Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Alles rund um den Bürgerentscheid
Bei einem Dialogforum gibt es Infos rund um das Vorhaben „Solarpark“.
LAICHINGEN - Viele Fragen, viele Meinungen, viel Diskussion: Genau so sollte es bei der Informationsveranstaltung zum Bürgerentscheid über einen Solarpark im Gewann Reute in Laichingen auch sein. Die Abstimmung findet am 10. November statt. Dann haben die Bürger der Stadt mit ihren Teilorten die Möglichkeiten mit „Ja“oder „Nein“auf folgende Frage zu antworten: „Stimmen Sie der Errichtung einer Photovoltaik-Freiflächenanlage auf den südlichen Teilflächen der Flurstücke 3976 und 3977 und dem Flurstück 3990 des Gewanns Reute auf der Gemarkung Laichingen mit einer Größe von zirka zwölf Hektar grundsätzlich zu, verbunden mit der Beauftragung der Verwaltung, mit der Firma WIND Energien für das Bauleitverfahren einen entsprechenden städtebaulichen Vertrag abzuschließen?“
Was bürokratisch klingt, sollte beim Bürgerdialog am Samstagabend in der Daniel-Schwenkmezger-Halle in Laichingen näher erläutert sowie Argumente für das Für und Wider ausgetauscht werden. Mit von der Partie war das Forum Energiedialog Baden-Württemberg. Das Landesprogramm unterstützt seit dem Jahr 2016 badenwürttembergische Kommunen beim Dialog über den Ausbau von erneuerbaren Energien. Vertreterin Christiane Freitag übernahm die Moderation, arbeitete Konflikte heraus, vermittelte zwischen den Statements von Bürgern, Politikern und Experten.
Der Abend wurde durch mehrere Angebote gestaltet. Zunächst stellte die Firma „W-I-N-D Energien“ihr Vorhaben vor, den Solarpark zu verwirklichen. Die planungsrechtlichen Schritte dahinter erläuterte Clemens Künster von der gleichnamigen Planungsgesellschaft (siehe weitere Artikel). Die unterschiedlichsten Positionen der Kommunalpolitiker sowie der Initiative – die letztlich den Bürgerentscheid initiierte und vorantrieb – aber auch von Experten wurden dann in Diskussionsrunden verdeutlicht. Wichtig dabei: Immer wieder konnten die Teilnehmer an der Informationsveranstaltung direkte Rückfragen stellen und ihre Meinung dazu äußern.
Ludwig Häberle, der Initiator des Bürgerbegehrens, erhielt als erster das Wort, erläuterte, was ihn bewegt: „Ich war geschockt, dass der Solarpark abgelehnt wurde. Ich wollte diese Entscheidung nicht so einfach hinnehmen.“Also habe er überlegt, was machbar ist. Mit Hilfe des Vereins „Mehr Demokratie“, der auch jüngst einen Diskussionsstand auf dem Laichinger Wochenmarkt anbot, wagte Häberle den Schritt zum Bürgerbegehren (wir berichteten).
Seine Motivation: Es gehe darum, Klimaziele umzusetzen. „Dieser Solarpark wäre unser Beitrag aus Laichingen“. Häberle ging auch auf Kritik ein, die in Form von Leserbriefen an ihn herangetragen wurde. Es sei schlichtweg falsch, dass er sich vor „den Karren“der Firma „W-I-N-D Energien“hätte spannen lassen. „Mir ist egal, wer den Solarpark baut“, so Häberle. Er selbst habe zwar keine Photovoltaik auf dem Dach, nutze aber eine Solarthermieanlage und spare damit Strom ein. Dennoch könne er auch andere Positionen, beispielsweise die der Landwirte, verstehen. Überall werde von Wachstum gesprochen. Das löse eine Konkurrenzsituation für Flächen aus. Jetzt sei es an der Gesellschaft, zu entscheiden, welche Nutzung den Vorrang erhalte. Ratsmitglied Bernhard Schweizer positionierte sich für die CDU und LAB. Die Mehrheitsentscheidung des Rates sei keine generell gegen Solaranlagen gewesen. „Wir haben eine Bremse eingelegt, aber nicht für immer abgelehnt“, so Schweizer und erläuterte drei Gründe für diese „Bremse“: Solaranlagen, so das Mitglied des Laichinger Gemeinderates, gehören auf das Dach und auf Konversionsflächen. Damals habe es andere Voraussetzungen gegeben. Autobahn 8, Bahnhof, ICE-Strecke: Man müsse Vorsicht beim Flächenverbrauch
walten lassen. Zudem brauche Laichingen ein Entwicklungskonzept, um zu entscheiden, was eigentlich gewollt ist und wie und wohin sich die Kommune entwickeln möchte. Eine Solaranlage sei ein Fixpunkt, den man nicht mehr in die Entwicklung einbringen könnte.
