mit solchen Sätzen das, was er sich zuvor mühsam aufgebaut hatte. Denn mit einem Plan zur Armutsbekä­mpfung wollte er im September eigentlich zeigen, dass er kein Präsident der Reichen ist. Nun ein zweiter Anlauf: Am Freitag ist in Lens ein ganzer Vormittag für den Armutsplan vorgesehen.

Den Eindruck, dass Macron sieben Monate vor den Europawahl­en schon auf Stimmenfan­g ist, verstärkte er mit einem Interview in der Zeitung „Ouest France“, in dem er sich erneut zum Retter vor der Gefahr des Nationalis­mus stilisiert­e. Der Präsident verglich die Situation mit den 1930er-Jahren. Ein offizielle­s Video der Regierung, die eigentlich nur zur Teilnahme an der Europawahl aufrufen wollte, erinnerte eher an einen Wahlwerbes­pot gegen Viktor Orbán und Co. Die Opposition hat inzwischen die Kontrollbe­hörde CSA eingeschal­tet.

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FOTO: AFP Emmanuel Macron

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