Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Darum kann sich Nellingen derzeit nicht im Kern entwickeln
50 ungenutzte Stallungen in der Ortsmitte haben Bestandsschutz – Bürgermeister kämpft für gesetzliche Änderung – Jetzt erster Lichtblick
NELLINGEN - Die Gemeinde Nellingen möchte sich weiterentwickeln. Das Ziel ist dabei klar: Die Innenentwicklung soll vor jener außen gehen. Doch da gibt es ein Problem. In der Ortsmitte befinden sich insgesamt 50 nicht mehr genutzte Stallungen. Diese haben Bestandsschutz. Das heißt: Eine Entwicklung dort ist derzeit ausgeschlossen. Das soll sich allerdings ändern. Die „Schwäbische Zeitung“hat darüber mit dem Nellinger Bürgermeister Franko Kopp (CDU) gesprochen.
„Wir wollen die Nachverdichtung und versuchen, eine vernünftige Ersatzbebauung zu erreichen“, sagt Kopp. Seit dem Jahr 2015 setzt er sich für eine Änderung der Gesetzeslage ein. Seine immerwährenden Bemühungen könnten jetzt Früchte tragen.
Zuhause für junge Familie
„Ausgangspunkt war, dass wir im Jahr 2015 zwei konkrete Baugesuche im Sattlergässle und der Steinbosstraße hatten“, erinnert sich das Gemeindeoberhaupt zurück. An der Steinbosstraße sollte ein Stallgebäude umgebaut werden, so dass Wohnungen entstehen können. Am Sattlergässle sollte ein Wohnhaus errichtet werden. Die Gemeinde hatte im Zusammenhang mit dem Landessanierungsprogramm einen Bebauungsplan erlassen. Ein dort nicht mehr genutztes Hinterland in Gemeindebesitz sollte reaktiviert und bebaut werden. Eine junge Familie wollte sich ihr Zuhause einrichten.
Problem sei dann allerdings der angrenzenden Stall gewesen, der seit 20 Jahren nicht mehr genutzt werde. Eine Betreuerin des Eigentümers hatte Einwendungen gegen das Baugesuch erhoben – obwohl bereits ein Wohnhaus im nördlichen Bereich in Richtung Kindergarten errichtet wurde. Die Gemeinde habe dann versucht, eine Eilentscheidung durch das Verwaltungsgericht und den Verwaltungsgerichtshof zu erreichen. Der Eilantrag wurde abgelehnt. Die Eigentumsgarantie und Sozialbindung nach Artikel 14 waren ausschlaggebend. Ein weiteres großes Problem stellt laut Kopp die Geruchsimmissionsrichtlinie dar. „Durch diese ist in vielen ländlichen Gemeinden die innerörtliche Bauentwicklung zum Sterben verurteilt“, so der Bürgermeister.
50 ungenutzte Stallungen, acht betriebene Ställe und acht Ställe mit reduzierter Tierhaltung ist das Ergebnis einer Bestandsaufnahme in Nellingen. „Das Problem ist bei uns also direkt vorhanden“, merkt Kopp an. Das habe erhebliche Auswirkungen.
Handeln – trotz Frustration
„Für mich ist das frustrierend. Durch das Landessanierungsprogramm konnten in Nellingen 43 private Maßnahmen und 16 Gemeindevorhaben erfolgreich umgesetzt werden. Dies wäre heute gar nicht mehr möglich“, gibt Franko Kopp zu bedenken. Das Land Baden-Württemberg strebe durch Entwicklungsprogramme wie „Ländlicher Raum“an, dass baufällige Schuppen oder auch leerstehende Häuser aktiviert und einer zeitgemäßen Wohn-, Bürooder auch Gewerbefläche zugeführt werden, setze aber die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür nicht.
Diese Frustration habe beim Nellinger Bürgermeister allerdings nicht bewirkt, aufzugeben. Er setzte sich mit Abgeordneten in Verbindung, sprach mit dem Landrat, band die Thematik bei Bürgermeister-Versammlungen ein, worauf diese auch in den Gemeindetag ging. „Bernd Mangold, der Berghüler Bürgermeister, hat sich im Gemeindetag für Veränderungen eingesetzt“, zeigt der Schultes auf, so auch die Landtagsabgeordneten Jürgen Filius (Grüne) und Manuel Hagel (CDU). Merklingen, Asch, Berghülen, Oppingen oder auch Feldstetten: Einige Kommunen seien betroffen.
Jetzt soll die Änderung kommen. In Paragraf 62 der Landesbauordnung soll folgender Absatz 3 eingefügt werden:
„Wird die Nutzung einer Tierhaltungsanlage im Sinne der Geruchsimmissions-Richtlinie innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils während eines Zeitraums von mehr als sechs Jahren durchgehend unterbrochen, erlischt die Baugenehmigung für die unterbrochene Nutzung. Die Frist kann auf schriftlichen Antrag um bis zu zwei Jahre verlängert werden. Darüber hinaus kann sie bis auf insgesamt zehn Jahre verlängert werden, wenn ein berechtigtes Interesse an der Fortsetzung der Nutzungsunterbrechung besteht. Die Frist kann auch rückwirkend verlängert werden,
Derzeit befindet sich die Änderung im Anhörungsverfahren. Das weckt bei Franko Kopp Hoffnung: „Der Hintergrund ist doch der, dass wir unser Dorfleben erhalten wollen. Deswegen setze ich mich dafür mit so viel Herzblut ein.“Der Bürgermeister wisse, dass die Gemeinde erhebliches Potenzial – vor allem auch aufgrund der nicht genutzten Stallungen – habe.
Chance für Kommunen
Wo könnte umgestaltet und modernisiert werden? Wo kann Wohnraum geschaffen werden? Was kann getan werden, damit der Ortskern nicht „ausstirbt“? All diese Fragen würden beschäftigen. Franko Kopp schaut auf viele gefüllte gelbe Ordner. Diese Veränderungen herbeizuführen, immer wieder dran zu bleiben, habe Kraft und Nerven gekostet. „Klar ist, dass die Landwirtschaft ihre Möglichkeiten haben soll. Mir geht es um eine verträgliche Umsetzung“, betont das Nellinger Gemeindeoberhaupt und fügt an: „Ich hoffe, dass wir nun auf einem guten Weg sind. Es ist jetzt eine neue Chance für uns Gemeinden, Entwicklung umzusetzen.“
„Wir wollen die Nachverdichtung und versuchen, eine vernünftige Ersatzbebauung zu erreichen.“Bürgermeister Franko Kopp