Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Sputnik V“: Umstrittener Impfstoff aus Illertissen?
R-Pharm gehört russischem Milliardär – Herstellung von Medikamenten hat in Illertissen lange Tradition
ILLERTISSEN (rau/sz) - Weltkonzerne und Weltmächte wetteifern derzeit um die schnellste Entwicklung eines Impfstoffes gegen Covid-19. Doch halten sich auch alle an die Spielregeln? In Russland soll es Forschern erstaunlich schnell gelungen sein, einen solchen zu entwickeln. Der Name: „Sputnik V“. Westliche Forscher haben Zweifel. Mittendrin offenbar eine eher unbekannte Pharmafirma in Illertissen.
Illertissen gilt als kleine Hochburg der Pharmabranche. Ab den 1930er-Jahren wurde dort das auf Bienengift basierende Rheumamittel Forapin hergestellt. In Illertissen entstand die größte Bienenfarm Europas mit rund 150 Millionen Tieren.
Jahrzehntelang war das Städtchen im Landkreis Neu-Ulm auch Standort des Pharmariesen Pfizer. Mehr als 40 Jahre war der Konzern Eigentümer einer Produktionsstätte, die seit 2014 einem russischen Milliardär gehört: Alexey Repik. Er ist Eigentümer des Konzerns R-Pharm (Gesamtumsatz im Jahr 2014 rund eine Milliarde Dollar), der in Illertissen etwa 350 Mitarbeiter beschäftigt.
Zuletzt kam R-Pharm in Illertissen in Schwierigkeiten, da die Zusammenarbeit mit Pfizer mehr und mehr zurückgefahren wurde. Der US-Riese hatte R-Pharm bis dato immer wieder mit Aufträgen versorgt, vornehmlich mit der Verpackung von Medikamenten in Illertissen.
Doch diese Kooperation soll 2021 endgültig enden.
Die Lücke könnten nun Impfstoffe gegen Covid-19 füllen. Einmal der sogenannte Oxford-Impfstoff, der bereits ab Anfang 2021 in Illertissen vom Band laufen könnte. Der Impfstoff AZD1222 wurde gemeinsam vom britisch-schwedischen Pharmaunternehmen Astra Zeneca mit der Universität Oxford entwickelt.
Nach Berichten des Fernsehsenders n-tv soll R-Pharm 35 Länder mit dem in Illertissen hergestellten Oxford-Impfstoff beliefern, unter anderem die GUS-Staaten (Nachfolgestaaten der Sowjetunion). Deutschland und die anderen EU-Staaten allerdings nicht.
Die Skepsis im Westen ist groß. Vor allem gegenüber dem russischen Impfstoff „Sputnik V“. Auch dieser, so berichtet n-tv, könnte in Illertissen produziert werden, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt. Kritiker werfen Russland vor, diesen Impfstoff nicht ausreichend getestet und zu früh an Probanden verabreicht zu haben. Hauptvorwurf: mangelnde Transparenz. Auch was genau hinter den Firmentüren in Illertissen ausbaldowert wird, ist unklar. Eine Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“zur Impfstoff-Herstellung und zu einem Zeitplan lässt R-Pharm unbeantwortet. Dementieren will die Firma die kolportierten Impfstoff-Pläne aber auch nicht.