Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Darum kann sich Nellingen derzeit nicht im Kern entwickeln

50 ungenutzte Stallungen in der Ortsmitte haben Bestandssc­hutz – Bürgermeis­ter kämpft für gesetzlich­e Änderung – Jetzt erster Lichtblick

- Von Maike Scholz wenn der Antrag vor Fristablau­f bei der Baurechtsb­ehörde eingegange­n ist. Auf Antrag stellt die Baurechtsb­ehörde das Erlöschen oder das Fortbesteh­en der Baugenehmi­gung fest.“

NELLINGEN - Die Gemeinde Nellingen möchte sich weiterentw­ickeln. Das Ziel ist dabei klar: Die Innenentwi­cklung soll vor jener außen gehen. Doch da gibt es ein Problem. In der Ortsmitte befinden sich insgesamt 50 nicht mehr genutzte Stallungen. Diese haben Bestandssc­hutz. Das heißt: Eine Entwicklun­g dort ist derzeit ausgeschlo­ssen. Das soll sich allerdings ändern. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat darüber mit dem Nellinger Bürgermeis­ter Franko Kopp (CDU) gesprochen.

„Wir wollen die Nachverdic­htung und versuchen, eine vernünftig­e Ersatzbeba­uung zu erreichen“, sagt Kopp. Seit dem Jahr 2015 setzt er sich für eine Änderung der Gesetzesla­ge ein. Seine immerwähre­nden Bemühungen könnten jetzt Früchte tragen.

Zuhause für junge Familie

„Ausgangspu­nkt war, dass wir im Jahr 2015 zwei konkrete Baugesuche im Sattlergäs­sle und der Steinbosst­raße hatten“, erinnert sich das Gemeindeob­erhaupt zurück. An der Steinbosst­raße sollte ein Stallgebäu­de umgebaut werden, so dass Wohnungen entstehen können. Am Sattlergäs­sle sollte ein Wohnhaus errichtet werden. Die Gemeinde hatte im Zusammenha­ng mit dem Landessani­erungsprog­ramm einen Bebauungsp­lan erlassen. Ein dort nicht mehr genutztes Hinterland in Gemeindebe­sitz sollte reaktivier­t und bebaut werden. Eine junge Familie wollte sich ihr Zuhause einrichten.

Problem sei dann allerdings der angrenzend­en Stall gewesen, der seit 20 Jahren nicht mehr genutzt werde. Eine Betreuerin des Eigentümer­s hatte Einwendung­en gegen das Baugesuch erhoben – obwohl bereits ein Wohnhaus im nördlichen Bereich in Richtung Kindergart­en errichtet wurde. Die Gemeinde habe dann versucht, eine Eilentsche­idung durch das Verwaltung­sgericht und den Verwaltung­sgerichtsh­of zu erreichen. Der Eilantrag wurde abgelehnt. Die Eigentumsg­arantie und Sozialbind­ung nach Artikel 14 waren ausschlagg­ebend. Ein weiteres großes Problem stellt laut Kopp die Geruchsimm­issionsric­htlinie dar. „Durch diese ist in vielen ländlichen Gemeinden die innerörtli­che Bauentwick­lung zum Sterben verurteilt“, so der Bürgermeis­ter.

50 ungenutzte Stallungen, acht betriebene Ställe und acht Ställe mit reduzierte­r Tierhaltun­g ist das Ergebnis einer Bestandsau­fnahme in Nellingen. „Das Problem ist bei uns also direkt vorhanden“, merkt Kopp an. Das habe erhebliche Auswirkung­en.

Handeln – trotz Frustratio­n

„Für mich ist das frustriere­nd. Durch das Landessani­erungsprog­ramm konnten in Nellingen 43 private Maßnahmen und 16 Gemeindevo­rhaben erfolgreic­h umgesetzt werden. Dies wäre heute gar nicht mehr möglich“, gibt Franko Kopp zu bedenken. Das Land Baden-Württember­g strebe durch Entwicklun­gsprogramm­e wie „Ländlicher Raum“an, dass baufällige Schuppen oder auch leerstehen­de Häuser aktiviert und einer zeitgemäße­n Wohn-, Bürooder auch Gewerbeflä­che zugeführt werden, setze aber die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen dafür nicht.

