Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Stefan Kielbassa behält den orangefarbenen „Hut“auf
Bahnhof Merklingen und Neubaustrecke: Projektleiter hört nach Rohbauarbeiten nicht auf
MERKLINGEN - Stefan Kielbassa dreht den Autoschlüssel in den Händen, dann blickt er auf und lächelt. Für dieses Lächeln hat er gleich mehrere Gründe. Die Arbeiten rund um die drei so genannten Planfeststellungsabschnitte, die er als Projektleiter betreut, laufen – und laufen bald aus (siehe Informationskasten). Darüber hinaus feiert Stefan Kielbassa am heutigen Freitag, 15. Februar, seinen zehnjährigen „Baustellengeburtstag“im Großprojekt der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm mit Bahnhof Merklingen. Doch es gibt noch einen weiteren Grund, um die Sektkorken knallen zu lassen.
Vor der Arbeit ist für Stefan Kielbassa sprichwörtlich auch „nach der Arbeit“geworden. Heißt: Er wird diese Abschnitte auch weiterhin begleiten, auch wenn die eigentlichen Rohbauarbeiten abgeschlossen sind und nun neue Gewerke kommen. „Die nun folgende bahntechnische Ausstattung bleibt in meiner Hand“, zeigt Kielbassa auf. Später werde er darüber hinaus noch für Stuttgart 21 Verantwortung übernehmen.
Zehn Jahre bei ein und demselben Projekt ist ungewöhnlich. Es ist eine lange Zeit. Eine Zeit, in der es für Kielbassa immer wieder Herausforderungen gab. Nicht nur in Sachen Planung und Verträge, sondern auch ganz konkret in der Umsetzung. Klüftig, massiv, dann Lehm: Der Baugrund auf der Alb ändert sich alle paar Meter. Herausforderungen, mit denen Kielbassa und sein 40-köpfiges Team aus Ingenieuren und Kaufleuten umgehen mussten, die letztlich zeitliche und finanzielle Auswirkungen hatten. „Man muss immer zwischen Soll und Ist unterscheiden. Nach zehn Jahren Tätigkeit sind Soll und Ist noch übereinander“, erklärt der promovierte Bauingenieur.
Am 3. Dezember 2018 wurden der Albabstieg sowie die Albhochfläche planmäßig an nachfolgende Gewerke übergeben. „Das ist für uns pflichtgemäß erfolgt“, zeigt Kielbassa den Stand der Dinge auf. Schnittstelle sei die Frostschutzschicht gewesen. Nachfolgende Gewerke werden noch die Elektrik, Oberleitungen oder auch Kabelkanäle übernehmen – letztlich die Arbeiten bis zu jenem Zeitpunkt, an dem die Eisenbahn rollt. „Der Eisenbahntunnel unter der Autobahn und der Tunnel Widderstall sind fertig, aber noch nicht übergeben“, so der Projektleiter. Das erfolge später, wenn Zusammenhänge von Baustellenstücke für nachfolgende Gewerke mehr Sinn ergeben.
Das magische Datum steht aber schon fest: der 30. Juni dieses Jahres. Dann wird der Rest der Fläche übergeben. „Der Bahnhof Merklingen ist im 30. Juni enthalten“, sagt Kielbassa. Er ist „sauber in die Planungen integriert“. Um das Ziel zu schaffen, wird derzeit Schnee von der Baustelle abgefahren. „Wir können mit den Arbeiten nicht warten, bis der Schnee weggetaut ist. Der Bereich liegt im Einschnitt, nicht parallel zur Sonne. Im März soll es losgehen. Der Schnee muss weg und wird daher abgefahren“, erklärt der Projektleiter. Im März sollen die Treppentürme kommen, ebenso die Fußgängerbrücke. Letztere wird mit einem Kran eingehoben. Die Rohbauarbeiten sollen dann komplett abgeschlossen werden. „Es ist ein sportliches Programm. Es sind nur vier Monate. Es darf nichts mehr dazwischen kommen“, so Kielbassa.
