Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Über Rivalität und Versöhnung
Gesangverein „Frohsinn“Laichingen mit Uraufführung „Jericho“.
LAICHINGEN - In der Albanskirche in Laichingen ist lautes Klatschen zu hören. Es ist ein Ausdruck von Bewunderung und Begeisterung des Publikums – für die Mitglieder des Gesangvereins „Frohsinn“Laichingen, die dort am Samstag das szenische Oratorium „Jericho“uraufführten.
Leinenkleider, bunte Kopfbedeckungen, ein Bastkörbchen in der Hand: Die Sänger geben nicht nur im Ton die Geschichte wieder, sondern auch durch gebastelten und geschreinerten Requisiten sowie die Kostüme. Sie nehmen so ihre Zuhörer mit – auf eine Reise voller Hass, Rivalität, Feindschaft, Verrat und doch auch Liebe, Anerkennung, Barmherzigkeit, Zusammengehörigkeit und Versöhnung. Es ist eine Reise, die die Frage nach Gott stellt.
Ein lautes „Kriegsgeschrei“
Für jüdische und christliche Pilger war Jericho die letzte Station vor einem beschwerlichen Anstieg nach Jerusalem. Die Stadt liegt nämlich in der Jordansenke. Nach dem Buch Josua wurde Jericho bei der Landnahme Kanaans als erste Stadt westlich des Jordan von den Israeliten erobert und zerstört. Der Name der Jericho-Trompete leitet sich von dem in der Bibel erzählten Fall Jerichos ab. Bei dem Klang von Trompeten und Hörnern soll die Stadtmauer eingestürzt sein. So ertönt auch in der Uraufführung ein „lautes Kriegsgeschrei“.
Die Sänger des Gesangvereins „Frohsinn“erzählen: Gesandte komme in das Haus der Wirtin Rahab. Sie verbirgt die Fremden. Ihr und ihrer Familie soll Barmherzigkeit zuteil werden, weil sie die Männer nicht verraten hat. Die Kundschafter machen sich auf den Weg in das Gebirge zu Josua, der die Israeliten bei der Eroberung führt. „Gott lässt hoffen, denn sein Herz ist für das Volk Israel offen“, tönt es durch die Albanskirche. Arie, Choral und sakrale Sätze wie „Halleluja“und das „Kyrie“: Manchmal sind es kräftige Stimmen, dann wiederum ist nur noch Flüstern zu hören. Verbunden mit Ausführungen der Sprecher wird das „Vater unser“gesungen. Es geht um das Bitten, das Beten, das Hoffen und das Glauben. „Josua schlägt Jericho, die Mauern stürzen ein“, ist dann zu hören. Im Gegensatz zu den biblischen Ausführungen nimmt die Erzählung der Laichinger dann aber eine abrupte Wende. Sie erinnert an die Gebote. Und so heißt es dann im Kanon: „Josua lässt euch leben in Jericho. Unsere Stadt bleibt bestehen“. Die Mitglieder des Gesangvereins bringen das Licht. In der Kirche wird es dunkel. Nur der Schein der Kerzen ist zu sehen – wie ein Tanz in der Dunkelheit. Klar wird: Gott ist für alle Menschen da. Er ist ein starker und leidenschaftlicher Gott der Liebe, der keinen ausschließt.
Freude in den Gesichtern
Als das Licht in der Kirche wieder angeht, ist die Freude nicht nur auf den Gesichtern der Zuhörer zu erkennen. Der Gesangverein samt Projektchor verbeugt sich – voller Stolz auf das Geleistete. Stolz ist auch Chorleiter Hellmut Stolz. Musik und Texte stammen aus seiner Feder. Ein Jahr hat sich der Chor auf das Oratorium vorbereitet. „Nach der Sommerpause haben wir wöchentlich geprobt“, erzählt Stolz und sagt: „Vorbei ist vorbei.“Er lobt die Mitglieder – nicht nur die Sänger, sondern auch die Sprecher Christine Menge, Volker Hausen und Heinz Surek, die mit ihrem Part Gesang und Erzählung zu einer Geschichte verschmelzen lassen.
„Ich bin ein Perfektionist und lasse nicht locker. Es galt, Stimme zu zeigen“, so Stolz. Das hätten die Sänger getan – voran die Solisten Uschi Fasolin als Rahab, Norbert Zinner als Josua und Bärbel Kohn als Frau aus dem Volk. Ebenso beeindruckend präsentieren sich die Späher Harald Senkel, Wilhelm Bohnaker, Joachim Claus und Gerhard Dangel. Ein Dankeschön geht an die musikalische Begleitung mit Marit Burkhardt (Horn), Sabrina Ritzler (Flöte) und Keven Neubürger sowie Paul Kilius (Geigen). Hellmut Stolz spielt selbst das E-Piano, hat die Sänger jederzeit im Blick und leitet.
Musik, das ist das Leben von Hellmut Stolz. Schon als Zweijähriger saß er auf dem Arm seiner Mutter und hörte bei den Chorproben seines Vaters zu. Was damals begann, zog sich dann wie ein roter Faden durch das Leben des gebürtigen Herrenbergers. Der rote Faden ist es auch, der sich durch das Oratorium zieht – als Symbol für Rettung.
Stolz, der in Bad Wörishofen lebt, hat nach der Aufführung Schweißperlen auf der Stirn, aber auch ein besonderes Glitzern in den Augen. Die Musik habe immer sein Leben begleitet, so solle es bleiben. Beim Laichinger Frohsinn könne er die „eigenen Gedanken“einbringen. So sei es möglich geworden, diese Uraufführung zu gestalten. Doch Komponieren brauche auch seine Zeit. Die Gedanken an „Jericho“entstanden vor gut zehn Jahren. Die Ideen der Umsetzung sammelten sich. Da kommt nicht nur die perfektionistische Ader Stolz’ hervor, sondern ein entscheidendes Ziel des Chorleiters: Alles muss zusammen passen. Musik müsse Inhalt, nicht nur Show sein. „Es muss Spaß machen und einen Sinn ergeben“, erklärt Stolz. Gleichzeitig wolle er das Publikum berühren. Mit der Uraufführung von „Jericho“ist das gelungen.
Neue Ideen reifen
Eines beendet, Zeit für neue Ideen: Die Gedanken Hellmut Stolz’ drehen sich schon um neue Möglichkeiten, um die Mitglieder des Gesangvereins „Frohsinn“zu fordern und die Stimmen mit Hilfe seiner Musik zu beleben. „Der Chor wird in drei Jahren 50 Jahre alt. Wenn es ein Jubiläum geben soll, dann mit etwas Besonderem“, sagt er. Ihm schwebe ein Musical vor. Letztlich habe das aber der Gesangverein zu entscheiden. Fest stehe für Stolz allerdings: Die Liebe zur Musik will er weitergeben.