Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Gesonderte Sprechzeiten sollen schützen
So praktizieren derzeit Ärzte rund um Laichingen mit Blick auf das Coronavirus
LAICHINGER ALB/BLAUBEUREN Lange nicht jeder, der in diesen Tagen eine Arztpraxis aufsucht, ist an Covid-19 erkrankt. Das sind wahrscheinlich die Allerwenigsten, und die werden ohnehin an die großen Kliniken verwiesen. Wer heuer zum Arzt geht, hat andere Krankheiten, Zahnweh oder kommt zur Vorsorge. Wir haben uns bei Medizinern rund um Laichingen umgehört.
Die hausärztliche Versorgung muss auch in Coronazeiten gewährleistet bleiben. Schließlich erkranken die Menschen auch an Erkältungen und anderen Infekten. Chronisch Kranke müssen von Zeit zu Zeit neu auf ihre Medikamente eingestellt werden und auch Impfungen sollte man wegen Corona nicht auf die lange Bank schieben.
Hausärztinnen wie Imke Niebel in Laichingen bieten beispielsweise zwei gesonderte Sprechstunden an: Vormittags kommen Menschen mit nicht ansteckenden Krankheiten. Da gibt es auch Termine für Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen und Blutentnahmen. Nachmittags bietet Niebel eine gesonderte „Infektsprechstunde“an, die auch als Videoschalte zum Beispiel auf dem Smartphone stattfinden kann.
Ähnlich geht auch Dr. Margit Lautenschläger, Allgemeinmedizinerin in Feldstetten, vor: Sie trennt die chronisch Kranken von den möglicherweise Infektiösen. Ein großes Schild vor ihrer Praxis weist darauf hin, dass Menschen, die glauben, sie hätten Corona, auf keinen Fall die Praxis betreten sollen. Sie bekommen die Zuweisung zu einem Coronatest auch nach einem Telefonat.
Lautenschläger appelliert an Patienten: „Bitte kommen Sie mit Verdacht auf Covid-19 nicht in die Praxis, sonst ist sie womöglich zu. Rufen Sie bitte vorher an.“
Lautenschläger schützt sich selbst und ihre Patienten, indem sie eine virendichte Maske bei den Untersuchungen trägt. Einen entsprechenden Vorrat hat sie sich privat besorgt. Eine zuvor gestellte Anfrage bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), woher niedergelassene Ärzte Schutzkittel und Masken bekommen, sei unbeantwortet geblieben. „Von der KV kam keine Hilfe. Das war aber auch nicht anders zu erwarten“, sagt die Ärztin, die die Praxis in Feldstetten im Jahr 1998 übernommen hatte.
Welche wirtschaftlichen Folgen die Coronakrise auf ihre Praxis haben wird, kann die 62-Jährige derzeit noch nicht absehen. Nur so viel: „Noch bis Ende März konnten wir uns vor Arbeit kaum retten. Jetzt ist es merklich ruhiger geworden. Das hat aber auch gute Seiten, weil wir Sachen aufarbeiten können, die in der hektischen Zeit zuvor liegengeblieben sind.“
Ohnehin treffen Umsatzrückgänge die Hausärzte zeitversetzt. Lautenschläger erklärt: „Wir bekommen eine Vergütung von den Krankenkassen, die sich am Umsatz des Vorjahresquartals orientiert. Wenn ein Quartal in diesem Jahr also schlecht war, merken wir das erst im kommenden Jahr.“
Bei Zahnärzten ist das ein wenig anders. Die Zahnärztliche Kassenvereinigung sieht ihre Mitglieder eher als Unternehmer, weswegen es keine Beschränkungen bei Kassensitzen gibt wie bei den Medizinern und den Psychotherapeuten, die der
KV angehören müssen. Zahnärzte können sich also nahezu überall in nahezu unbeschränkter Zahl ansiedeln, tragen aber auch ein höheres unternehmerisches Risiko.
