Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
So sah das Kriegsende in Untermarchtal aus
Vor 75 Jahren war die Region unter anderem von Sprengungen der Brücken betroffen
UNTERMARCHTAL - Das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren war auch für den Raum Ehingen eine schlimme Zeit. Zwischen den Fronten abziehender deutscher Soldaten Richtung Oberschwaben und Allgäu und heranrückender Alliierten französischer und US-Truppen geriet auch die Bevölkerung in Bedrängnis. Tiefflieger am Himmel und Panzersperren an den Straßen waren Drohmittel beider Seiten.
Die abrückenden deutschen Soldaten hatten den Befehl, den Alliierten-Vormarsch aufzuhalten. Ein Mittel dagegen war die Sprengung von wichtigen Donaubrücken. Betroffen waren im Raum Ehingen zum Beispiel die Straßenbrücken in Untermarchtal, Munderkingen, Rechtenstein und Nasgenstadt sowie die Eisenbahnbrücken in Rechtenstein und Zwiefaltendorf. Eine Rolle der Heimatverteidigung spielte auch der Volkssturm. So war es ein Volkssturmhauptmann Satzenrot in Untermarchtal, der sich mit den Seinigen mit Waffengewalt gegen die Alliierten zur Wehr gesetzt hatte. Doch besonnene Bürger mit dem damaligen kommissarischen Bürgermeister Otto Mayer aus Munderkingen setzten den Hauptmann im Gepäckraum des Bahnhofs Untermarchtal fest, und zwar bis nach der Brückensprengung von Untermarchtals Donaubrücke im Morgengrauen des 22. April 1945.
Die Brückensprengung war vorausgesagt worden und viele Untermarchtaler Bürger wurden in den Luftschutzkeller von Matthäus Fischer an der Ehinger Straße eingewiesen. Der ehemalige Brauereikeller der ortsansässigen „Hirschbrauerei“war aber alles andere als ein sicherer Luftschutzkeller. Zeitzeugen erinnern sich noch an eine im Schutzkeller verweilende Dame. Sie hatte ihr komplettes Bett mitgebracht und verkroch sich in vier übereinander gelegten Federbetten.
Die Brückensprengung mit drei oder vier Fliegerbomben war nicht nur für die Brücke mit einem Totalschaden verbunden. Die Zerstörungskraft der Bomben hinterließ besonders an den Gebäuden links der Donau großen Schaden. Im Gasthaus „Hirsch“brannte der gesamte
Dachstuhl. Das Zehntscheuerdach, der Bahnhof und weitere nahe Gebäude sowie auch auf der Berg- und Haldenstraße wiesen an den Dächern große Schäden auf. Glimpflich kamen die Häuser rechts der Donau davon. Dort waren die Lazarette im Kloster untergebracht. Ein bis heute erhaltenes Überbleibsel von der Brückensprengung ist eine gut sichtbare Beschädigung des Bahnsteigzauns in Höhe der Zehntscheuer.
Was aber die Brückensprengung noch mit sich brachte, war die Zerstörung der Wasserversorgung des gesamten Wohngebiets links der Donau. Mit Feuerwehrschläuchen über die Ruinen der zerstörten Brücke wurden Versorgungsleitungen behelfsmäßig verlegt. Fußgänger wurden von einem Ufer zum anderen mit dem Fischerboot von Lindenwirt
Max Häckler befördert. Außerdem wurde eigens ein Seilzug über den Fluss gespannt. Hausbesitzer wurden von der Gemeinde mit Brettern aus Beständen der Sägerei Fidel Endele aus Obermarchtal zur Dachrenovierung versorgt.
Am gleichen Tag wurden auch die Donaubrücken in Munderkingen, Rechtenstein und Nasgenstadt gesprengt. In Algershofen konnte ein Zivilist die Zündschnur von der Sprengladung an der Brücke entfernen. Ein gelungenes aber sehr riskantes Unternehmen.
In Untermarchtal verlangten französische Streitkräfte den Bau eines Notstegs. Andernfalls drohten sie mit der Beschießung des Dorfes. Die hatte man mit der kampflosen Übergabe vermieden, war Untermarchtal doch voll von
Menschen und besonders in den Klostergebäuden mit drei Lazaretten über tausend Soldaten dort einquartiert. Da beugten sich die Bürger der Drohung der Franzosen. Diese haben dann kurz nach der Einnahme des Ortes ihre Besatzungssoldaten gegen BrückenbauPioniertruppen ausgetauscht. Die ersten Besatzungssoldaten waren meist marokkanische „Kolonialtruppen“der Franzosen. Denen ging kein guter Ruf voraus.
Frauen und Mädchen diente damals das Kloster als Zufluchtstätte. Im Rathaus hatte man neben der alltäglichen Daseinsvorsorge noch eine „ungeheure, bedrückende Last“mit den Lazaretten. Soldaten die genesen waren, mussten in Gefangenschaft und wurden von der im Rathaus aufbewahrten Listen gestrichen.
Schnell wurde eine Notbrücke über die Donau gefordert, französische Pioniere planten und bauten diese mit Unterstützung deutscher Hilfskräfte. Landwirte wurden mit ihren Fahrzeugen zum Anfahren von Holz für die Brücke verpflichtet. Der Munderkinger Zimmermeister Josef Hermann, ein Arbeiter im Kloster, war mit den Franzosen am Bau der Holz-Notbrücke wesentlich beteiligt. Von Mai bis Mitte Juli 1945 wurde die Notbrücke fertiggestellt. Bereits im November 1950 bestand höchste Einsturzgefahr dieser Brücke. Hochwasser schwemmte große Mengen Treibholz an. Fünf Tage war kein Verkehr über die Brücke erlaubt. Die Brücke wurde bis 1952 erhalten, bis dann eine neue Stahlträgerbrücke gebaut wurde. Diese musste dann noch bis Ende 1953 den Verkehr der B 311 durch das Dorf aushalten. Dann war das Donauviadukt fertiggestellt und eine neue Zeitrechnung von Untermarchtals Donaubrücken begann. Ebenfalls wurden neue Donaubrücken in Rechtenstein und Nasgenstadt 1952 übergeben. Die zerstörten Eisenbahnbrücken in Rechtenstein, Zwiefaltendorf und Zell der Donautalbahn wurden bis Dezember 1947 wiederhergestellt. Damit war die Strecke Ulm – Sigmaringen wieder durchgängig befahrbar.
Die Munderkinger Donaubrücke – eine im Jahre 1894 gebaute Brücke in technischer Meisterleistung mit einem einzigen Brückenbogen die Donau überspannend – wurde auch Opfer am Ende des Krieges. Als Notbrücke behalf man sich dort mit einer Holznotjochbrücke, der sogenannten Angerbrücke 250 Meter donauabwärts. 1948 wurde die neue und jetzige Brücke wieder aufgebaut.
Der kommissarische Munderkinger Bürgermeister Otto Mayer legte sein Amt noch 1945 nieder. In Untermarchtal wurde sein Nachfolger Hans Wiedmann, ein Stuttgarter Hotelfachmann. Er war während des Umsturzes im Untermarchtaler Lazarett. Er besaß die Gunst der Stunde und wurde von der örtlichen Kommandantur von den Franzosen eingesetzt. Seine Kenntnis in französischer Sprache soll den Ausschlag gegeben haben. Er war dann Untermarchtals Bürgermeister bis 1949. Im folgte in freier Wahl Helmut Winter.