Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Starker Staat nutzt allen“
Hilde Mattheis (SPD) über Lehren aus der Corona-Krise
BERLIN - Die Ulmer SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis (Foto: dpa) wirbt für mehr Staat in den Bereichen Gesundheit und Pflege. Klaus Wieschemeyer hat mit ihr gesprochen.
Frau Mattheis, Sie kommen gerade aus dem Bundestags-Gesundheitsausschuss, der einen Schutzschirm für Krankenhäuser beschlossen hat. Was bedeutet der?
Wir stützen hiermit eine wichtige Säule der Gesundheitsversorgung. Die Häuser können nun sicher gehen, dass verschobene Operationen und frei gehaltene Betten finanziell ausgeglichen werden. Dafür nehmen wir viel Geld in die Hand. Das Ganze ist nicht Brot und Butter, es ist Sahne.
Reicht das?
Wir werden insbesondere bei den Unikliniken noch nachjustieren müssen. Das betrifft auch Ulm.
Bislang wurde darüber diskutiert, ob wir in Deutschland nicht viel zu viele Krankenhäuser haben …
Diese Diskussion müssen wir ganz neu aufrollen. Es zeigt sich überdeutlich, dass auch kleine Krankenhäuser wie das in Isny durchaus ihre Funktion haben. Ich appelliere an die Kommunalpolitiker, ihre Häuser nicht zu verscherbeln. Kommunale Krankenhäuser sind ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge, insbesondere in Oberschwaben.
Viele Häuser machen Verluste.
Das ist ein strukturelles Problem, das sowohl an den Fallpauschalen als auch an den Investitionen hängt. Bei den Investitionen sind die Bundesländer gefragt.
Es gibt Sorge vor einem massiven Mangel an Pflegekräften. War das auch Thema im Ausschuss?
Wir haben das Infektionsschutzgesetz ausgeweitet, so dass mehr Menschen in der Versorgung eingesetzt werden können.
Also haben Sie keine Sorge vor dem Wegfall insbesondere von osteuropäischen Pflegekräften?
An den Grenzen haben wir derzeit eine Sondersituation. Aber ich hoffe, dass der Grenzübergang für Menschen im Gesundheitswesen zwischen Deutschland und Polen beispielsweise möglich bleibt, auch wenn Deutschland Risikoland ist.
Was wird die Lehre aus der Krise für die Pflege sein?
Dass wir gute Zeiten nutzen müssen, um die Versorgung sicherzustellen, damit sie in schlechten auch funktioniert.
Das bedeutet mehr Geld für die Pflege …
Es bedeutet vor allem, den Bereich in staatlicher Hand zu halten. Die Zahl der privaten Heime wächst, das darf uns nicht gefallen. Es sind die Pflegebedürftigen und die Solidargemeinschaft, die die hohen Renditeansprüche der Betreiber bedienen müssen. Statt Rendite brauchen wir in der Pflege aber Solidarität.
Das heißt mehr Staat und weniger Privatwirtschaft.
Wir sehen ja gerade, dass ein starker Staat allen nutzt.