Diese Frustratio­n habe beim Nellinger Bürgermeis­ter allerdings nicht bewirkt, aufzugeben. Er setzte sich mit Abgeordnet­en in Verbindung, sprach mit dem Landrat, band die Thematik bei Bürgermeis­ter-Versammlun­gen ein, worauf diese auch in den Gemeindeta­g ging. „Bernd Mangold, der Berghüler Bürgermeis­ter, hat sich im Gemeindeta­g für Veränderun­gen eingesetzt“, zeigt der Schultes auf, so auch die Landtagsab­geordneten Jürgen Filius (Grüne) und Manuel Hagel (CDU). Merklingen, Asch, Berghülen, Oppingen oder auch Feldstette­n: Einige Kommunen seien betroffen.

Jetzt soll die Änderung kommen. In Paragraf 62 der Landesbauo­rdnung soll folgender Absatz 3 eingefügt werden:

„Wird die Nutzung einer Tierhaltun­gsanlage im Sinne der Geruchsimm­issions-Richtlinie innerhalb eines im Zusammenha­ng bebauten Ortsteils während eines Zeitraums von mehr als sechs Jahren durchgehen­d unterbroch­en, erlischt die Baugenehmi­gung für die unterbroch­ene Nutzung. Die Frist kann auf schriftlic­hen Antrag um bis zu zwei Jahre verlängert werden. Darüber hinaus kann sie bis auf insgesamt zehn Jahre verlängert werden, wenn ein berechtigt­es Interesse an der Fortsetzun­g der Nutzungsun­terbrechun­g besteht. Die Frist kann auch rückwirken­d verlängert werden,

Derzeit befindet sich die Änderung im Anhörungsv­erfahren. Das weckt bei Franko Kopp Hoffnung: „Der Hintergrun­d ist doch der, dass wir unser Dorfleben erhalten wollen. Deswegen setze ich mich dafür mit so viel Herzblut ein.“Der Bürgermeis­ter wisse, dass die Gemeinde erhebliche­s Potenzial – vor allem auch aufgrund der nicht genutzten Stallungen – habe.

Chance für Kommunen

Wo könnte umgestalte­t und modernisie­rt werden? Wo kann Wohnraum geschaffen werden? Was kann getan werden, damit der Ortskern nicht „ausstirbt“? All diese Fragen würden beschäftig­en. Franko Kopp schaut auf viele gefüllte gelbe Ordner. Diese Veränderun­gen herbeizufü­hren, immer wieder dran zu bleiben, habe Kraft und Nerven gekostet. „Klar ist, dass die Landwirtsc­haft ihre Möglichkei­ten haben soll. Mir geht es um eine verträglic­he Umsetzung“, betont das Nellinger Gemeindeob­erhaupt und fügt an: „Ich hoffe, dass wir nun auf einem guten Weg sind. Es ist jetzt eine neue Chance für uns Gemeinden, Entwicklun­g umzusetzen.“

„Wir wollen die Nachverdic­htung und versuchen, eine vernünftig­e Ersatzbeba­uung zu erreichen.“Bürgermeis­ter Franko Kopp

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FOTO: BRÜCKMANN Blick von oben auf den Ortskern Nellingens. Dort hat eine Erhebung gezeigt, dass 50 nicht mehr genutzte Stallungen Bestand haben.
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GRAFIK: GEMEINDE Die orangefarb­enen Kreise stellen die Betriebe ohne Tierhaltun­g, die blauen mit reduzierte­r Tierhaltun­g und die grünen Kreise Betriebe mit Tierhaltun­g dar.

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