Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Schweinsbraten mit Sicherheitsabstand
Ulms OB Czisch ist Gastgeber beim Treffen zwischen Kretschmann und Söder
ULM - Ein Stück Zeitgeschichte in dieser Krisenzeit. So nennt Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch das Treffen der Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg im Ulmer Rathaus. Gerade in der Doppelstadt Ulm/Neu-Ulm, die er und andere inzwischen gerne Zweilandstadt nennen, sei es wichtig, dass im Kampf gegen die Pandemie die gleichen Regeln gelten.
Noch vor ein paar Tagen hatte man in Neu-Ulm ein Eis kaufen und in Ulm in den Baumarkt gehen können. Das ist vorbei. Und auch die anderen Einschränkungen und Vorgaben kommen Schritt für Schritt auf den gleichen Stand.
Ein bisschen Folklore gehört wohl dazu. Markus Söder trägt beim Treffen in Ulm am Donnerstatg eine blauweiße Rautenmaske, Gunter Czisch eine in den Stadtfarben Schwarz und Weiß. Und Winfried Kretschmann hat sich hellgelb maskiert, auf seinem Mundschutz steht „Wir halten zusammen, auch mit Abstand“. Die Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg haben bei einem Mittagessen das weitere Vorgehen der Länder abgestimmt. Im Amtszimmer von Ulms Stadtoberhaupt Czisch, der bei der Besprechung draußen blieb.
Serviert wurde Schweinsbraten mit Spätzle, Biersoße und Sicherheitsabstand. Das Essen sei gut gewesen, lobt Söder später in seiner Stellungnahme, die per Video-Stream übertragen wird. Schreibende Journalisten dürfen das Rathaus nicht betreten, auch das aus Sicherheitsgründen. Erst später am Nachmittag, zur Sitzung des Hauptausschusses, sperren städtische Mitarbeiter die Türen auf. Bevor Söder und Kretschmann vor die Kameras treten, haben sie sich ins Goldene Buch der Stadt eingetragen. Ein Stück Zeitgeschichte eben.
Die beiden Spitzenpolitiker betonen ihre Einigkeit und das gemeinsame Vorgehen – trotz einzelner Unterschiede. Er habe mitbekommen, dass Ulmer Baumärkte gefragt waren, während sie in Neu-Ulm noch geschlossen bleiben mussten, sagt Söder. Doch man müsse ja nicht immer alles gleichzeitig machen. Und auf die eine Woche komme es dank der staatlichen Finanzhilfen bei den Unternehmen nicht an. Den Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung, den die Industrieund Handelskammer (IHK)
Schwaben gemacht hat, weist er zurück: „Diese eine Woche sehe ich nicht als extremen Wettbewerbsnachteil“, betont der Ministerpräsident.
Aufsehen erregt haben nicht nur die Unterschiede bei den Geschäften in Ulm und Neu-Ulm. Die Bekleidungskette Wöhrl hat erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen durchgesetzt, einen abgegrenzten Teil der Geschäftsfläche ihrer Filiale in der Hirschstraße öffnen zu dürfen. Daraufhin, sagt Winfried Kretschmann, habe Baden-Württemberg die Regeln geändert. Jetzt dürfen nicht nur Läden mit bis zu 800 Quadratmetern Fläche öffnen. Auch größere Geschäfte dürfen nun aufsperren, wenn sie einen entsprechend großen Bereich abtrennen.
Beide Regierungschefs betonen aber, dass sie die Entscheidung eigentlich falsch finden und lieber nur kleinere Flächen erlaubt hätten. Kretschmann: „Man muss da immer Kompromisse machen.“
Ulms OB Gunter Czisch sagt dazu: „Mir war klar, dass das schwierig wird.“Die Unterscheidung könne man ja keinem erklären, es gebe keine sachliche Begründung. Nun habe man Klarheit, das sei gut. „Es hätte nicht unbedingt bei uns sein müssen“, schränkt er ein.
Auch der Ärger um die Firma Müller, die unter anderem das Kaufhaus Abt geöffnet ließ, ist beigelegt. Die Stadt, sagt Czisch, sei mit mehreren Firmen wegen Ladenöffnungen im Dialog gewesen. „Wir wollen nicht mit Cowboystiefel und Colt durch die Stadt laufen“, betont Czisch. Man habe auf die Einsicht gesetzt, mit Erfolg. Das hätten auch die Firmen eingesehen. Alles andere, glaubt Czisch, wäre rufschädigend und damit auch geschäftsschädigend gewesen. Der Oberbürgermeister denkt jetzt vor allem an die Aufgaben, die noch kommen: Wie lassen sich Schulbetrieb und Notbetreuung regeln?
Und dann ist da ja noch eine Branche, die besonders hart getroffen ist: Gastronomie und Hotellerie. Söder verweist auf Österreich. Dort wolle man diese Betriebe frühestens Mitte Mai öffnen, Bayern sei immer zwei Wochen hintendran. Große Hoffnungen will er den Betrieben nicht machen, Termine will er nicht nennen. Nur so viel: Bayern und Baden-Württemberg seien Urlaubsregionen. Und wenn es im Sommer Reisen gebe, dann am ehesten im eigenen Land.