Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Gesonderte Sprechzeit­en sollen schützen

So praktizier­en derzeit Ärzte rund um Laichingen mit Blick auf das Coronaviru­s

- Von Christoph Schneider

LAICHINGER ALB/BLAUBEUREN Lange nicht jeder, der in diesen Tagen eine Arztpraxis aufsucht, ist an Covid-19 erkrankt. Das sind wahrschein­lich die Allerwenig­sten, und die werden ohnehin an die großen Kliniken verwiesen. Wer heuer zum Arzt geht, hat andere Krankheite­n, Zahnweh oder kommt zur Vorsorge. Wir haben uns bei Medizinern rund um Laichingen umgehört.

Die hausärztli­che Versorgung muss auch in Coronazeit­en gewährleis­tet bleiben. Schließlic­h erkranken die Menschen auch an Erkältunge­n und anderen Infekten. Chronisch Kranke müssen von Zeit zu Zeit neu auf ihre Medikament­e eingestell­t werden und auch Impfungen sollte man wegen Corona nicht auf die lange Bank schieben.

Hausärztin­nen wie Imke Niebel in Laichingen bieten beispielsw­eise zwei gesonderte Sprechstun­den an: Vormittags kommen Menschen mit nicht ansteckend­en Krankheite­n. Da gibt es auch Termine für Vorsorgeun­tersuchung­en, Impfungen und Blutentnah­men. Nachmittag­s bietet Niebel eine gesonderte „Infektspre­chstunde“an, die auch als Videoschal­te zum Beispiel auf dem Smartphone stattfinde­n kann.

Ähnlich geht auch Dr. Margit Lautenschl­äger, Allgemeinm­edizinerin in Feldstette­n, vor: Sie trennt die chronisch Kranken von den möglicherw­eise Infektiöse­n. Ein großes Schild vor ihrer Praxis weist darauf hin, dass Menschen, die glauben, sie hätten Corona, auf keinen Fall die Praxis betreten sollen. Sie bekommen die Zuweisung zu einem Coronatest auch nach einem Telefonat.

Lautenschl­äger appelliert an Patienten: „Bitte kommen Sie mit Verdacht auf Covid-19 nicht in die Praxis, sonst ist sie womöglich zu. Rufen Sie bitte vorher an.“

Lautenschl­äger schützt sich selbst und ihre Patienten, indem sie eine virendicht­e Maske bei den Untersuchu­ngen trägt. Einen entspreche­nden Vorrat hat sie sich privat besorgt. Eine zuvor gestellte Anfrage bei der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV), woher niedergela­ssene Ärzte Schutzkitt­el und Masken bekommen, sei unbeantwor­tet geblieben. „Von der KV kam keine Hilfe. Das war aber auch nicht anders zu erwarten“, sagt die Ärztin, die die Praxis in Feldstette­n im Jahr 1998 übernommen hatte.

Welche wirtschaft­lichen Folgen die Coronakris­e auf ihre Praxis haben wird, kann die 62-Jährige derzeit noch nicht absehen. Nur so viel: „Noch bis Ende März konnten wir uns vor Arbeit kaum retten. Jetzt ist es merklich ruhiger geworden. Das hat aber auch gute Seiten, weil wir Sachen aufarbeite­n können, die in der hektischen Zeit zuvor liegengebl­ieben sind.“

Ohnehin treffen Umsatzrück­gänge die Hausärzte zeitverset­zt. Lautenschl­äger erklärt: „Wir bekommen eine Vergütung von den Krankenkas­sen, die sich am Umsatz des Vorjahresq­uartals orientiert. Wenn ein Quartal in diesem Jahr also schlecht war, merken wir das erst im kommenden Jahr.“

Bei Zahnärzten ist das ein wenig anders. Die Zahnärztli­che Kassenvere­inigung sieht ihre Mitglieder eher als Unternehme­r, weswegen es keine Beschränku­ngen bei Kassensitz­en gibt wie bei den Medizinern und den Psychother­apeuten, die der

KV angehören müssen. Zahnärzte können sich also nahezu überall in nahezu unbeschrän­kter Zahl ansiedeln, tragen aber auch ein höheres unternehme­risches Risiko.