Damit meint der Bauingenieur beispielsweise das Wetter. „Vergangenes Jahr war wettertechnisch ein baufreundliches Jahr. Umso weniger Niederschläge, desto besser. Auch wenn das Landwirte wieder ganz anders sehen. Aber gerade ein Starkregenereignis wäre schlimm“, ist der Projektleiter der Meinung und erklärt auch die Gründe dafür: „Im Bauzustand ist alles noch offen. Es sind keine gefestigten Zustände. Regenereignisse planen wir schon mit ein, aber es sollte nichts Größeres passieren.“
Zehn Millionen Euro Mehrkosten
Sorge, dass das Bauvorhaben Bahnhof Merklingen aufgrund der jüngsten Diskussionen um Mehrkosten in Höhe von zehn Millionen Euro eingestellt wird, habe Stefan Kielbassa zu keinem Zeitpunkt gehabt. „Wir sind letztlich nur die Ausführer. Aber ein Beschluss, ein Projekt zu stoppen, ist schwerwiegend“, gibt er zu bedenken. Der Bahnhof Merklingen sei vom Stand her so weit vorangeschritten – aufwendige Entwässerungsleitungen gelegt, Böden gesprengt -, da „hätte es ein nicht zu vermittelndes riesiges Loch“gegeben. Zu den zehn Millionen Euro sagt Kielbassa außerdem: Die Mehrkosten sind „Marktpreisentwicklungen“, nicht zusätzliche Leistungen oder nicht berücksichtigte Bestandteile. „Seit fünf Jahren haben wir eine dramatische Preisentwicklung“, so Kielbassa. Die Mehrkosten würden aus neuen Verträgen resultieren. Unternehmen mit alten Verträgen hätten auch ein Problem: Sie müssen sich an verabredete Summen halten und die Leistung erbringen, obwohl die Preise so angestiegen sind. „Deswegen ist aber das Interesse auch groß, schnell fertig zu werden und Termine einzuhalten“, so der Projektleiter.
Von einem Bahnhof zum nächsten: Beim Bahnhof Ulm laufe sein „Geschäft“derzeit noch weiter. „Am 6. Februar 2020 übergebe ich den Bahnhof Ulm an nachfolgende Gewerke“, legt sich Kielbassa fest. Auch dann heißt es: Gleisbau, Oberleitung und Kabelverlegung kommen. Ende 2020 soll die gesamte Strecke funktionstüchtig sein. „Also in baulicher Hinsicht ist dann alles da. Dann beginnt die große Checkliste mit Prüfungsvorgängen“, erläutert Kielbassa weiter.
Eine Menge Administration
„Die Dinge haben sich also bisher insgesamt gut gefügt, so dass wir termingerecht übergeben konnten“, schaut Kielbassa zurück. Doch das Projekt sei noch nicht am Ende. Dokumentation, Buchhaltung: Es bedürfe einer Menge Administration. „Wir haben Räume voll von Unterlagen, aber natürlich auch alles digital“, schmunzelt er. Irgendwann komme dann der Tag X, an dem er die letzte Unterschrift setzen werde.
Wann das sei, wisse er nicht, spiele aber auch keine Rolle, denn er mache ja weiter. Momentan bestehe seine Arbeit aus 30 Prozent Altaufgaben und 70 Prozent neuen. Er sei froh, ein bewährtes Team zu haben und hoffe
auch auf eine gute neue Mannschaft. „Eine gute Mannschaft und der Teamgeist sind nämlich ebenso eine Komponente des Erfolgs“, zeigt der Projektleiter auf. Wieder lächelt er, denkt an die vergangenen zehn Jahre zurück. Am Anfang habe er Schwierigkeiten im sprachlichen Bereich gehabt. „Ich habe Hochdeutsch gelernt“. Doch durch seine Auslandserfahrung habe er gelernt, sich schnell zu Recht zu finden.
„Deswegen weiß ich, dass Sprache kein Hindernis ist“, sagt er. Wichtig war ihm bisher immer – und ist es auch weiterhin – alle Interessen und damit Betroffene unter einen Hut zu bringen: das Team genauso wie die Offiziellen (Bürgermeister, Polizei, Rettungsdienst, Feuerwehr, Behörden) und auch die Öffentlichkeit mitzunehmen. „Wenn man die Leute mit nimmt, dann läuft vieles reibungsloser“, ist Kielbassa der Meinung. Dies ist für ihn eine weitere Komponente zum Erfolg. „Wir betreiben eine pro-aktive-Informationspolitik. Nur so entsteht Vertrauen“, ist er sich sicher. Vertrauen sei wiederum eine gute Basis, auf der man Arbeit aufbauen kann.
Stefan Kielbassa freut sich, ein Gebiet nach der eigentlichen Aufgabenerledigung nicht verlassen zu müssen: „Gefühlt bin ich jetzt schon seit Jahren ein Merklinger und ein Ulmer“.
„Gefühlt bin ich jetzt schon seit Jahren ein Merklinger und ein Ulmer.“Stefan Kielbassa
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