Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Skatende Pastoren

Maximilian Bode und Christophe­r Schlicht teilen sich in Bremerhave­n eine Kirchengem­einde – und ihr Faible für unkonventi­onelle Wege

- Von Janet Binder

BREMERHAVE­N (dpa) - Maximilian Bode hat lila Haare, Christophe­r Schlicht ein auffällige­s Tattoo am linken Arm, beide tragen gerne Basecap, fahren Skateboard und hören auch mal Techno und Metal. Kurz gesagt: Der 29- und der 31-Jährige sind ganz normale junge Menschen – oder doch nicht? Die beiden Freunde sind Pfarrer einer evangelisc­hen Kirchengem­einde in Bremerhave­n, im Sommer übernahmen sie nach Theologies­tudium und Vikariat die Leitung der Emmausgeme­inde in Grünhöfe – das Quartier gilt als sozialer Brennpunkt mit hoher Kinderarmu­t in der Nordseesta­dt. Die Stelle war seit mehr als einem Jahr unbesetzt, nun teilen sich die beiden die Arbeit. Und bringen dabei viel frischen Wind in den Kirchenall­tag.

„Wir passen in den Stadtteil“, sagt Christophe­r Schlicht. In den Gottesdien­sten tragen die beiden Jeans statt Talar. Nur das Kollarhemd mit dem weißen Kragen weist darauf hin, dass sie Geistliche sind. Nach dem Gottesdien­st lässt Christophe­r Schlicht sich gerne die neuesten Tattoos der Besucher zeigen, Maximilian Bode tauscht schon mal Tipps für Haarfärbem­ittel aus. Doch den beiden geht es nicht nur um Äußerlichk­eiten.

Beide predigen vor dem Altar, die Kanzel haben sie noch nie betreten. „Wir wollen nicht von oben herab kommen“, sagt Maximilian Bode. Im Gottesdien­st ist selten eine Bachkantat­e von der Orgel, häufig aber christlich­e Live-Popmusik von der „Social Soulband“zu hören. Planungen für Gottesdien­ste mit Techno- und Metal-Musik laufen bereits. „Wir wollen mit Kirchengew­ohnheiten brechen“, sagt Maximilian Bode, der sich Pastor Max nennt und nicht: Pastor Bode.

Auch im Internet sind die beiden aktiv, übertragen ihre Gottesdien­ste live, chatten, laden kurze Filme mit dem Titel „Frag die Captains“hoch. Darin erklären sie auf witzige Art zum Beispiel, wie man einen Schoko-Erdnuss-Brotaufstr­ich selber macht (ganz einfach: Schoko-Erdnuss-Riegel in der Sonne liegen lassen). Gerade in Corona-Zeiten sei es wichtig, die Kirche zu den Menschen zu bringen – dafür haben die beiden Pastoren den Slogan #Zuhausekir­che kreiert. Ihre Art kommt in der 2700 Mitglieder zählenden Gemeinde gut an. Die Pastoren werden beim Einkaufen angesproch­en oder im Dönerladen, ihr „Dienstfahr­zeug“ist das Skateboard. „Das Skateboard öffnet die Herzen und die Neugier“, sagt Christophe­r Schlicht.

In die Gottesdien­ste dürfen coronabedi­ngt zurzeit nicht mehr als 40 Besucher. Weil die inzwischen locker erreicht werden, müssen Stühle in den Flur gestellt werden. Die Besucher kommen mit Jogginghos­e und Kappe auf dem Kopf, Kinder laufen herum. „Wenn man ein Wort nicht hören wird bei uns, dann ist es ,psst‘“, sagt Pastor Chris. „Gottesdien­ste sollen gefühlvoll und lustig sein.“

Das Skateboard lassen die Pastoren beim Gottesdien­st vor der Tür. Damit zum Altar zu fahren, wäre dann doch zu sehr eine „Max-und-ChrisShow“,

sagen sie. Das machen sie nur fürs Foto. Stolz sind sie darauf, dass sie in ihrer kurzen Dienstzeit schon zwei Neumitglie­der gewinnen konnten. Die Bilanz des letzten Monats: ein Austritt, zwei Eintritte.

Normalerwe­ise sehen die Zahlen anders aus: 2019 traten etwa 270 000 Menschen aus der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD) aus, 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Dazu kommt, dass sich bei den Protestant­en laut Religionss­oziologe Detlef Pollack 70 Prozent der Mitglieder nicht am kirchliche­n Leben beteiligen. Der EKD-Ratsvorsit­zende Heinrich Bedford-Strohm betonte bei der Vorstellun­g der Zahlen im Juni: „Die Kirche will sich verändern und tut dies jetzt schon.“

Pastor Max und Pastor Chris gehören zu diesem Wandel. Ihr buntes Auftreten ändert aber nichts daran, dass sie ihren Job sehr ernst nehmen. „Ich liebe es, von Gott zu erzählen“, sagt Christophe­r Schlicht. „Die Botschaft bleibt dieselbe, nur die Form ist anders.“

Die Freunde lernten sich im Studium kennen – ihre Idee war es, sich im dreijährig­en Probediens­t eine Pastorenst­elle zu teilen. „Halbes Geld, aber voller Bock“, sagt Pastor Max dazu. Im Team zu arbeiten, bedeute weniger Stress. „Das ist es uns wert.“Schlicht wohnt im Pfarrhaus, Bode hat sich eine Wohnung in einem der Häuserbloc­ks gemietet.

Pastor Benjamin Simon-Hinkelmann, Sprecher der Landeskirc­he Hannover, sagt, die beiden seien perfekt für die Gemeinde. „Die beiden wollten Kirche ganz neu denken“, sagt er. Und das könnten sie. „Es gibt dort keine klassische Kirchenkli­entel. Man muss neue Wege gehen.“

Pastor Max und Pastor Chris gehen diese mit dem Skateboard.

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA

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