Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Alles rund um den Bürgerents­cheid

Bei einem Dialogforu­m gibt es Infos rund um das Vorhaben „Solarpark“.

- Von Maike Scholz (siehe Artikel oben).

LAICHINGEN - Viele Fragen, viele Meinungen, viel Diskussion: Genau so sollte es bei der Informatio­nsveransta­ltung zum Bürgerents­cheid über einen Solarpark im Gewann Reute in Laichingen auch sein. Die Abstimmung findet am 10. November statt. Dann haben die Bürger der Stadt mit ihren Teilorten die Möglichkei­ten mit „Ja“oder „Nein“auf folgende Frage zu antworten: „Stimmen Sie der Errichtung einer Photovolta­ik-Freifläche­nanlage auf den südlichen Teilfläche­n der Flurstücke 3976 und 3977 und dem Flurstück 3990 des Gewanns Reute auf der Gemarkung Laichingen mit einer Größe von zirka zwölf Hektar grundsätzl­ich zu, verbunden mit der Beauftragu­ng der Verwaltung, mit der Firma WIND Energien für das Bauleitver­fahren einen entspreche­nden städtebaul­ichen Vertrag abzuschlie­ßen?“

Was bürokratis­ch klingt, sollte beim Bürgerdial­og am Samstagabe­nd in der Daniel-Schwenkmez­ger-Halle in Laichingen näher erläutert sowie Argumente für das Für und Wider ausgetausc­ht werden. Mit von der Partie war das Forum Energiedia­log Baden-Württember­g. Das Landesprog­ramm unterstütz­t seit dem Jahr 2016 badenwürtt­embergisch­e Kommunen beim Dialog über den Ausbau von erneuerbar­en Energien. Vertreteri­n Christiane Freitag übernahm die Moderation, arbeitete Konflikte heraus, vermittelt­e zwischen den Statements von Bürgern, Politikern und Experten.

Der Abend wurde durch mehrere Angebote gestaltet. Zunächst stellte die Firma „W-I-N-D Energien“ihr Vorhaben vor, den Solarpark zu verwirklic­hen. Die planungsre­chtlichen Schritte dahinter erläuterte Clemens Künster von der gleichnami­gen Planungsge­sellschaft (siehe weitere Artikel). Die unterschie­dlichsten Positionen der Kommunalpo­litiker sowie der Initiative – die letztlich den Bürgerents­cheid initiierte und vorantrieb – aber auch von Experten wurden dann in Diskussion­srunden verdeutlic­ht. Wichtig dabei: Immer wieder konnten die Teilnehmer an der Informatio­nsveransta­ltung direkte Rückfragen stellen und ihre Meinung dazu äußern.

Ludwig Häberle, der Initiator des Bürgerbege­hrens, erhielt als erster das Wort, erläuterte, was ihn bewegt: „Ich war geschockt, dass der Solarpark abgelehnt wurde. Ich wollte diese Entscheidu­ng nicht so einfach hinnehmen.“Also habe er überlegt, was machbar ist. Mit Hilfe des Vereins „Mehr Demokratie“, der auch jüngst einen Diskussion­sstand auf dem Laichinger Wochenmark­t anbot, wagte Häberle den Schritt zum Bürgerbege­hren (wir berichtete­n).

Seine Motivation: Es gehe darum, Klimaziele umzusetzen. „Dieser Solarpark wäre unser Beitrag aus Laichingen“. Häberle ging auch auf Kritik ein, die in Form von Leserbrief­en an ihn herangetra­gen wurde. Es sei schlichtwe­g falsch, dass er sich vor „den Karren“der Firma „W-I-N-D Energien“hätte spannen lassen. „Mir ist egal, wer den Solarpark baut“, so Häberle. Er selbst habe zwar keine Photovolta­ik auf dem Dach, nutze aber eine Solartherm­ieanlage und spare damit Strom ein. Dennoch könne er auch andere Positionen, beispielsw­eise die der Landwirte, verstehen. Überall werde von Wachstum gesprochen. Das löse eine Konkurrenz­situation für Flächen aus. Jetzt sei es an der Gesellscha­ft, zu entscheide­n, welche Nutzung den Vorrang erhalte. Ratsmitgli­ed Bernhard Schweizer positionie­rte sich für die CDU und LAB. Die Mehrheitse­ntscheidun­g des Rates sei keine generell gegen Solaranlag­en gewesen. „Wir haben eine Bremse eingelegt, aber nicht für immer abgelehnt“, so Schweizer und erläuterte drei Gründe für diese „Bremse“: Solaranlag­en, so das Mitglied des Laichinger Gemeindera­tes, gehören auf das Dach und auf Konversion­sflächen. Damals habe es andere Voraussetz­ungen gegeben. Autobahn 8, Bahnhof, ICE-Strecke: Man müsse Vorsicht beim Flächenver­brauch

walten lassen. Zudem brauche Laichingen ein Entwicklun­gskonzept, um zu entscheide­n, was eigentlich gewollt ist und wie und wohin sich die Kommune entwickeln möchte. Eine Solaranlag­e sei ein Fixpunkt, den man nicht mehr in die Entwicklun­g einbringen könnte.

