Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Assads Schergen in Koblenz vor Gericht
Zwei mutmaßliche syrische Folterer müssen sich vor einem deutschem Gericht verantworten
KOBLENZ (dpa) - Der Kontrast könnte kaum größer sein: Draußen strahlt die schöne Frühlingssonne, drinnen reihen zwei Ankläger einen Foltervorwurf an den anderen, eine Dreiviertelstunde lang. Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und ganz im Zeichen des hochansteckenden Coronavirus hat am Donnerstag ein Prozess mit historischer Dimension vor dem Oberlandesgericht Koblenz begonnen.
Die Bundesanwaltschaft spricht vom „weltweit ersten Strafverfahren gegen Mitglieder des Assad-Regimes wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit“. Der syrische Präsident Baschar al-Assad soll in seinem Bürgerkriegsland für eine grausame Folter-Maschinerie verantwortlich sein. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) verweist auf die historische Dimension des Strafprozesses: „Erstmals werden tausendfache schreckliche Folterungen und Misshandlungen vor einem unabhängigen Gericht in Deutschland verfolgt. Hiervon geht die klare Botschaft aus: Kriegsverbrecher dürfen sich nirgendwo sicher fühlen.“
Die beiden Syrer sind nach ihrer Flucht in Deutschland von mutmaßlichen Opfern erkannt und im Februar 2019 in Berlin und im pfälzischen Zweibrücken festgenommen worden. Die Anklage wirft Anwar R. Verbrechen
gegen die Menschlichkeit 2011 und 2012 vor. Sie legt ihm 58-fachen Mord, Vergewaltigung und schwere sexuelle Nötigung in Syrien zur Last. Eyad A. ist wegen Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit 2011 angeklagt. Anwar R. soll in einem Gefängnis in der syrischen Hauptstadt Damaskus in leitender Funktion für die brutale Folter von mindestens 4000 Menschen verantwortlich gewesen sein. Mindestens 58 Gefangene seien an den Folgen gestorben. Eyad A. wird vorgeworfen, mindestens 30 Demonstranten in das Foltergefängnis gebracht zu haben.
Die Angeklagten hören scheinbar unbewegt zu. Laut der Bundesanwaltschaft sollen sie sich inzwischen vom Assad-Regime abgewandt haben.