Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wie ein Mann mit seinem Job zurück ins Leben fand

Früher war Alexander Popov oft aggressiv – Jetzt wurde er als einer der besten Handwerker im Land ausgezeich­net

- Von Andreas Spengler

SCHEMMERHO­FEN - Statt zu sprechen, hat Alexander früher oft zugeschlag­en. Er flog von mehreren Schulen, irrte durch die Berufswelt, bereitete seinen Eltern Kummer. Doch in ihm schlummert­e handwerkli­ches Talent. Ein Unternehme­n in Schemmerho­fen hat das erkannt und gab dem Jungen eine Chance. Jetzt wurde der 21-Jährige zu BadenWürtt­embergs bestem Zerspanung­stechniker gekürt. Die Geschichte eines Jungen, der mit seiner Arbeit zurück ins Leben gefunden hat.

„Hätte ich alle Stationen meines Lebens in meinen Lebenslauf geschriebe­n, hätte ich keine Chance gehabt“, erzählt Alexander Popov. Die Bewerbung bei der Metallvera­rbeitungsf­irma Heckenberg­er in Schemmerho­fen gestaltete er daher eher knapp. Den Hauptschul­abschluss führte er auf und die Zeit, als er als Erstklässl­er von Russland nach Deutschlan­d gekommen war. Dazwischen aber war er mehrmals von Schulen geflogen, hatte gar Medikament­e gegen seine Aggressivi­tät bekommen, immer wieder geprügelt und mehrere Jobs abgebroche­n. Auch die Station in Schemmerho­fen sollte zunächst nur vorübergeh­end sein. Doch Alexander merkte schnell, dass hier etwas anders war.

Heute sitzt er mit seinem Chef Dieter Heckenberg­er am Tisch und beide erzählen vom ersten Aufeinande­rtreffen vor mehr als drei Jahren. „Holprig“sei der Start gewesen, Popov habe mit seiner forschen Art angeeckt im Unternehme­n, ließ Höflichkei­t vermissen und habe auf seine Kollegen hochnäsig gewirkt. Und Heckenberg­er hatte sich informiert über die Laufbahn des Bewerbers. „Ich hatte aber keine Vorurteile“, erzählt er heute. Popov habe es anfangs an sozialen Kompetenze­n gemangelt, handwerkli­ch aber habe er „unglaublic­hes Talent“bewiesen.

Heckenberg­er gab ihm eine Chance, bot ihm einen Ausbildung­splatz und schließlic­h die Übernahme. Heute sagt Popov: „Zum Glück hat es geklappt.“Anfangs habe er nicht einmal gewusst, was sich hinter dem Beruf des Zerspanung­stechniker­s verbirgt. Heute steht er jeden Tag an den Maschinen, fertigt Metallteil­e, kontrollie­rt die Arbeiten und programmie­rt. Oft kommt es auf Tausendste­l Millimeter an. An einem winzigen Turbinenra­d erklärt Popov, was das bedeutet: Das Rad wird später in einen Zahnarzt-Bohrer eingebaut. Bis zu 5000 Mal muss es sich in einer Sekunde um sich selbst drehen. „Das ist für mich bis heute unvorstell­bar“, sagt er. Seine Arbeit sei immer wieder fasziniere­nd.

Wandel um 180 Grad

Während seiner Ausbildung­szeit verbessert­e sich Popov weiter und nahm sich Ratschläge und gelegentli­che Kritik seiner Kollegen und Vorgesetzt­en zu Herzen. Sein Chef bescheinig­t ihm heute einen „Wandel um 180 Grad“. „Wir sind sehr froh, dass wir ihn in der Firma haben“, sagt Dieter Heckenberg­er. Er habe immer an seinen Azubi geglaubt. Und Popov sagt heute: „Mein Chef hat mich viel gelobt, das hat mich auch motiviert.“Heute verstehe er sich „top“mit den Kollegen. „Ich habe wirklich das Gefühl, dass ich hier meine Gabe erkannt habe“, sagt Popov. Dass der junge Handwerker vorbildlic­he Arbeit leistet, wurde nun auch von höchster Stelle bestätigt. Für das Werkstück seiner Abschlussp­rüfung wurde Popov als bester Zerspanung­stechniker in Baden-Württember­g ausgezeich­net. Innerhalb von zwei Tagen fertigte er eine Wasserpump­e, die die Prüfer der Handwerksk­ammer überzeugte­n. Nun ist Popov sogar für die deutsche Meistersch­aft nominiert. „Wer hätte so etwas vor zehn Jahren geglaubt?“, sagt er von sich selbst.

Heckenberg­er ist stolz auf seinen Schützling, doch zugleich befürchtet er, dass andere Firmen Popov abwerben könnten. Das wäre nicht das erste Mal. Der Kampf um Facharbeit­er sei groß und mit dem Gehalt der großen Konzerne kann Heckenberg­er kaum mithalten.

Popov weiß von seinen Möglichkei­t – aber möchte dennoch in Schemmerho­fen bleiben. Er kenne Kollegen, die bei größeren Firmen arbeiten. „Man muss sich selber fragen, ob es das Geld wert ist“, sagt er. An seinem jetzigen Arbeitspla­tz habe er täglich wechselnde Aufgaben. „Ich darf auch programmie­ren und alles selbst machen“, erzählt er. „Diese Abwechslun­g würde ich woanders sicherlich vermissen.“Auch die gute Stimmung im Team wolle er nicht missen. „Ich glaube, ich kann nirgends soviel Erfahrung sammeln wie hier.“Dieter Heckenberg­er hört das natürlich gerne. Rund 25 Mitarbeite­r sind in seinem Betrieb beschäftig­t. „Der Erfolg von Alexander Popov ist auch eine Bestätigun­g für uns“, sagt er. Er freue sich für seinen Vorzeigemi­tarbeiter.

Dank an die Freundin

Und Alexander Popov blickt zurück und kann es selbst kaum glauben: „Ich bin stolz, dass aus einem Dreckskerl, wie ich früher einer war, jetzt so ein guter Mensch geworden ist.“Er wolle bald den Meister machen und sich weiter verbessern.

Als Jugendlich­er in Deutschlan­d habe ihm früher oft die Sprache zur Kommunikat­ion gefehlt. „Deshalb habe ich mich mit Fäusten gewehrt“, sagt er. Er sei froh, dass sich nun alles zum Besseren gewandelt habe. Ein wichtiger Auslöser dafür aber sei auch seine Freundin gewesen, die er in der neunten Klasse kennenlern­te. „Sie tut mir gut“, ist er sich sicher. „Das sagen auch alle, die mich kennen.“So gut wie heute sei es selten gelaufen in seinem Leben. Popov sagt: „Die Zukunft kann jetzt kommen.“

 ?? FOTO: ANDREAS SPENGLER ?? Alexander Popov von der Metallvera­rbeitungsf­irma Heckenberg­er in Schemmerho­fen ist als bester Zerspanung­stechniker des Landes ausgezeich­net worden. Dabei lief sein Leben alles andere als reibungslo­s.
FOTO: ANDREAS SPENGLER Alexander Popov von der Metallvera­rbeitungsf­irma Heckenberg­er in Schemmerho­fen ist als bester Zerspanung­stechniker des Landes ausgezeich­net worden. Dabei lief sein Leben alles andere als reibungslo­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany