Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Das Warten hat ein Ende
Alexander Zverev galt früh schon als ein Versprechen auf Klassetennis – in London zeigt er endgültig, weshalb
LONDON (SID/dpa) - Der Champagner klebte noch in seinen Klamotten, die Lobeshymnen klangen unaufhörlich nach, da verließ Alexander Zverev bereits den Ort seines größten Triumphes. Am Montagmorgen um 9 Uhr startete ein Flugzeug, das er auf keinen Fall verpassen wollte. Von London aus ging es in den Urlaub nach Dubai, in ein paar Tagen reist Zverev weiter auf die Malediven. Entspannung im Eiltempo ist sein Ziel, denn Zeit ist das einzige, was Alexander Zverev derzeit fehlt.
Hochachtung für sein sensationelles Saisonfinale mit den Siegen über Roger Federer und Novak Djokovic bekommt Zverev, der bereits in zwei Wochen die Vorbereitung auf das neue Jahr beginnt, dagegen in Hülle und Fülle. „Auf diesen Augenblick hat die ganze Tenniswelt gewartet“, schwärmte Boris Becker von seinem rechtmäßigen Erben auf dem deutschen Tennisthron. Der dreimalige Sieger beim Turnier der Besten frohlockte bei der BBC: „Ein Star ist angekommen.“
Zuvor hatte Zverev Beckers ExSchützling Djokovic im Endspiel mit 6:4, 6:3 in nur 80 Minuten entzaubert und damit die Prophezeiung erfüllt, die ihn seit seiner Kindheit begleitet. Irgendwann, daran bestand kein Zweifel, würde dieser kleine Junge ein großes Turnier gewinnen und in Beckers riesige Fußstapfen treten. Im Alter von 21 Jahren und 212 Tagen hat Zverev die kühnsten Erwartungen bereits übertroffen. Selbst die der eigenen Familie.
Am wichtigsten ist der Vater
Mit glasigen Augen versuchte Vater Alexander senior, seine Gefühle in Worte zu fassen. Der Sieg sei „der Wahnsinn“, sagte der frühere Tennisprofi, der für die Sowjetunion im Davis Cup gespielt und seinen jüngsten Sohn von klein auf zu einem Champion erzogen hat. Für Sascha Zverev ist er der wahre Vater des Erfolgs in London – und nicht Ivan Lendl, der erst seit August zum Team gehört. „Er ist derjenige, der mir beigebracht hat, wie man Tennis spielt“, sagte Zverev. „Mein Vater verdient die meiste Anerkennung.“
Lendls Rolle im Familienunternehmen der Zverevs muss sich dagegen erst noch festigen. „Ich bin mit Sascha 50 Wochen im Jahr unterwegs, Ivan ist vielleicht zwölf Wochen dabei.“Wer Berater und wer Chefcoach sei, solle jeder für sich selbst entscheiden, sagte Zverev senior: „Ivan ist erst kurz bei uns, ich will nicht beurteilen, welchen Anteil er hat. Er macht seine Arbeit sehr gut.“
An der Analyse der klaren Vorrundenniederlage (4:6, 1:6) gegen Djokovic war Lendl jedenfalls maßgeblich beteiligt, gemeinsam mit Zverevs Vater tüftelte er den Matchplan für das Finale aus. Der griff perfekt, weil Sascha Zverev die nächste Stufe seiner Entwicklung innerhalb weniger Tage nahm. Schon der Sieg im Halbfinale gegen sein Idol Roger Federer mit allen unschönen Pfiffen beim Sieger-Interview war eine bestandene Reifeprüfung.
Der Durchbruch bei den GrandSlam-Turnieren, da ist sich zumindest Novak Djokovic sicher, wird kommen. „Die Qualität dazu hat Zverev schon lange“, sagte der Serbe. „Es gibt keinen Zweifel, dass er einer der großen Favoriten bei jedem Slam ist.“Starke Worte, die der Gelobte gar nicht so gerne hörte. „Die anderen gewinnen doch alle Grand Slams“, sagte er. „Sie sind noch immer die Besten der Welt.“
In der kurzen Vorbereitungsphase – zunächst in seiner Wahlheimat Monte Carlo, dann im australischen Sommer – will der neue Weltranglistenvierte die Voraussetzungen für Teil zwei der Wachablösung schaffen. Merke: „Das war die beste Saison meiner Karriere bislang (kein Profi hat 2018 auf der ATP-Tour mehr Matches gewonnen; d. Red.), und das wird sich dann aber nächstes Jahr hoffentlich wieder ändern.“Zuvor jedoch steht Erholung auf der Agenda. Im Eiltempo. Am 2. Dezember um 9 Uhr werde er wieder auf dem Platz stehen und trainieren, kündigte Alexander Zverev an. Und schmunzelte.
Zeit auf seinem Weg an die Weltspitze will er sich nicht lassen.