Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Mitarbeiter teils „aufs Übelste beschimpft“
Vor allem an den Recyclinghöfen liegen in Ulm die Nerven blank – Stadt appelliert
ULM (thhe/sz) - Nicht jeder hat sich in Ulm an den Appell gehalten, am Osterwochenende die Recyclinghöfe zu meiden. Bei manchem Kunden liegen die Nerven blank. Sogar die Polizei musste anrücken. Die Stadt beklagt Ausraster gegenüber Mitarbeitern.
Kunden, die schnell ungehalten werden, gäbe es immer: Derzeit aber häuften sich in Ulm die Fälle, in denen städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „teilweise aufs Übelste“beschimpft würden. Das berichten der Leiter der städtischen Entsorgungsbetriebe EBU, Thomas Mayer, und Michael Jung, Hauptabteilungsleiter Verkehrsplanung und Straßenbau (VGV), zu dessen Zuständigkeitsbereich auch Grünflächen und Vermessung gehören. Sie wollen die Kritik nicht so stehen lassen und wissen dabei auch Ulms Baubürgermeister Tim von Winning hinter sich. Dieser betont: „Diese Zeiten verlangen uns allen gerade einiges ab. Umso mehr kommt es darauf, dass wir anständig miteinander umgehen.“Seinen Frust einfach bei städtischen Mitarbeitern abzuladen, sei nicht akzeptabel.
Ziel der verbalen Attacken seien laut Mitteilung der Stadt insbesondere die Mitarbeiter an den Recyclinghöfen, wo derzeit hoher Andrang herrscht. „Die Leute nutzen die Zeit, um auf Dachböden und in Kellern aufzuräumen oder ihren Garten auf Vordermann zu bringen“, sagt Thomas
Mayer. Entsprechend lang seien derzeit die Wartezeiten bei der Abgabe von Sperrmüll und Grünabfällen. Hinzu kommen die Zugangsbeschränkungen aufgrund der CoronaPandemie: Beispielsweise dürfen nur derzeit nur maximal zehn Personen gleichzeitig auf dem Recyclinghof Grimmelfingen ihre Sachen entsorgen, die anderen müssen draußen warten.
Nachdem es schon in der Karwoche immer wieder zu größeren Stauungen vor den Plätzen kam, hatte die Stadt neben dem normalen Betriebspersonal auch noch Sicherheitspersonal beauftragt. Wie notwendig das ist, zeigte sich am Karsamstag. Am Recyclinghof Heilmeyersteige stauten sich die Fahrzeuge vor der Einfahrt auch über die Kreuzung zum Berliner Ring zurück. Wer gar nicht zum Recyclinghof wollte, musste kreativ mit den Verkehrsregeln umgehen, auch mal links an der Verkehrsinsel und über die Gegenfahrbahn an den wartenden Fahrzeugen vorbei. Immer nur fünf Fahrzeuge durften gleichzeitig auf das Gelände, um den notwendigen Abstand unter den Ablieferwilligen zu wahren. Außerdem durften aus jedem Fahrzeug nur zwei Personen aussteigen.
Diese Regel führte bei Familien zu Unmut, die mit mehreren Kindern den Recyclinghof als Abwechslung zum Alltag ohne Schule und offene Läden nutzen wollten. Die Wartezeiten lagen vor allem am frühen Samstagvormittag
weit über einer Stunde und auch mittags war oft mit einer halben Stunde Wartezeit zu rechnen. Dadurch und auch durch den Verkehr, der aus mehreren Richtungen zum Recyclinghof drängte, lagen bei manchen Besuchern die Nerven blank.
Vor dem Recyclinghof Grimmelfingen gerieten zwei Männer mitten auf der Kreuzung so sehr in Rage, dass eine unbeteiligte Frau aus der Warteschlange schließlich die Polizei anrief. Kurz bevor aus dem gegenseitigen Anbrüllen Handgreiflichkeiten wurden, gingen den Kontrahenten wohl die Argumente aus und wenigstens einer von ihnen zog noch vor dem Eintreffen der Polizei weiter. Die eingetroffene Polizeistreife traf vorbeugende Absprachen mit dem Personal des Recyclinghofes, um die Nerven der Wartenden zu beruhigen. So durfte, wer nur Grüngut anliefern wollte, kurzzeitig zusätzlich auf den hinteren Bereich der Umladestation. Auch wurden die Einfahrkontrollen weiter nach vorne verlegt, damit Unberechtigte nicht die Warteschlange verlängern.
Einfach „mehr Personal“einzusetzen, wie es manche fordern, gehe aufgrund der vorgeschriebenen Beschränkungen nicht, sagt Thomas Mayer. Zumal auch die EBU derzeit einen jahreszeitlich bedingt hohen Krankenstand haben. Um lange Wartezeiten an den Recyclinghöfen zu umgehen, schlagen die EBU vor, die Entsorgungen sinnvollerweise auf die Wochentage und nicht aufs Wochenende zu legen. Des Weiteren sei in der Regel vormittags deutlich weniger los als nachmittags.
Ähnliche Beobachtungen zum Kundenverhalten hat VGV-Chef Jung gemacht: „Insbesondere Mitarbeiterinnen berichten mir, dass sich Anrufer im Ton vergreifen.“Er betont: „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tun ihre Pflicht, sie arbeiten auch in diesen Zeiten mit großem Einsatz und machen ihre Arbeit gut!“Auch ohne Publikumsverkehr seien die städtischen Dienststellen trotz des ebenfalls hohen Krankenstands erreichbar und der Betrieb laufe weiter. Nach wie vor sei auch das Gros derjenigen, die sich derzeit telefonisch oder per Mail bei den Servicestellen melden, wie immer höflich und kooperativ. „Bei einigen Zeitgenossen jedoch scheinen inzwischen die Nerven blank zu liegen.“
Jung bittet aber um Verständnis dafür, dass es selbst in Zeiten von Corona Vorschriften und Verfahren einzuhalten seien, selbst wenn die Stadt sich um eine großzügige und kulante Auslegung von Regeln bemühe. So wurden zuletzt beispielsweise ablaufende Bewohnerparkausweise automatisch um bis zu drei Monate verlängert oder erteile die Stadt derzeit Sonderparkgenehmigungen für medizinisches Personal, das als systemrelevant eingestuft ist.