Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Feucht-fröhlicher Abschied nach 16 Jahren im Weltcup-Zirkus
Felix Neureuther beendet Skikarriere – Marcel Hirscher: „Ein beeindruckend feiner Kerl“
Schampus für Platz sieben: Felix Neureuther hat beim Weltcup-Finale in Andorra seine Karriere mit seinem besten Saisonresultat beendet. Der Skirennfahrer wurde unter anderem von Teamkollegin Viktoria Rebensburg (Foto: dpa) gebührend verabschiedet.
SOLDEU (SID/dpa) - Die letzte Fahrt seiner Karriere war die beste der Saison, zum Podest fehlten auf Rang sieben nur 0,27 Sekunden – doch das spielte nun wirklich keine Rolle mehr: Als Felix Neureuther im sonnenüberfluteten Zielraum von Soldeu im Kleinstaat Andorra abschwang, da stürmte Viktoria Rebensburg mit einer großen Flasche in der Hand und Neureuthers Kollegen im Schlepptau auf ihn zu und verpasste ihm eine Sektdusche. Vom Rest nahm der 34-Jährige einen tiefen Schluck. Dann verabschiedete sich Neureuther mit feuchten Augen aus seinem bisherigen Leben. „Es wird einem jetzt so richtig klar, dass die Karriere aufgehört hat und ein neues Kapital beginnt“, sagte er sichtlich bewegt. „Das ist nicht so ohne.“Der Skirennsport war sein Leben – doch nun kann und will er nicht mehr. „Ich habe meinen Kindheitstraum in vollen Zügen leben dürfen, und dafür bin ich so unendlich dankbar. Aber mein Herz und vor allem mein Körper haben mir in den letzten Monaten deutlich zu verstehen gegeben, dass es an der Zeit ist, dieses für mich so wunderschöne Kapitel Skirennsport zu beenden“, hatte Felix Neureuther am Samstag zu einem Video seiner schönsten Szenen aus fast 16 Jahren Ski-Weltcup in den sozialen Medien geschrieben.
Die Entscheidung, sagte Neureuther, mache ihn „total happy“. Sie sei nicht spontan gefallen, versicherte er, „das war ein Prozess, der schon etwas länger gedauert hat“. Und doch gab es am Sonntag vergangener Woche den einen Moment, in dem er wusste: Das war es! In Kranjska Gora, wo er am 4. Januar 2003 erstmals im Weltcup gestartet war, schmerzte ihn plötzlich das Knie. Und nicht nur das: „Total müde und kaputt“sei er am Abend nach Hause gekommen – „und dann ist meine Kleine (die inzwischen eineinhalb Jahre alte Tochter Matilda; d. Red.) auf mich zugekommen, und da wusste ich: Jetzt ist es an der Zeit, dass ich mal mein Leben in den Griff bekomme.“Er werde nicht in ein Loch fallen, versicherte Felix Neureuther, „ich habe schon seit sehr, sehr langer Zeit einen Plan, wie es weitergeht“. Das „Wie“wollte er noch nicht konkret benennen, aber er wird wohl auch als Experte im Fernsehen auftauchen.
Neureuther ist mit seinen 13 Slalom-Siegen der erfolgreichste deutsche Alpine im Weltcup. Der ganz große Einzeltitel blieb ihm verwehrt, auch wenn er sich seit dem Mannschaftsgold 2005 Weltmeister nennen darf – was er nie tat. In seiner Paradedisziplin gewann Neureuther bei Weltmeisterschaften Silber (2013) und zweimal Bronze (2015/2017), dazu kommt eine weitere Bronzemedaille mit der Mannschaft (2013).
„Ja“, räumte Neureuther ein, „ich hätte mehr gewinnen können.“Den Traum von einer Medaille bei Olympia etwa hat er sich nicht erfüllen können. Vor Sotschi 2014 hatte er einen Autounfall, Pyeongchang 2018 verpasste er wegen eines im vorangegangenen November, zwei Wochen nach seinem letzten Weltcup-Sieg erlittenen Kreuzbandrisses. Aber, so sagte er in Soldeu: „Es ist alles gut, so wie es ist.“
Die Entscheidung zum Rücktritt nach Wochen, Monaten und Jahren des harten Kampfes, der ewigen Comebacks nach unzähligen Verletzungen, sei wie eine „Befreiung, eine große Erlösung“für ihn gewesen, gestand Neureuther. Auf was er sich nun am meisten freut? „Auf die Zeit, die ich jetzt habe für meine Familie – und eben darauf, mein Leben auf die Reihe zu bekommen.“
Österreichs Ski-Dominator Marcel Hirscher würdigte Neureuther an der Spitze zahlreicher Weggefährten als „Lieblingsdeutschen“und „beeindruckend feinen Kerl“. Deshalb – und wegen seines lausbubenhaften Charakters – flogen Neureuther überall die Sympathien zu. Er ist stets Mensch und erst an zweiter Stelle Sportler gewesen. „Er war ein Skigenie, ein genialer Skifahrer und etwas ganz Besonderes“, sagte der deutsche Alpindirektor Wolfgang Maier, den Neureuther als „eine Art Vaterfigur“bezeichnete. „Jetzt“, ergänzte Maier, „habe ich keinen Augenstern mehr, und darüber ist schon eine gewisse Traurigkeit da.“
Exklusiv hat er die nicht.