Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wie ein Mann mit seinem Job zurück ins Leben fand
Früher war Alexander Popov oft aggressiv – Jetzt wurde er als einer der besten Handwerker im Land ausgezeichnet
SCHEMMERHOFEN - Statt zu sprechen, hat Alexander früher oft zugeschlagen. Er flog von mehreren Schulen, irrte durch die Berufswelt, bereitete seinen Eltern Kummer. Doch in ihm schlummerte handwerkliches Talent. Ein Unternehmen in Schemmerhofen hat das erkannt und gab dem Jungen eine Chance. Jetzt wurde der 21-Jährige zu BadenWürttembergs bestem Zerspanungstechniker gekürt. Die Geschichte eines Jungen, der mit seiner Arbeit zurück ins Leben gefunden hat.
„Hätte ich alle Stationen meines Lebens in meinen Lebenslauf geschrieben, hätte ich keine Chance gehabt“, erzählt Alexander Popov. Die Bewerbung bei der Metallverarbeitungsfirma Heckenberger in Schemmerhofen gestaltete er daher eher knapp. Den Hauptschulabschluss führte er auf und die Zeit, als er als Erstklässler von Russland nach Deutschland gekommen war. Dazwischen aber war er mehrmals von Schulen geflogen, hatte gar Medikamente gegen seine Aggressivität bekommen, immer wieder geprügelt und mehrere Jobs abgebrochen. Auch die Station in Schemmerhofen sollte zunächst nur vorübergehend sein. Doch Alexander merkte schnell, dass hier etwas anders war.
Heute sitzt er mit seinem Chef Dieter Heckenberger am Tisch und beide erzählen vom ersten Aufeinandertreffen vor mehr als drei Jahren. „Holprig“sei der Start gewesen, Popov habe mit seiner forschen Art angeeckt im Unternehmen, ließ Höflichkeit vermissen und habe auf seine Kollegen hochnäsig gewirkt. Und Heckenberger hatte sich informiert über die Laufbahn des Bewerbers. „Ich hatte aber keine Vorurteile“, erzählt er heute. Popov habe es anfangs an sozialen Kompetenzen gemangelt, handwerklich aber habe er „unglaubliches Talent“bewiesen.
Heckenberger gab ihm eine Chance, bot ihm einen Ausbildungsplatz und schließlich die Übernahme. Heute sagt Popov: „Zum Glück hat es geklappt.“Anfangs habe er nicht einmal gewusst, was sich hinter dem Beruf des Zerspanungstechnikers verbirgt. Heute steht er jeden Tag an den Maschinen, fertigt Metallteile, kontrolliert die Arbeiten und programmiert. Oft kommt es auf Tausendstel Millimeter an. An einem winzigen Turbinenrad erklärt Popov, was das bedeutet: Das Rad wird später in einen Zahnarzt-Bohrer eingebaut. Bis zu 5000 Mal muss es sich in einer Sekunde um sich selbst drehen. „Das ist für mich bis heute unvorstellbar“, sagt er. Seine Arbeit sei immer wieder faszinierend.
Wandel um 180 Grad
Während seiner Ausbildungszeit verbesserte sich Popov weiter und nahm sich Ratschläge und gelegentliche Kritik seiner Kollegen und Vorgesetzten zu Herzen. Sein Chef bescheinigt ihm heute einen „Wandel um 180 Grad“. „Wir sind sehr froh, dass wir ihn in der Firma haben“, sagt Dieter Heckenberger. Er habe immer an seinen Azubi geglaubt. Und Popov sagt heute: „Mein Chef hat mich viel gelobt, das hat mich auch motiviert.“Heute verstehe er sich „top“mit den Kollegen. „Ich habe wirklich das Gefühl, dass ich hier meine Gabe erkannt habe“, sagt Popov. Dass der junge Handwerker vorbildliche Arbeit leistet, wurde nun auch von höchster Stelle bestätigt. Für das Werkstück seiner Abschlussprüfung wurde Popov als bester Zerspanungstechniker in Baden-Württemberg ausgezeichnet. Innerhalb von zwei Tagen fertigte er eine Wasserpumpe, die die Prüfer der Handwerkskammer überzeugten. Nun ist Popov sogar für die deutsche Meisterschaft nominiert. „Wer hätte so etwas vor zehn Jahren geglaubt?“, sagt er von sich selbst.
Heckenberger ist stolz auf seinen Schützling, doch zugleich befürchtet er, dass andere Firmen Popov abwerben könnten. Das wäre nicht das erste Mal. Der Kampf um Facharbeiter sei groß und mit dem Gehalt der großen Konzerne kann Heckenberger kaum mithalten.
Popov weiß von seinen Möglichkeit – aber möchte dennoch in Schemmerhofen bleiben. Er kenne Kollegen, die bei größeren Firmen arbeiten. „Man muss sich selber fragen, ob es das Geld wert ist“, sagt er. An seinem jetzigen Arbeitsplatz habe er täglich wechselnde Aufgaben. „Ich darf auch programmieren und alles selbst machen“, erzählt er. „Diese Abwechslung würde ich woanders sicherlich vermissen.“Auch die gute Stimmung im Team wolle er nicht missen. „Ich glaube, ich kann nirgends soviel Erfahrung sammeln wie hier.“Dieter Heckenberger hört das natürlich gerne. Rund 25 Mitarbeiter sind in seinem Betrieb beschäftigt. „Der Erfolg von Alexander Popov ist auch eine Bestätigung für uns“, sagt er. Er freue sich für seinen Vorzeigemitarbeiter.
Dank an die Freundin
Und Alexander Popov blickt zurück und kann es selbst kaum glauben: „Ich bin stolz, dass aus einem Dreckskerl, wie ich früher einer war, jetzt so ein guter Mensch geworden ist.“Er wolle bald den Meister machen und sich weiter verbessern.
Als Jugendlicher in Deutschland habe ihm früher oft die Sprache zur Kommunikation gefehlt. „Deshalb habe ich mich mit Fäusten gewehrt“, sagt er. Er sei froh, dass sich nun alles zum Besseren gewandelt habe. Ein wichtiger Auslöser dafür aber sei auch seine Freundin gewesen, die er in der neunten Klasse kennenlernte. „Sie tut mir gut“, ist er sich sicher. „Das sagen auch alle, die mich kennen.“So gut wie heute sei es selten gelaufen in seinem Leben. Popov sagt: „Die Zukunft kann jetzt kommen.“