Vor Ostern wurden Änderungen beschlossen, die Behandlungen beim Zahnarzt – Oralchirurgie, Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Kieferorthopädie – nur bei akuten Erkrankungen oder im Notfall zulassen.
So verfährt der Laichinger Zahnarzt ohnehin schon. Er hat alle nicht dringlichen Termine auf später verschoben und
Dr. Wolfgang Knupfer
sagt: „Für Notfälle stehen wir aber bereit. Wir sind in der Praxis zu erreichen, per Telefon und auch per EMail.“
Zahnärzte arbeiten in der Nähe des Rachenraums, wo sich das neuartige Coronavirus am liebsten einnistet. Deswegen bestehe der erste Schutz von Personal und Patienten im Nichtstun, sagt Knupfer und erklärt: „Wir verzichten auf alle Behandlungen, bei denen Sprühnebel entsteht wie Mundhygienesitzungen oder wo man – landläufig gesagt – bohrt.“Sind solche Behandlungen trotzdem notwendig, greift das Team zu Mundschutz, Schutzvisieren aus Plexiglas, Handschuhen und Kopfhäubchen, um das Risiko einer Ansteckung zu minimieren.
Die Versorgungslage mit Schutzmitteln schätzt Knupfer allenfalls als „mittelmäßig“ein. Man sei dazu übergegangen, Mundschutz im Backofen aufzubereiten. Aber das gehe auch nur begrenzt und die Preise für neue Masken seien massiv gestiegen.
Aktuell sei der Praxisbetrieb auf etwa ein Zehntel seiner Kapazität zurückgefahren, sagt Knupfer. Für sein Praxisteam habe er einen Antrag auf Kurzarbeit gestellt. Er hat 15 Angestellte, darunter mehrere Teilzeitkräfte. Nachdem im März sämtliche Fortbildungen und die Praxispflege absolviert wurden, werden jetzt Stundenkonten geführt.
Allerdings erwartet Knupfer, der hunderte geplante Termine absagen musste, dass diese in den kommenden Monaten nachgeholt werden. Deswegen habe er den Maiurlaub gestrichen und die so freiwerdende Zeit für die verschobenen Termine reserviert.
Gegen das coronabedingte Verschieben von Vorsorgeuntersuchungen und Impfterminen spricht sich der Blaubeurer Kinderarzt Dr. Michael Sigl-Kraetzig aus. Er berichtet: „Es gibt viele Eltern, die ihre ausgemachten Impftermine absagen und es gibt auch Familien, die einfach nicht zu vereinbarten Terminen erscheinen.“
Aber es gebe keinen Grund, einen Vorsorgetermin oder eine Impfung abzusagen. „Wir haben getrennte Sprechstunden für ansteckende und nicht ansteckende Patienten“, versichert Sigl-Kraetzig. Zudem seien gerade bei Impfungen gewisse Zeitfenster einzuhalten, damit eine Impfung auch wirklich schützt. Einen Impftermin nach einem möglichen Ende der Coronakrise nachzuholen, werde wahrscheinlich schwierig, prognostiziert der Kinderarzt in Blaubeuren.
„Aktuell kommen banale Infekte wie Magen-Darm-Erkrankungen kaum vor – wegen mangelnder Ansteckungsmöglicheiten, weil die Kinder zuhause und nicht in Kindergärten oder Schulen sind. Ich fürchte aber, dass nach Ende der Ausgangsbeschränkungen diese banalen Infekte sprunghaft ansteigen werden“, sagt der Arzt.
Zwar bereite man sich auf diese Situation so gut wie möglich vor. Es sei aber kaum möglich, sich um Vorsorge und Impfungen zu kümmern, wenn die Kinderärzte mit hunderten Kindern mit banalen Infekten beschäftigt seien. Deswegen rät SiglKraetzig: „Bevor Sie einen Termin absagen oder einfach nicht hingehen, telefonieren Sie mit ihrem Arzt und vertrauen Sie darauf, dass wir das alles für Sie organisieren.“