Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Geschäftsmodell Geistertour
Die Frankreich-Rundfahrt der Radprofis hängt nicht vom Ticketverkauf ab – also wäre sie ohne Zuschauer möglich
PARIS (SID/dpa) - Die Tour de France als „Geistertour“: Frankreichs wichtigstes Sportereignis könnte angesichts der Corona-Krise in diesem Jahr ohne Zuschauer stattfinden. Diese Möglichkeit äußerte die französische Sportministerin Roxana Maracineanu im Sender France Bleu radio.
„Alles ist vorstellbar“, sagte die frühere Schwimmweltmeisterin. Zuschauerausschlüsse habe es schon bei anderen Wettbewerben gegeben, „auf die Tour hätte es aber nicht die gleichen Auswirkungen, da deren Geschäftsmodell – anders als beim Fußball oder Rugby – nicht von Ticketverkäufen abhängt“, sagte die 44-Jährige: „Letztendlich wäre es nicht schlecht, weil man immer noch im TV zuschauen könnte.“
Die Tour soll eigentlich am 27. Juni in Nizza beginnen, bis zum 19. Juli werden zehn Millionen Zuschauer an weit mehr als 3000 Streckenkilometern erwartet. Alleine beim Finale in Paris schauen gewöhnlich Hunderttausende Fans zu. Dass unter diesen Bedingungen ein Rennen ohne Zuschauer machbar ist, scheint fraglich, allein der Aufwand an Sicherheitskräften (normalerweise rund 29 000 Mann) wäre gigantisch.
Tour-Chef Christian Prudhomme hatte in der vergangenen Woche darauf hingewiesen, dass erst zwei Weltkriege das Rennen haben stoppen können, das 1903 seine Premiere hatte. „Sobald die Aktivitäten wieder aufgenommen werden, wird der Hunger auf das Rennen immens sein.“Er hoffe, in erster Linie zum Wohle des Landes, dass die Situation bis dahin geregelt sei, so Prudhomme.
Für die Teams wäre ein Stattfinden der Tour extrem wichtig. So befürchtet Teamchef Patrick Lefevere vom Rennstall Deceuninck-Quick Step bei einer Absage einen „Zusammenbruch des Systems“. Der Veranstalter ASO „kann einen Schlag verkraften, die Teams können es nicht“.
Zuletzt war die Fernfahrt ParisNizza, die ebenfalls von den Tour-Organisatoren ASO veranstaltet wird, bis zu ihrem Abbruch einen Tag vor dem planmäßigen Finale als „Geisterrennen light“gefahren worden. Dabei war zwar nicht der Großteil der Strecke gesperrt gewesen, wohl aber Start- und Zielbereich.