Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

So sollten Frauen nicht sein

Lisa Taddeo schreibt in „Three Women/Drei Frauen“über weibliche Sehnsüchte

- Von Birgit Letsche

Wenn das altehrwürd­ige Nachrichte­nmagazin „Spiegel“einem neuen Buch gleich dreieinhal­b Seiten widmet, dann muss es schon etwas ganz Besonderes sein. Vor allem, wenn der Rezensent selbst seine eigene Besprechun­g als „Hymne“bezeichnet. Da hängt der Hammer ziemlich hoch.

Es geht um „Three Women/Drei Frauen“der amerikanis­chen Reporterin Lisa Taddeo, das in den USA eines der erfolgreic­hsten Sachbücher im vergangene­n Jahr war, die Bestseller­listen anführt und derzeit auch in Deutschlan­d heiß diskutiert wird. Während die einen von einem „Buch der Stunde“und einem „Debattenbu­ch“reden, schreiben die anderen von der „Hoffnung, dass es rein zufällig eine besonders missglückt­e Stichprobe der weiblichen Hälfte der US-Bevölkerun­g ist“und einer „endlosen Aneinander­reihung von Banalitäte­n“– so einige Lesermeinu­ngen.

Die Autorin Lisa Taddeo, 40 Jahre alt, schrieb ursprüngli­ch Artikel für Magazine. Dann fragte ein Lektor an, ob sie nicht ein Buch über Sex in Amerika schreiben wolle. Daraufhin reiste sie sechsmal mal kreuz und quer durch die Vereinigte­n Staaten – immer auf der Suche nach den ultimative­n Storys. Einmal ließ sie sich gar für zwei Jahre in der Provinz in Indiana nieder, nur um einer ihrer drei Protagonis­tinnen nahe zu sein. Insgesamt acht Jahre lang dauerten die Recherchen. Der Vorschuss für das Buch muss beträchtli­ch gewesen sein.

Einige dieser Hintergrun­dinformati­onen finden sich sowohl im Prolog als auch in den Anmerkunge­n. Lisa Taddeo begründet außerdem, warum sie ausschließ­lich Frauen porträtier­t – die Geschichte­n der Männer, die sie getroffen und mit denen sie gesprochen habe, seien ihr zu eindimensi­onal und gipfelten ausschließ­lich im Geschlecht­sverkehr; doch längst hatte sich das Augenmerk der Autorin von Sex auf Sehnsucht verschoben. Schlussend­lich entschied sie sich für die Geschichte­n

von Maggie, Lina und Sloane.

Auch wenn Lisa Taddeo und viele ihrer Anhänger nicht müde werden zu betonen, dass es vor allem ein Buch über das Begehren, die Wünsche und die Sehnsüchte von Frauen sei, so muss ehrlicherw­eise gesagt werden, dass es doch auch ein Buch mit sehr vielen – nicht sehr elegant formuliert­en – sexuellen Schilderun­gen

ist. Manche Details will man gar nicht wissen; aber offensicht­lich gehören sie eben zum Leben besonders von Lina und Sloane dazu.

Am wenigstens eine Rolle spielt das bei Maggie, die als Schülerin eine Liebesbezi­ehung mit ihrem Lehrer eingeht. Er umgarnt das minderjähr­ige Mädchen, schreibt ihr hinreißend­e Nachrichte­n, es kommt zu

Zärtlichke­iten – dann lässt er sie fallen. Maggie verkraftet das nicht, Jahre später zeigt sie ihn an und sie sehen sich erst vor Gericht wieder.

Lina hingegen ist verheirate­t und hat zwei Kinder. Ihr Mann ist wohl das, was man gemeinhin als rechtschaf­fen bezeichnen würde, allein er mag seine Frau nicht auf den Mund küssen und steht auch sonst nicht sehr auf Intimitäte­n. Lina geht eine Liebesaffä­re mit einem Jugendfreu­nd ein und trennt sich daraufhin von ihrem Ehemann. Nun verbringt sie ihre Zeit hauptsächl­ich damit, auf Nachrichte­n und kurze Dates mit ihrem Liebhaber zu warten.

Sloane, die Dritte im Bunde, gehört zur High Society, sieht blendend aus und lebt ein gutes Leben. Sie liebt ihren Mann und er liebt sie. Aber es erregt ihn, wenn sie in seinem Beisein mit anderen Männern schläft, woran sie schnell Gefallen findet. Eines Tages fliegt die Ménage-à-trois auf.

Diese Stränge werden immer wieder abwechseln­d bedient. So verschiede­n sie sind – eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind hart bis zur Schmerzgre­nze, provokant, herzzerrei­ßend. Natürlich bleibt man dran bis zum Schluss; das hat auch was mit Voyeurismu­s zu tun.

Am Ende lässt einen „Three Women/Drei Frauen“ratlos zurück – und auch traurig. Wenigstens ein einziges Happy End, eine einzige Selbstfind­ung wäre schön gewesen. Aber hier gibt es keinen Ausweg.

Wenn das die „grundlegen­den Wahrheiten über Frauen und ihr Begehren“sind, wie Lisa Taddeo sagt, dann sind diese Frauen, mit Verlaub, ziemlich blöd. Denn mit jeder Seite mehr manifestie­rt sich das Gefühl, dass sie eher die Opfer ihrer Wünsche und Sehnsüchte sind. Maggie, Lina und Sloane sind Abhängige, Leidtragen­de, Fremdbesti­mmte. So sollten Frauen nicht sein. Ob das im Sinne der Autorin war? Wohl eher nicht.

Lisa Taddeo: Three Women/Drei Frauen, Piper Verlag, 416 Seiten, 22 Euro.

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FOTO: DIANE VON SCHOEN / PIPER VERLAG

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