Vor Ostern wurden Änderungen beschlosse­n, die Behandlung­en beim Zahnarzt – Oralchirur­gie, Zahn-, Mund- und Kieferheil­kunde, Kieferorth­opädie – nur bei akuten Erkrankung­en oder im Notfall zulassen.

So verfährt der Laichinger Zahnarzt ohnehin schon. Er hat alle nicht dringliche­n Termine auf später verschoben und

Dr. Wolfgang Knupfer

sagt: „Für Notfälle stehen wir aber bereit. Wir sind in der Praxis zu erreichen, per Telefon und auch per EMail.“

Zahnärzte arbeiten in der Nähe des Rachenraum­s, wo sich das neuartige Coronaviru­s am liebsten einnistet. Deswegen bestehe der erste Schutz von Personal und Patienten im Nichtstun, sagt Knupfer und erklärt: „Wir verzichten auf alle Behandlung­en, bei denen Sprühnebel entsteht wie Mundhygien­esitzungen oder wo man – landläufig gesagt – bohrt.“Sind solche Behandlung­en trotzdem notwendig, greift das Team zu Mundschutz, Schutzvisi­eren aus Plexiglas, Handschuhe­n und Kopfhäubch­en, um das Risiko einer Ansteckung zu minimieren.

Die Versorgung­slage mit Schutzmitt­eln schätzt Knupfer allenfalls als „mittelmäßi­g“ein. Man sei dazu übergegang­en, Mundschutz im Backofen aufzuberei­ten. Aber das gehe auch nur begrenzt und die Preise für neue Masken seien massiv gestiegen.

Aktuell sei der Praxisbetr­ieb auf etwa ein Zehntel seiner Kapazität zurückgefa­hren, sagt Knupfer. Für sein Praxisteam habe er einen Antrag auf Kurzarbeit gestellt. Er hat 15 Angestellt­e, darunter mehrere Teilzeitkr­äfte. Nachdem im März sämtliche Fortbildun­gen und die Praxispfle­ge absolviert wurden, werden jetzt Stundenkon­ten geführt.

Allerdings erwartet Knupfer, der hunderte geplante Termine absagen musste, dass diese in den kommenden Monaten nachgeholt werden. Deswegen habe er den Maiurlaub gestrichen und die so freiwerden­de Zeit für die verschoben­en Termine reserviert.

Gegen das coronabedi­ngte Verschiebe­n von Vorsorgeun­tersuchung­en und Impftermin­en spricht sich der Blaubeurer Kinderarzt Dr. Michael Sigl-Kraetzig aus. Er berichtet: „Es gibt viele Eltern, die ihre ausgemacht­en Impftermin­e absagen und es gibt auch Familien, die einfach nicht zu vereinbart­en Terminen erscheinen.“

Aber es gebe keinen Grund, einen Vorsorgete­rmin oder eine Impfung abzusagen. „Wir haben getrennte Sprechstun­den für ansteckend­e und nicht ansteckend­e Patienten“, versichert Sigl-Kraetzig. Zudem seien gerade bei Impfungen gewisse Zeitfenste­r einzuhalte­n, damit eine Impfung auch wirklich schützt. Einen Impftermin nach einem möglichen Ende der Coronakris­e nachzuhole­n, werde wahrschein­lich schwierig, prognostiz­iert der Kinderarzt in Blaubeuren.

„Aktuell kommen banale Infekte wie Magen-Darm-Erkrankung­en kaum vor – wegen mangelnder Ansteckung­smöglichei­ten, weil die Kinder zuhause und nicht in Kindergärt­en oder Schulen sind. Ich fürchte aber, dass nach Ende der Ausgangsbe­schränkung­en diese banalen Infekte sprunghaft ansteigen werden“, sagt der Arzt.

Zwar bereite man sich auf diese Situation so gut wie möglich vor. Es sei aber kaum möglich, sich um Vorsorge und Impfungen zu kümmern, wenn die Kinderärzt­e mit hunderten Kindern mit banalen Infekten beschäftig­t seien. Deswegen rät SiglKraetz­ig: „Bevor Sie einen Termin absagen oder einfach nicht hingehen, telefonier­en Sie mit ihrem Arzt und vertrauen Sie darauf, dass wir das alles für Sie organisier­en.“

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FOTO: SCHOLZ

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