Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Saloniker“bringen Privileg des Adels zu den Bürgern Laichingens
Großartiges Konzert der Stuttgarter Musiker in der Reihe „25 Jahre Stunde der Kammermusik“bedeutet riesigen Beifall
LAICHINGEN - Begeisterten Applaus von den rund 300 Zuhörern haben die „Stuttgarter Saloniker“anlässlich des Jubiläumsabends der Stunde der Kammermusik“geerntet. Diese von Patrick Siben geleitete Kapelle mit Streichern, Blechbläsern und Klavierbegleitung eröffnete den Abend schwungvoll mit Johann Schrammels Marsch „Wien bleibt Wien“. Siben, der am Klavier saß, moderierte auch den Abend – nicht nur den Auftritt des eigenen Orchesters, sondern auch den Festakt.
Bis zur Pause war es ein Wechselspiel von Reden und Musik, erst im zweiten Teil des Abends konnten sich die Musiker voll entfalten.
Siben erklärte die Herkunft der Salonmusik aus der „Kammermusik“, die ursprünglich ein Privileg des Adels gewesen sei. Nach der französischen Revolution hätten sich die Salons im Bürgertum verbreitet, in denen man sich mit Philosophie, Kunst, Literatur und Musik beschäftigte. So spielten hier auch kleine Orchester auf. Als Beispiel wurde Beethovens „Mondscheinsonate“vorgetragen, ursprünglich ein Stück nur für Klavier. Aber in Zeiten der Liberalisierung gab es bereits vor 200 Jahren eine Bearbeitung für Kammerorchester. Die Stuttgarter Musiker verzauberten das Publikum mit zart gespielter Musik, selbst die im Hintergrund „gestreichelte“Pauke erzeugte eine eher meditative Stimmung.
Einen beschwingten Kontrast dazu bildete die Tick-Tack-Polka von Johann Strauß, welche nach dem Redenteil das Publikum in die Pause entließ. Danach ging es für das Publikum mit John Sousos „Stars and Stripes forever“schwungvoll weiter. Alle klatschten bei diesem klassischen Ohrwurm begeistert mit, erfuhren hernach auch von Patrick Siben, dass jener Souso in Amerika schwarzafrikanische Elemente in die Musik aufgenommen habe. Umgekehrt habe ein Scott Joplin es geschafft, dass „weiße“Melodien und Harmonien in die „schwarze Musik“aufgenommen worden seien, so beim Ragtime. Der „schönste aller Ragtimes“wurde dann mitreißend dargeboten: „The Entertainer“. Er wurde mit begeistertem Applaus belohnt.
In Europa wurde der Ragtime beispielsweise von Claude Debussy aufgenommen. Die Darbietung des Schlussteils „Golliwogg's cake walk“aus Debussys „Childrens corner“beeindruckte mit schnellen Ragtimepassagen in Abwechslung zu langsamen dissonanten Teilen. Ihre Vielseitigkeit bewiesen die Stuttgarter Musiker des weiteren mit dem Tango „ El Choclo“von Ángel Gregorio Villoldo. Hier konnte man sich regelrecht in lateinamerikanische Gesellschaften hineinversetzen. Mit dem Jazzstück „Lime House Blues“von Philip Graham riss das Orchester nicht nur das Publikum fast von den Stühlen, es bot auch eine musikalische Besonderheit dar, denn Siben hat die Originalnoten in der Public Library in Chicago aufgetrieben. Ebenso wurde Duke Ellingtons „Solitude“in der von ihm hinterlassenen Fassung gespielt, ein eher ruhiges Stück, bei dem die Trompete mehr herauszuhören war.
Zum Abschluss sorgte der Walzer „Frühlingskinder“– französisch: „Les Violettes“– von Emil Waldteufel noch einmal für völlig gelöste Stimmung. Alle Musiker spielten mit vollem Körpereinsatz. Zarte Töne wechselten mit lauteren, so dass auch die Flöte gut zu hören war, dann aber auch die Streicher wieder die Oberhand gewannen.
Die begeisterten Beifallsbekundungen des Publikums erreichten nach diesem Stück einen vorläufigen Höhepunkt, Die erste Zugabe, ein Charleston, wurde mit Standing Ovations quittiert. Klug gewählt war dann das zweite Zugabestück, Eward Elgars „Nachtlied“. Mit dieser ruhigen Melodie wurden die Zuhörer sanft „heimgegeigt“nach einem gelungenen Konzertabend.