Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wirten, Schaustellern und Händlern fehlen Millionen
2019 feierten 6,3 Millionen Menschen – Hotels und Gasthäuser darben jetzt besonders
ULM (sz/mö) - Der Ausfall des Oktoberfestes 2020 ist für die bayerische Landeshauptstadt auch in ökonomischer Hinsicht ein harter Schlag. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bezifferte am Dienstag den ökonomischen Wert des Festes auf 1,2 bis 1,3 Milliarden Euro. Zu den 440 Millionen Euro, die direkt auf dem Fest bei Schaustellern, Wirten und Budenbesitzern umgesetzt werden, kommen Übernachtungen, Gastronomieleistungen und Einzelhandelsumsätze bis hin zu Taxifahrten außerhalb der Theresienwiese. 70 Prozent der Gäste kommen aus Deutschland, 30 Prozent aus dem Ausland.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter hatten die Absage am Dienstag bekannt gegeben. „Es tut uns weh, es ist unglaublich schade“, sagte Söder. Ein Fest in der Größe, mit der Internationalität und unter den Bedingungen der Wiesn bedeute eine zu hohe Gefahr. Die Wiesn 2020 sollte vom 19. September bis zum 4. Oktober stattfinden, sechs Millionen Besucher aus aller Welt wurden erwartet. In Corona-Zeiten wäre die Ansteckungsgefahr auf dem Volksfest mit bis auf den letzten Platz besetzten Bierzelten und dem Gedränge in den Gassen zu groß, hieß es nun.
Etwa 13 000 Arbeitsplätze gibt es laut Wirtschaftsreferat auf dem Oktoberfest selbst. Dort werden nach Angaben der Stadt etwa 440 Millionen Euro umgesetzt. Die Festzelte dürften annähernd 300 Millionen Euro einnehmen, schätzte Ralf Zednik, Marktforscher bei Tourismus München vor der letzten Wiesn. Die Achterbahnen, Karussells und Verkaufsbuden auf der Wiesn dürften annähernd 140 Millionen Euro einnehmen. Alljährlich bewerben sich mehr als 1000 Schausteller und Marktkaufleute um einen Standplatz, nur die Hälfte wird zugelassen. Für die Wiesnwirte,
vor allem aber für die Schausteller und kleinen Geschäfte ist die Entscheidung eine Katastrophe. Nachdem den Gastronomiebetrieben und den Karussellbetreibern seit März das Geschäft weggebrochen ist, wird nun auch das Oktoberfest nicht mehr ihre leeren Kassen ein wenig füllen können.
Dabei ist das größte Volksfest der Welt für die meisten wirtschaftlich so etwas wie eine „g'mahte Wiesn“. 6,3 Millionen Menschen kamen 2019, tranken 7,3 Millionen Maß, verzehrten zusammen 124 Ochsen und 29 Kälber. Ganz zu schweigen von den Tausenden Hendln, Steckerlfischen, Würstln, Brezn und gebrannte Mandeln, die verzehrt wurden.
Während man davon ausgeht, dass die gut situierten Brauereien und Festwirte den Ausfall verkraften, sieht es für die SchaustellerBranche schlecht aus. Die Betreiber von Fahr- und sonstigen Vergnügungsgeschäften haben in diesem
Jahr noch so gut wie keine Einnahmen erzielt. Auch andere Feste wie das Straubinger Gäubodenfest wurden abgesagt. Andere Volksfeste müssten in Bayern in einem ähnlichen Zeitraum wie das Oktoberfest ebenfalls ausfallen, sagte Ministerpräsident Söder. Schausteller bleiben auf Nothilfezahlungen und Überbrückungskredite angewiesen. Auch für das bayerische Gastgewerbe ist die Absage des Oktoberfests eine Hiobsbotschaft. Denn praktisch jedes bayerische Hotel und Gasthaus ist nach Angaben des Verbandes durch die Corona-Krise inzwischen in Existenznot. Die 40 000 Betriebe beschäftigen 447 000 Menschen.
Ebenso bitter: Dem Einzelhandel dürften nach Schätzung des Handelsverbandes Bayern durch die Absage des Oktoberfests rund 200 Millionen Euro fehlen. Ausländische Besucher nutzen den München-Trip gern zum Shoppen, sagte ein Verbandssprecher.