Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Prozess zum Chemnitzer Tötungsdelikt startet
Die tödliche Messerattacke auf Daniel H. hatte im Sommer 2018 zu Ausschreitungen in der sächsischen Stadt geführt
DRESDEN/CHEMNITZ (epd/dpa) Fast sieben Monate nach der tödlichen Messerattacke in Chemnitz beginnt am heutigen Montag der Prozess gegen einen der mutmaßlichen Täter. Dem 23-jährigen Syrer Alaa S. werde gemeinschaftlicher Totschlag und gemeinschaftlicher versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen, teilte das Landgericht Chemnitz mit. Er soll gemeinsam mit dem Iraker Farhad A. den 35-jährigen Chemnitzer Daniel H. getötet haben. Sein mutmaßlicher Komplize ist offenbar untergetaucht. Er wird mit internationalem Haftbefehl gesucht.
Die Hauptverhandlung findet wegen erhöhter Sicherheitsanforderungen und dem erwarteten großen öffentlichen Interesse im Prozessgebäude des Oberlandesgerichts in Dresden statt. Bis Ende Oktober sind mehr als 20 Termine angesetzt.
Gegen den Syrer Alaa S. hatte die Staatsanwaltschaft Chemnitz zu Beginn des Jahres Anklage erhoben. Das Ermittlungsverfahren gegen einen dritten Tatverdächtigen, den Iraker Yousif I. A. (23), wurde Mitte Januar eingestellt. Nach dem Willen der Verteidiger sollte der Prozess nicht in Sachsen und auch nicht in Thüringen oder Brandenburg stattfinden. Sie hatten einen entsprechenden Antrag gestellt, weil sie den Prozess gefährdet sahen. Der Bundesgerichtshof hatte ihn jedoch abgelehnt. Begründet wurde der Antrag mit Sicherheitsrisiken und zu erwartenden Protestaktionen. Zudem warnten die Verteidiger vor einer Instrumentalisierung des Gerichtsverfahrens durch rechte Parteien während der Landtagswahlkämpfe in den genannten drei ostdeutschen Bundesländern.
Bislang ungeklärte Umstände
Am Rande des Chemnitzer Stadtfestes war am 26. August 2018 der Deutschkubaner Daniel H. unter bislang unklaren Umständen mit fünf Messerstichen getötet worden. Zuvor sollen die beiden beschuldigten Männer in eine verbale Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen verwickelt gewesen sein. Zuletzt war darüber spekuliert worden, ob ein Streit um Drogen das Verbrechen auslöste. Nach Informationen mehrerer Medien soll der noch flüchtige Tatverdächtige unter Drogeneinfluss gestanden und auch das Opfer Kokain konsumiert haben. Die Anklage soll sich vor allem auf einen Zeugen stützen.
Der tödliche Vorfall löste eine Reihe ausländerfeindlicher Proteste in Chemnitz aus, die bundesweit für Aufsehen sorgten. Die Empörung vieler Bürger wurde von Rechten genutzt, um Stimmung gegen Flüchtlinge anzuheizen. Aus HooliganKreisen wurde zu einer ersten Demo aufgerufen. Unbescholtene Bürger zogen an der Seite von Rechten durch die Stadt. Es gab Ausschreitungen, Angriffe auf Ausländer und ausländische Lokale. In den Tagen darauf folgen weitere Kundgebungen. Dazu rief neben der AfD auch die islamfeindliche Pegida-Bewegung auf.
Gegen die rechten Demonstrationen regte sich Widerstand. Bei einem Konzert unter dem Motto „Wir sind mehr“mit Musikern wie Kraftklub und den Toten Hosen sagten Zehntausende Nein zu Rassismus und nationalistischer Hetze.