Ratsherr Johannes Jakob Länge
(BWV) erläuterte ebenfalls die Position seiner Fraktion. Natürlich könne mit der Freiflächenphotovoltaikanlage C02-neutraler Strom erzeugt werden. Sein Gegenargument: Wertvolles Ackerland geht verloren. Man nehme den Landwirten die Lebensgrundlage. Er sehe andere Möglichkeiten für PVAnlagen – beispielsweise auf städtischen Gebäuden. Gisela Steinestel (IGEL) sprach sich als Mitglied des Laichinger politischen Gremiums für den Solarpark aus. „Wir waren uns in der Fraktion ganz einig, dass wir genau jetzt etwas machen müssen – angesichts der Klimaziele.“Zögern und zaudern sei nicht angebracht. PV-Anlagen auf dem Dach seien wichtig, würden aber nicht ausreichen. Wer Kraftwerke abbauen möchte, müsse die Konsequenzen ziehen und tätig werden. „Die negative Seite ist auch klar. Es ist nicht gut für die Landwirtschaft. Aber es ist ein Abwägungsprozess“. So appellierte Steinestel, von diesem Abwägungsprozess in Form des Bürgerentscheids auch Gebrauch zu machen.
Wilhelm Häberle hatte als Obmann der Laichinger Landwirte eine ganz andere Meinung. „Wir Landwirte sind für regenerative Energien. Wir stehen hinter der Energiewende. Wir sind Bestandteil dieser. Aber in der Umsetzung haben wir eine andere Priorisierung“, so Häberle und ergänzte: „Wir sorgen jeden Tag für die Nahrungsmittel. Dazu brauchen wir Flächen“. In Laichingen gebe es inklusive Teilorte 83 Betriebe (Stand 2016). Der Haupterwerbsanteil liege bei 40 Prozent. Knapp 60 Prozent seien Nebenerwerbler. „Landwirtschaft ist hier oben auf der Alb verwurzelt“, machte Häberle klar. Ein
Drittel der offenen Flur ist laut dem Obmann Grünland. Zwei Drittel sind Ackerland. Davon machen 85 Prozent Futtergetreide und Raps aus – darin enthalten sei auch Silomais für die Rinderfütterung. Bei gut 14 Prozent gehe es um die Energiegewinnung, beispielsweise durch Maisanbau.
Großer Diskussionsbedarf
In der Daniel-Schwenkmezger-Halle entwickelte sich eine rege Diskussion. Bürgermeister Klaus Kaufmann (parteilos) stellte klar, dass bei Planungen und Entscheidungen rund um den Flächennutzungsplan aus dem Jahr 2018 durchaus schon Bahnhof, ICE-Trasse und Autobahn 8 im Blickfeld waren
„Dieser Solarpark wäre unser Beitrag aus Laichingen.“Ludwig Häberle
„Wir sorgen jeden Tag für die Nahrungsmittel. Dazu brauchen wir Flächen.“
Wilhelm Häberle
Er betonte zudem, dass aus seiner Sicht der entsprechende Flächennutzungsplan, der gut für die Stadt ist, kein Bestandteil eines Stadtentwicklungskonzeptes sein wird. Bei letzterem gehe es um die Basis, um in Förderprogramme aufgenommen zu werden. Das müsse schnellstmöglich passieren.
Bei der Informationsveranstaltung gab es Bürger, die jenes wertvolle Ackerland nicht einer Solaranlage „opfern“möchten, Beweidung durch Schafe und weitere mögliche landwirtschaftliche Nutzungen stark hinterfragten. So manch ein Bürger machte sich zwecks Schadstoffen Sorgen. Dahingehend beruhigte das Unternehmen „W-I-N-D Energien“: Es würden keine seltenen Erden oder Schadstoffe in den Modulplatten verbaut. Andere Teilnehmer wiederum sprachen die Fridays-for-Future-Bewegung oder das Volksbegehren zum Artenschutz „Rettet die Bienen“an. Es müsse jetzt gehandelt werden, nicht in drei bis fünf Jahren, wenn dann möglicherweise ein Entwicklungskonzept für Laichingen stehe und der Flächennutzungsplan geändert werden müsse.
Einige kamen auch überein: Nicht nur die Gesellschaft müsse umdenken und die Energiewende gestalten, sondern jeder müsse für sich prüfen, was er dazu bereits beitragen könne.