Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Banalsendung“mit Lokalkolorit auf DVD
In den 1970er wurde in Blaubeuren die „Gemeinderätin Schumann“gedreht – DVDs jetzt erhältlich
BLAUBEUREN (sz) - Die Älteren können sich bestimmt noch daran erinnern. Vor knapp fünf Jahrzehnten wurde in Blaubeuren und Umgebung die 13-teilige Vorabendserie „Gemeinderätin Schumann“gedreht. Vor Kurzem sind alle Folgen auf DVD erschienen.
BLAUBEUREN - Die Älteren können sich bestimmt noch daran erinnern. Vor knapp fünf Jahrzehnten wurde in Blaubeuren und Umgebung die 13-teilige Vorabendserie „Gemeinderätin Schumann“gedreht. Vor Kurzem sind alle Folgen auf DVD erschienen.
Waren das noch Zeiten, als sich der Schwerlastverkehr durch die schmalen Straßen der Blaubeurer Innenstadt quälte, in Beiningen es noch die Grundschule gab und im Straßburger Hof in Gerhausen das Viertele Wein umgerechnet 85 Cent kostete.
Alle diese Tatsachen wurden vor mehr als vier Jahrzehnten auf Zelluloid gebannt. 1972 produzierte nämlich der Hessische Rundfunk für das Vorabendprogramm die 13-teilige Serie „Gemeinderätin Schumann“in und um die Blautopfstadt.
Damals ist die Hauptdarstellerin die 33-jährige Antje Hagen, die zu dieser Zeit ganz Deutschland noch als Trude Semmeling aus dem Dreiteiler „Einmal im Leben“kennt. In der neuen Vorabendserie heißt sie Ulla Schumann, eine junge Frau, die stets voller Tatendrang ist.
Sie unterrichtet als Lehrerin an der Karl-Spohn-Realschule in Gerhausen. Ihr Mann Kurt (Hartmut Reck) arbeitet in einem Ingenieurbüro in Blaubeuren und trainiert nach Feierabend wöchentlich die Damenhandballmannschaft des örtlichen Sportvereins. Im Christian-Schmidbleicher-Freibad schwimmen sie regelmäßig ihre Runden.
Frau steht in Politik ihren Mann
Kinder hat das Ehepaar keine, weshalb Ulla Zeit hat, sich politisch zu engagieren. Sie kandidiert, in den 1970er-Jahren eine kleine Sensation, für den Gemeinderat. Als sie gewählt wird, beweist sie, dass eine Frau durchaus in der Lage ist, in der Kommunalpolitik ihren Mann zu stehen.
Dabei geht es unter anderem um Themen wie Gesamtschule, Eingemeindung (Blaubeuren hatte 1972 die Gebietsreform noch nicht vollzogen), Kindergärten, Kulturzentrum (Stadthalle), Friedhof und um die Umgehungsstraße, die im richtigen Leben tatsächlich einige Jahre später gebaut wurde.
Gleich in der ersten Folge fahren die Schumanns durch die Ulmer Straße, in der zweiten Folge gibt es eine Versammlung in der Beininger Grundschule. Weitere Drehorte sind unter anderem der Blautopf, Weiler, Gerhausen, eine Apotheke, eine Metzgerei und verschiedene Wirtschaften in der Stadt.
Klar, das Blaubeurer Rathaus ist in jeder Folge zu sehen. Dort finden alle Gemeinderatssitzungen statt. Diese Aufnahmen wurden damals jedoch nicht in den Räumlichkeiten der Verwaltung, sondern im Speisesaal des Blaubeurer Seminars gedreht, da dort das Filmteam um Regisseur Helmut Kissel mehr Platz hatte.
Da die Serie in Blaubeuren, wie auch in irgend einer anderen Kleinstadt spielen könnte, fällt der Name der Blautopfstadt nicht ein einziges Mal. Auch keiner der Schauspieler hat einen schwäbischen Zungenschlag, obwohl zum Beispiel Christof Wackernagel und seine Mutter Erika sowie Robert Naegele mitspielen.
Zu sehen sind zudem unter anderen Helmut Fischer („Monaco Franze“), Horst Michael Neutze („Stahlnetz“), Karl Obermayr („Münchner Gschichten“), Konrad Georg („Kommissar Freytag“), Pierre Franckh („Tatort“), Hans Reiser („Die Fälle des Herrn Konstantin“) sowie Astrid Boner („Schulmädchen-Report“).
Während der Dreharbeiten berichtete das örtliche Wochenblatt, dass die Bevölkerung „vor allem die Kontaktfreudigkeit und Natürlichkeit der Schauspieler lobt“. Man lernte die Prominenten „von der privatmenschlichen Seite“kennen. Während der mehrere Monate lang dauernden Dreharbeiten zu diesem „kommunalpolitischen Aufklärungsfilm“hatten viele Bürger die Möglichkeit, als Statisten mitzuwirken. Auch die Schüler der Karl-Spohn-Realschule wurden regelmäßig im Klassenzimmer, auf dem Schulhof und der Turnhalle miteinbezogen. Viele Gesichter von damals kennt man heute noch...
Anfang 1974 flimmerten dann wöchentlich die 13 Folgen, jeweils 25 Minuten lang, über die Bildschirme in ganz Westdeutschland. Die Kritiken im örtlichen Wochenblatt waren damals nicht gerade schmeichelhaft. Von einer „schwachen Banalsendung“, einem „dilettantischen Drehbuch“und „hölzernen Dialogen ohne Pointen“war die Rede. Für den diensthabenden Redakteur mit dem Kürzel „b.“war die Serie „mit teilweise passablen schauspielerischen Leistungen“bestenfalls „ein gutes Einschlafmittel“.
Klar, über Geschmack lässt sich streiten. Für alle, die in Blaubeuren, in den Ortsteilen und der näheren Umgebung leben, ist diese Serie ein Stück Zeitgeschichte und eine interessante Dokumentation ihrer Heimat. Es ist interessant, welche gesellschaftlichen Probleme vor beinahe einem halben Jahrhundert heute noch aktuell sind. Einige Bürger, die damals mitgespielt haben, werden sich auf dem Bildschirm bestimmt wiedererkennen.