Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Was schön blüht, ist nicht immer das Beste
Blühstreifenwanderung des Vereins Blühende Alb in Strohweiler handelt von Insekten und findet Anklang
RÖMERSTEIN - Auf großes Interesse ist die Blühstreifenwanderung des Vereins Blühende Alb gestoßen. Zahlreiche Landwirte, Naturschützer und viele landwirtschaftlich Interessierte sind der Einladung des jungen Vereins gefolgt und haben sich beim landwirtschaftlichen Betrieb von Peter Werner in Strohweiler die verschiedenen Varianten von Blumenstreifen entlang der landwirtschaftlichen Felder zeigen und erklären lassen.
Und dabei erfahren, dass es gar nicht so einfach ist, ein blühendes Insektenparadies zu schaffen. „Wir wollen an die Wildbienen ran, nicht an die Honigbiene“, erklärt Peter Werner. Wildinsekten können nur wenige Meter weit fliegen und müssen in diesem Umkreis Nahrung, Nistmaterial und Unterschlupf finden können. „Deshalb setzen wir auf Vernetzung“, sagt Werner. „Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft ergeben sich immer größere Flächen, was sicherlich auch ein Grund für das Insektensterben ist,“räumt Kollege Thomas Pfeifle aus Steingebronn vom Projekt „Blühende Alb“ein. Die Landwirtschaft bewirtschaftet etwa die Hälfte der Landesflächen und das Projekt möchte zeigen, dass die Bauern aus eigenem Antrieb und im Grunde ohne eigenen wirtschaftlichen Nutzen etwas gegen das Insektensterben unternehmen wollen – ganz nach dem Motto: „Schimpft nicht auf die anderen, sondern schaut, was ihr selber machen könnt“.
Rund 150 Landwirte, sieben Gemeinden und einige Schulen machen etwas, sie haben sich der Aktion bereits angeschlossen. Entlang von Ackerrändern sollen breite Blumenstreifen angelegt werden, die im besten Fall alle miteinander vernetzt sind. „Da freuen wir uns über jeden, der mitmacht. Ein Blühstreifen ist super, je mehr Streifen, desto besser“, sind sich Werner und Pfeifle einig. Ziel wäre es, setzt man alle Blühstreifen aneinander, von der
Alb bis nach Berlin zu erreichen. Aktuell komme man locker nach Stuttgart und nächstens auch bis nach München – im übertragenen Sinne.
Was sich in der Theorie so einfach anhört, ist recht aufwändig in der Praxis umzusetzen: Unzufrieden betrachtet Peter Werner seine Versuchsblühstreifen in der Nähe seines Betriebes an der Grabenstettener Straße in Strohweiler. „Die mehrjährigen Blumen, vor allem die Wildpflanzen, wollen dieses Jahr nicht so recht wachsen“, bedauert er. Während Kulturpflanzen wie die blaue Phacelia oder die Kornblume robuster sind, tauchen die einheimischen Sorten noch gar nicht auf – und genau diese wären so wichtig für die einheimischen Insekten, die sich häufig auf einzelne Blumenarten spezialisiert haben.
„Vielleicht im nächsten Jahr“, hoffen die Landwirte. „Da müssen wir nochmal ran an die Sortenzusammensetzung. So können wir damit nicht in die Fläche gehen.“Die Gäste erfahren bei dem etwa zweistündigen Spaziergang entlang mehrerer Blühflächen viel über Aussaatzeitpunkte, Bodenzusammensetzungen, den Einfluss von Wetter und Klima auf die Pflanzen und nicht zuletzt die politischen Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft.
Noch ein weiterer Aspekt ist den Landwirten wichtig: „Wir produzieren hochwertige Lebensmittel. Nur von Blumenwiesen können wir unsere Betriebe nicht erhalten, zudem muss die regionale Lebensmittelsicherheit gegeben sein.“Und: „Unser Getreide kommt später in den gleichen Topf. Egal ob aus dem Ausland oder von Äckern ohne Blühstreifen. Da müssen wir von der Qualität her mithalten können.“
Denn eines ist ebenso klar: „Wir säen ja mit den Blühstreifen Unkraut. Schwierig wird es, wenn die Pflanzen unerwünscht ins Feld abwandern. Das bedeutet erhöhten Aufwand“, macht Peter Werner deutlich. So empfehlen die Landwirte, die eng mit Biologen, Naturschützern, Unis und auch der Biosphärengebietsverwaltung zusammenarbeiten, eine Fruchtfolge mit Kleegras. Dann würden im Acker unerwünschte Pflanzen durchs Mähen wieder zurückgedrängt. Ein weiterer Aspekt ist die Toleranzgrenze von Landwirten aber auch der Bevölkerung. Denn was schön blüht, muss nicht immer das Beste für Insekten sein und optimale Lebensräume für Insekten sind vor allem im Herbst und Winter sehr unansehnlich. „Das ist eine richtige Gratwanderung zwischen schön und nützlich“, sagt Thomas Pfeifle. Für wichtig hält er es, dass die Öffentlichkeit gut über die Hintergründe der einzelnen Maßnahmen informiert wird. Daher stehen an den Äckern mit den Blühstreifen Info-Tafeln, die gerne gelesen werden dürfen.
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