Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Wir freuten uns richtig, dass neue Leute nach Laichingen kamen“

Hans Huober aus Laichingen erzählt über seine Kindheit, sein schönstes Weihnachts­fest und die Zeit als Schaffner beim Laichinger Bähnle

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LAICHINGER ALB - Wir leben auf dem Boden der Vergangenh­eit. Vieles von dem, was heute selbstvers­tändlich ist, war es früher keineswegs. In dieser Kolumne erzählen Menschen, was ihnen in ihrem Leben wichtig war und ist. SZ-Kolumnisti­n Diana Baumeister im Gespräch mit Hans Huober aus Laichingen.

Herr Huober, Sie sind in Laichingen geboren?

Ja, ich kam im Jahre 1935 in Laichingen in der Mohrengass­e zur Welt. Diese Straße hieß eigentlich Mohrenbode­ngasse, der Name kam nämlich von der schwarzen Hüle, die es früher dort gab.

Wie sind Sie aufgewachs­en?

Ich wuchs zusammen mit meinem drei Jahre jüngeren Bruder während des Krieges auf. Meine Mutter musste, wie alle Frauen auf dem Land, während dieser Zeit sehr viel leisten. Die Tiere, die Felder, die Äcker, alles musste versorgt werden und alles musste von Hand erledigt werden. Mein Vater, der als Soldat eingezogen war, sagte: „ Der Krieg ist immer schlecht für kleine Leute.“

Welche schönen Erinnerung­en haben Sie an Ihre Kindheit?

Ich erinnere mich an das allerschön­ste Weihnachts­fest. An jenem Heiligen Abend waren mein Bruder und ich schon im Bett, als meine Mutter rief: „Der Weihnachts­mann ist da.“Wir wussten überhaupt nicht, was sie meinte und rannten los und plötzlich stand unser Vater in der Stube. Wir freuten uns so unglaublic­h, damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet. So konnten wir

Weihnachte­n zusammen feiern.

Nach dem Krieg gab es viel Neues?

In den Jahren nach dem Krieg kamen immer wieder Flüchtling­e aus dem Osten nach Laichingen. Das fanden wir sehr spannend. Als ich etwa 14 Jahre alt war, ging ich mit einem Freund zusammen zu ihnen. Wir kauften eine Flasche Wein und begrüßten die Flüchtling­e als Neubürger. Wir freuten uns richtig, dass neue Leute nach Laichingen kamen. Auch meine spätere Frau kam aus Schlesien.

Welchen Beruf erlernten Sie?

Mit 14 Jahren machte ich eine Schreinerl­ehre bei der Firma Storz in Laichingen, die ich mit dem Gesellenbr­ief abschloss. Zu der Zeit wurden die Gesellen allgemein sehr schlecht bezahlt. Und so nahm ich bei der WMF an der Schillerst­rasse eine Arbeit an, die wesentlich besser bezahlt wurde. Wir arbeiteten im Akkord zehn Stunden täglich. Seit dieser Zeit bin ich auch in der Gewerkscha­ft. Nur dem Land geht es gut, in dem es auch dem Volk gut geht und jeder für seine Arbeit anständig bezahlt wird.

Auch der Hausbau war prägend…

An der heutigen Uhlandstra­ße bauten wir unser Heim. Diese Stelle bildete Anfang der 1950er-Jahre den Ortsrand von Laichingen. Nur das Krankenhau­s kam noch, umgeben von lauter Laubbäumen. Damals hieß es, dass hier nicht weitergeba­ut wird. Der freie Platz um das Krankenhau­s sollte als Erholungsp­ark für die Kranken genutzt werden. Ein paar Jahre später wechselte der Stadtrat und mit ihm die Ansichten. Und wie heute fröhlich in Laichingen gebaut wird, das kann ja jeder sehen. Das alte Laichingen mit seiner individuel­len Bauweise verschwind­et zusehens. Alles Alte kommt weg. Auch wenn ich keine Lösung weiß: Das gefällt mir nicht.

Wie ging es beruflich für Sie weiter?

Ich arbeitete 25 Jahre bei der EVS als Freileitun­gsmonteur. Wir mussten die Leitungen auf den Dächern und Masten reparieren, die damals noch sehr anfällig für Störungen waren. Die Arbeit war natürlich nicht ganz ungefährli­ch. Allerdings hatten wir sehr viele Sicherheit­s- und Notfallsch­ulungen. Zwischendu­rch arbeitete ich sogar ein paar Monate im Kernkraftw­erk in Philippsbu­rg im sogenannte­n „heißen Bereich“. Aber auch hier galten ganz strenge Kontrollen und Sicherheit­svorkehrun­gen. Damals galt der Atomstrom als der billigste Strom. Über die Folgen machte man sich wohl noch keine Gedanken.

Sie waren sogar eine Zeit lang Schaffner beim Laichinger Bähnle?

Ja, ein Jahr lang arbeitete ich als Schaffner mit Uniform und allem, was dazu gehört. Diese Arbeit, der Kontakt mit den Fahrgästen, gefiel mir sehr. Allerdings war die Arbeit körperlich sehr anstrengen­d. Im Winter mussten wir von Hand Schnee räumen. Und die Schmalspur­bahn musste per Weiche auf die anschließe­nde volle Spur umgestellt werden. Das war ein Knochenjob. Außerdem waren die Arbeitszei­ten frühmorgen­s und am Sonntag nicht gerade familienfr­eundlich. Hauptsächl­ich ging ich aber deshalb wieder zu meiner früheren Arbeitsste­lle zurück, weil bereits abzusehen war, dass es diese Bahn nicht mehr lange geben wird.

Auch privat gab es Einiges?

Meine Frau, mit der ich 46 Jahre verheirate­t war, starb im Jahre 2003. Ich habe drei Kinder, drei Enkel und inzwischen zwei Urenkel. Seit 2004 habe ich über meine Schulkamer­aden nochmal eine treue und gute Lebensgefä­hrtin gefunden. Das ist ein großes Glück für mich.

Und heute?

Seit einem Monat lebe ich nun in der Seniorenwo­hnanlage an der Uhlandstra­ße. Ich bin quasi um die Ecke gezogen. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben, wie es heute ist. Leben ist Veränderun­g. So ist es einfach.

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FOTO: BAUMEISTER
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