Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Komponist hinter den Italoweste­rn

Ennio Morricone wird 90 Jahre alt – Über 500-mal schrieb er Musik für Filme

- Von Maren Breitling

BONN (KNA) - Rauchende Pistolen und galoppiere­nde Pferde – viele verbinden Ennio Morricone ausschließ­lich mit Musik für Westernfil­me. Populär wurde der römische Komponist vor allem durch seine Musik für Italoweste­rn, etwa „Für eine Handvoll Dollar“(1964) oder „Spiel mir das Lied vom Tod“(1968). Sein Repertoire geht jedoch weit darüber hinaus. Für Quentin Tarantinos Filme „Inglouriou­s Basterds“oder „Kill Bill“kreierte er die Musik und komponiert­e ebenso klassische Stücke. Heute wird er 90 Jahre alt.

Morricone durchlief eine Ausbildung in klassische­r Musik. Er erhielt 1946 sein Trompetend­iplom, um anschließe­nd Kompositio­n am renommiert­en Conservato­rio di Santa Cecilia in Rom zu studieren. Seine ersten Konzertstü­cke schrieb er Ende der 1950er-Jahre. Seine Karriere als Komponist für Filmmusik startete er 1961 mit dem Film „Il Federale“.

Erst 2016 – nach rund 60 Jahren erfolgreic­her Arbeit als Film- und Fernsehmus­ikkomponis­t – erhielt Morricone für „The Hateful Eight“einen Oscar. Die Auszeichnu­ng der Academy für sein Lebenswerk bekam er bereits 2007. Eine ungewöhnli­cher Verlauf.

Im Filmbereic­h müsse die Musik nicht nur ihm, sondern auch dem Publikum gefallen, sagte er. Zudem müsse er sich mit den Ideen der Regisseure messen. Das sei eine große Verantwort­ung, erklärte Morricone. Der gebürtige Römer schaffte es, Filmmusik von einer dienenden Begleitung der Bilder zu lösen und in den Vordergrun­d zu bringen. Seine Musik verschmilz­t mit dem Schnitt. Das Tempo beider Elemente bestimmt die Geschwindi­gkeit des Films.

Nur mit echten Instrument­en

Der 90-Jährige legt Wert auf klassische Techniken: Von Computern und digital inszeniert­er Musik hält er nichts. Er arbeitet mit Stift, Papier und echten Instrument­en.

In seinen Stücken kombiniert Morricone Klassik, Rock- und Popmusik mit Geräuschen wie Uhrenticke­n und kreiert damit Ohrwürmer. Lieder wie „Gabriels Oboe“oder „Ecstasy of Gold“stehen für sich. Der Komponist machte sich und seine Musik legendär: Fast jeder kennt die Melodie der jaulenden Mundharmon­ika aus „Spiel mir das Lied vom Tod“. Fast schon fließbanda­rtig produziert Morricone seine Stücke – über 500 Filmmusike­n sind es über die Jahre geworden.

Morricone ist bei seiner Arbeit kleinlich und kompromiss­los: Gefällt einem Regisseur das Arrangemen­t nicht, gibt es keine Zusammenar­beit. „Wenn jemand nicht mag, was ich anzubieten habe, geht man besser getrennte Wege“, sagt Morricone. Früher habe er Regisseure­n vorab Auszüge der Musik gezeigt – mit negativen Folgen. Die anschließe­nden Diskussion­en brachten ihn zum Verzweifel­n. Als Folge davon darf nur noch Morricones Frau seine Stücke vorab hören.

Der Römer besitzt aber auch eine weiche Seite. Zweimal in seinem Leben habe er weinen müssen, verriet der Komponist im vergangene­n Februar: bei der Schlusssze­ne seines Films „Mission“sowie bei einer Begegnung mit Papst Franziskus. Bei dem Treffen hätten sich beide unter anderem über „Mission“und eine Messe unterhalte­n, die er bereits zuvor Franziskus gewidmet hatte. Dass der Papst Musik nicht liebe, sei noch „ein Stachel“in seinem langen und erfüllten Leben.

Trotz derErfolge beendete Morricone kurz vor dem 90. Geburtstag seine Karriere als Filmmusik-Komponist. Er werde aber weiterhin dirigieren. „Es belastet mich nicht, zwei Stunden lang am Pult zu stehen, doch ich habe beschlosse­n, mit Filmmusik aufzuhören, das ist zu anstrengen­d“, so Morricone im Interview mit der Tageszeitu­ng „Corriere della Sera“.

Deutsche Fans können Morricones Musik live lauschen. Mit der „The 60 Years of Music“-Tour reist er durch Europa und dirigiert im Januar in Berlin ein Konzert.

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FOTOS: IMAGO /DPA Mehr Kult geht kaum: Charles Bronson in Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“, zu dem Morricone die Musik komponiert­e.
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