Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Virus, leere Straßen und mehr Zeit für Bauarbeiten
Wegen des wenigen Verkehrs können eventuell Baustellen auf sonst überlasteten Routen vorgezogen werden
RAVENSBURG - Die Corona-Krise könnte für Autobahnen und andere Straßen zur Chance für eine schnellere Sanierung werden. Wegen der derzeit zum Teil eher schwach befahrenen Strecken werden Reparaturmaßnahmen an Stellen möglich, die sonst wegen der Absperrungen zu großen Behinderungen führen. Das verkündete Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Zudem wolle man Baumaßnahmen zeitlich vorziehen. Während die Bauwirtschaft laut Branchenverband bereitsteht, zeigen sich die Straßenbauverwaltungen eher zurückhaltend.
Eine Fahrt auf der A 8 über die Schwäbische Alb, ohne sich früher oder später im Stau wiederzufinden – zu normalen Zeiten kaum vorstellbar. Zurzeit ist das möglich. Zwar sind Lastwagen unterwegs, ebenso einige Pkw, aber insgesamt hat der Verkehr im Vergleich zur Zeit vor den Einschränkungen durch das Coronavirus merklich abgenommen. Der Gedanke, das schwache Verkehrsaufkommen für Baustellen auszunutzen, liegt nahe. Minister Hermann hat ihn in einer Pressekonferenz aufgegriffen: Es müsse geschaut werden, „dass möglichst viel gebaut wird“.
Nach Informationen aus Hermanns Ministerium sei es in erster Linie die Bauwirtschaft gewesen, die auf Herrmann zugegangen sei. Denn ebenso wie andere Branchen befürchtet sie einen konjunkturellen Einbruch. Heikel scheint vor allem die Verfügbarkeit ausländischer Arbeiter zu sein. Reisebeschränkungen würden zu Lücken in der Belegschaft führen. Ausländische Subunternehmer könnten nicht aktiv werden. „Eine
der größten Herausforderungen“, nennt Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer des baden-württembergischen Verbandes der Bauwirtschaft, die derzeitige Situation. Für den Moment, sagt er, sei es noch weitgehend möglich, fehlende Mitarbeiter durch das Personal inländischer Betriebe zu ersetzen. Doch laut
Möller sei es wünschenswert, die Reisebeschränkungen zu reduzieren. Gleichzeitig müsste die Materialversorgung auch aus dem Ausland gesichert werden. „Wir begrüßen natürlich, wenn Baustellen vorgezogen werden,“sagt Möller – auch weil die Aussicht auf schnellere Bauarbeiten ein gutes Argument gegenüber der Landesregierung ist, um Hürden wie Reisebeschränkungen möglichst schnell zu beseitigen. Verkehrsminister Hermann hat dem Verband bereits zugesagt, das Vorziehen von Straßenbauprojekten im Einzelfall zu prüfen. Laut Ministerium sei es Ziel, dass die Straßenbauverwaltungen entsprechend aktiv werden. So stünden 220 Millionen Euro aus Landesmitteln und rund 800 Millionen Euro aus Bundesmittel für Arbeiten zur Verfügung. Gedacht sei in erster Linie an Erhaltungsprojekte, also Reparatur und Sanierung. Zudem möchte das Land den Bau von Radwegen vorantreiben. Der Löwenanteil des Geldes ist jedoch bereits für laufende Baustellen verplant. Wie das Ministerium verlautbart, sei deren überwiegende Zahl bisher nicht von Verzögerungen betroffen.
Offenbar existieren aber auch bereits Projekte, die tatsächlich vorgezogen werden. Stefanie Paprotka, Sprecherin des Regierungspräsidiums Stuttgart, verweist auf eine Sanierung im Bereich der A 81. Es handelt sich um den Abschnitt zwischen der Raststätte Wunnenstein und der Anschlussstelle Untergruppenbach kurz vor Heilbronn. Eigentlich seien die Arbeiten erst für 2021 geplant gewesen. Nun würden sie bereits in diesem Jahr durchgeführt.
Doch die Behörde ist skeptisch, inwiefern existierende Baustellen tatsächlich schneller abgewickelt werden könnten. „Ein tendenziell niedrigeres Verkehrsaufkommen“führe nicht unbedingt zu einer Beschleunigung der Arbeiten, erklärt Paprotka. Der von ihr genannte Grund: „Dies liegt daran, dass die komplexen Bauprojekte auf aufeinander aufbauenden Arbeitsschritten beruhen und so auch geplant wurden.“Mit anderen Worten: Ist der eine Bautrupp rascher fertig, steht nicht automatisch der nächste mit dem benötigten Material bereit. Wobei auch das Stuttgarter Regierungspräsidium eingesteht, dass Straßen bei spärlichem Verkehr einfacher zu sperren seien. Die Komplexität der Arbeiten bleibe aber.