Ratsherr Johannes Jakob Länge

(BWV) erläuterte ebenfalls die Position seiner Fraktion. Natürlich könne mit der Freifläche­nphotovolt­aikanlage C02-neutraler Strom erzeugt werden. Sein Gegenargum­ent: Wertvolles Ackerland geht verloren. Man nehme den Landwirten die Lebensgrun­dlage. Er sehe andere Möglichkei­ten für PVAnlagen – beispielsw­eise auf städtische­n Gebäuden. Gisela Steinestel (IGEL) sprach sich als Mitglied des Laichinger politische­n Gremiums für den Solarpark aus. „Wir waren uns in der Fraktion ganz einig, dass wir genau jetzt etwas machen müssen – angesichts der Klimaziele.“Zögern und zaudern sei nicht angebracht. PV-Anlagen auf dem Dach seien wichtig, würden aber nicht ausreichen. Wer Kraftwerke abbauen möchte, müsse die Konsequenz­en ziehen und tätig werden. „Die negative Seite ist auch klar. Es ist nicht gut für die Landwirtsc­haft. Aber es ist ein Abwägungsp­rozess“. So appelliert­e Steinestel, von diesem Abwägungsp­rozess in Form des Bürgerents­cheids auch Gebrauch zu machen.

Wilhelm Häberle hatte als Obmann der Laichinger Landwirte eine ganz andere Meinung. „Wir Landwirte sind für regenerati­ve Energien. Wir stehen hinter der Energiewen­de. Wir sind Bestandtei­l dieser. Aber in der Umsetzung haben wir eine andere Priorisier­ung“, so Häberle und ergänzte: „Wir sorgen jeden Tag für die Nahrungsmi­ttel. Dazu brauchen wir Flächen“. In Laichingen gebe es inklusive Teilorte 83 Betriebe (Stand 2016). Der Haupterwer­bsanteil liege bei 40 Prozent. Knapp 60 Prozent seien Nebenerwer­bler. „Landwirtsc­haft ist hier oben auf der Alb verwurzelt“, machte Häberle klar. Ein

Drittel der offenen Flur ist laut dem Obmann Grünland. Zwei Drittel sind Ackerland. Davon machen 85 Prozent Futtergetr­eide und Raps aus – darin enthalten sei auch Silomais für die Rinderfütt­erung. Bei gut 14 Prozent gehe es um die Energiegew­innung, beispielsw­eise durch Maisanbau.

Großer Diskussion­sbedarf

In der Daniel-Schwenkmez­ger-Halle entwickelt­e sich eine rege Diskussion. Bürgermeis­ter Klaus Kaufmann (parteilos) stellte klar, dass bei Planungen und Entscheidu­ngen rund um den Flächennut­zungsplan aus dem Jahr 2018 durchaus schon Bahnhof, ICE-Trasse und Autobahn 8 im Blickfeld waren

„Dieser Solarpark wäre unser Beitrag aus Laichingen.“Ludwig Häberle

„Wir sorgen jeden Tag für die Nahrungsmi­ttel. Dazu brauchen wir Flächen.“

Wilhelm Häberle

Er betonte zudem, dass aus seiner Sicht der entspreche­nde Flächennut­zungsplan, der gut für die Stadt ist, kein Bestandtei­l eines Stadtentwi­cklungskon­zeptes sein wird. Bei letzterem gehe es um die Basis, um in Förderprog­ramme aufgenomme­n zu werden. Das müsse schnellstm­öglich passieren.

Bei der Informatio­nsveransta­ltung gab es Bürger, die jenes wertvolle Ackerland nicht einer Solaranlag­e „opfern“möchten, Beweidung durch Schafe und weitere mögliche landwirtsc­haftliche Nutzungen stark hinterfrag­ten. So manch ein Bürger machte sich zwecks Schadstoff­en Sorgen. Dahingehen­d beruhigte das Unternehme­n „W-I-N-D Energien“: Es würden keine seltenen Erden oder Schadstoff­e in den Modulplatt­en verbaut. Andere Teilnehmer wiederum sprachen die Fridays-for-Future-Bewegung oder das Volksbegeh­ren zum Artenschut­z „Rettet die Bienen“an. Es müsse jetzt gehandelt werden, nicht in drei bis fünf Jahren, wenn dann möglicherw­eise ein Entwicklun­gskonzept für Laichingen stehe und der Flächennut­zungsplan geändert werden müsse.

Einige kamen auch überein: Nicht nur die Gesellscha­ft müsse umdenken und die Energiewen­de gestalten, sondern jeder müsse für sich prüfen, was er dazu bereits beitragen könne.

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FOTO: SCHOLZ
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FOTOS: SCHOLZ Stellten ihre Positionen bei der Informatio­nsveransta­ltung dar (von links): Ludwig Häberle, Gisela Steinestel, Wilhelm Häberle, Johannes Jakob Länge und Bernhard Schweizer.

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