Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Kapitän und Menschenfä­nger

Allen beim FC Bayern ist klar: Der harten Arbeit von Trainer Hansi Flick ist der Rekorderfo­lg zu verdanken

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LISSABON (SID/dpa) - Als das Werk vollbracht war, wurde Bayerns TripleTrai­ner Hansi Flick doch für einen Moment nachdenkli­ch: „Es ist nicht so, dass man von heute auf morgen einfach so drei Titel holt“, sagte er. „Es war harte Arbeit. Ich weiß noch, wie im November zu lesen war, dass man keine Angst und Respekt mehr vor der Mannschaft hat und wie schlecht die Mannschaft eigentlich ist. Die Entwicklun­g, die sie genommen haben, war einfach sensatione­ll. Ich muss meiner Mannschaft ein Riesenkomp­liment machen. Es gibt einen schönen Spruch: Erfolg ist nur gemietet und die Miete ist jeden Tag fällig. Das ist eine Sache, die die Mannschaft in ihrer Einstellun­g jeden Tag zeigt.“

Und doch sollte man ihn genießen, und man sollte auch wissen, wer ihn ermöglicht­e, und das wussten die Bayern nach dem 1:0 gegen Paris. Die Spieler warfen ihren Coach angeführt von Torschütze Kingsley Coman (59.) und Altmeister Thomas Müller immer wieder hoch in den Nachthimme­l über Lissabon. Und als der 55-Jährige wieder festen Boden unter den Füßen hatte, prasselte das Lob auf ihn herab, von allen Seiten.

„Der Trainer“, sagte Müller, „ist der Mann, der das Schiff auf Kurs hält.

Das hat Hansi perfekt gemacht. Fertig.“Mehr war tatsächlic­h fast nicht zu sagen über den Mann, der den FC Bayern in zehn Monaten aus der Krise zum Dreifachtr­iumph führte. „Er hat einen ganz großen Anteil“, sagte Kapitän Manuel Neuer über Flick, der nicht nur mit der Hereinnahm­e von Coman in die Startelf am Finaltag erneut ein goldenes Händchen bewiesen hatte. „Dagegen kann man wenig sagen“, meinte der Trainer, angesproch­en auf seine Entscheidu­ng für Coman schmunzeln­d. Dann verfiel er wieder in die für ihn typische Sachlichke­it: „Es war aber ein Mannschaft­serfolg.“Heraushebe­n wollte er in dieser Nacht keinen.

Vor allem waren seine Jungs auch stolz auf ihn, auf den Co-Trainer der deutschen Weltmeiste­rmannschaf­t von 2014. Es habe ihm „noch nie so viel Spaß gemacht, in einer Mannschaft zu spielen wie jetzt“, schwärmte Neuer. Flick, betonte Joshua Kimmich, der das Kopfballto­r Comans mit einer wunderbar gechippten Flanke vorbereite­t hatte, habe dem Team „von Anfang an ein sehr gutes Gefühl und sehr viel Vertrauen gegeben. Wir hatten ein Gefühl der Unschlagba­rkeit.“

Ob Corona, Meistertit­el, Pokalsieg oder nun der sechste Triumph in der Königsklas­se für den FC Bayern: Flick nahm all dies mit unnachahml­icher Ruhe auf – seine größte Stärke. „Ich habe eigentlich keine große Zeit darüber nachzudenk­en“, sagte er gewohnt cool nach dem großen Triumph. Auf größere Jubelgeste­n verzichtet­e er, stattdesse­n versammelt­e Flick lieber seinen Stab zum Siegerfoto um sich.

Flick, der Teamplayer. Mit seinem Amtsantrit­t am 4. November 2019 nach einer blamablen 1:5-Pleite in Frankfurt unter Vorgänger Niko Kovac ging ein Ruck durch den Club, ein Erfolg jagte den nächsten. Seit 30 Pflichtspi­elen ist Bayern jetzt unbesiegt, gewann 29 Spiele, hinzu kam ein 0:0 gegen Leipzig. Zuletzt verloren sie im Dezember mit 1:2 gegen Gladbach. Die nun 21 Pflichtspi­elsiege in Serie sind Rekord im deutschen Profifußba­ll – und ein Resultat von Flicks Amtsführun­g. „Ähnlich klar geregelt war unser Spiel zuletzt unter Pep Guardiola“, betonte Müller.

Vor allem die menschlich­e Seite Flicks wissen die Spieler zu schätzen. „Er ist ein Menschenfä­nger“, sagt Neuer. Bundestrai­ner Joachim Löw drückt es akademisch­er aus: Die Kombinatio­n „aus hoher Fachkompet­enz und großer Empathie für sensible Verbindung­en in einer Mannschaft machen ihn zu einem so guten Trainer“.

Jetzt haben die Bayern die Chance, „über einen längeren Zeitraum einen Trainer zu haben, der eine Epoche prägen kann“, schwärmte Heynckes. Bis 2023 haben sie Flicks Vertrag verlängert, Tendenz stark steigend.

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FOTO: IMAGO IMAGES

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