Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Weihnachtsmarkt ohne Glühwein droht
Alles neu: Sieben Plätze in der Altstadt sollen bespielt werden, keine Buden auf Münsterplatz
ULM - Keine 50 Tage mehr, dann startet der Ulmer Weihnachtsmarkt, der in den vergangenen Jahren immer etwa eine Million Besucher auf den Münsterplatz lockte. Doch dieses Jahr ist alles anders.
Klar ist für Jürgen Eilts, als Geschäftsführer der städtischen Messegesellschaft der Veranstalter, bisher nur, dass der Budenzauber stattfindet. Nicht wie gewohnt, sondern an sieben verschiedenen Plätzen der Stadt. Und das möglicherweise sogar ohne Glühwein. „Eigentlich unvorstellbar“, sagt Eilts.
Was aus Sicht des Messechefs aber der größte anzunehmende Unfall der Politik wäre: Wenn es in Ulm Alkohol auf Weihnachtsmärkten gebe und in Neu-Ulm nicht oder umgekehrt.
Das Baumarkt-Paradoxon aus der Zeit des Lockdowns hat gezeigt, dass es so weit kommen könnte. Denn während in Ulm Bauhaus und Co. offen waren, schauten die Neu-Ulmer in die Röhre. Mit der Folge, dass die Ulmer Baumärkte noch voller waren.
Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) kann sich in diesem Jahr Weihnachtsmärkte gar nur bei einem kompletten Alkoholkonsumverbot vorstellen. Denn die Erfahrung habe gezeigt, dass überall dort, wo es feucht und fröhlich zugeht, die Gefahr einer Ansteckung steige. Die bayerische CSU spricht hingegen bislang eher von einer „Reduzierung“des Alkoholkonsums.
Um grundsätzliches Verständnis zu demonstrieren, hätten die potenziellen Glühweinverkäufer aus Ulm schon jetzt einen freiwilligen Verzicht auf den Verkauf von Hochprozentigem erklärt. Après-Ski-Stimmung mit Gedränge will auch Eilts nicht. Doch gegen eine Tasse Glühwein im Freien sei grundsätzlich nichts einzuwenden.
„Wir müssen Hot-Spots vermeiden“, sagt Eilts. Deswegen werde versucht, alle sieben Teilmärkte möglichst gleichmäßig mit Kunsthandwerk und Imbissen zu bestücken. Helfen soll dabei auch modernste Technik: Derzeit werde in Zusammenarbeit mit der städtischen „Digitalen Agenda“an einem Besucherzählsystem gearbeitet. Sensoren könnten elektronisch über ein Funknetz (Lorawan) etwa an Anzeigetafeln in Parkhäusern melden, wenn ein Platz zu voll ist, um so Besucherströme zu lenken.
„Not schweißt zusammen“, sagt Eilts über die diesjährige Zusammenarbeit
mit den Beschickern. Denn selbst ein Stand wie jener der Familie Hirschberg, die seit über 30 Jahren einen guten Teil der weihnachtlichen Heißgetränke auf dem Markt verkauft, habe zugesagt – selbst, wenn es ein Alkoholverbot geben sollte.
Die Marketingkampagne für einen dezentralen Weihnachtsmarkt ist längst in Arbeit: Slogans wie „Ulm und die sieben Plätze“, „Über sieben Plätze musst Du gehen“oder „Auf die Plätze fertig los“ist auf ersten Plakatentwürfen zu sehen. Weder Glühweintassen noch das Münster sind auf den Plakaten zu sehen. Denn der Mittelpunkt der Stadt wird zwar wie jedes Jahr dem
Weihnachtsbaum plus einer lebendigen Krippe eine Heimat geben. Doch 130 Stände werden dort nicht zu finden sein.
Stattdessen 85 an sieben anderen Plätzen: Einstein-Platz, SchuhhausPlatz, Sternplatz (bei Sterngasse/Dreikönigsgasse), Glöcklerplatz (Übergang Hirschstraße/Bahnhofstraße), Marktplatz, Judenhof sowie auf dem „Münsterplätzle“, also dem südlichen Münsterplatz.
Nachdem es bislang keine CoronaVerordnung des Landes für Weihnachtsmärkte gebe, planen Eilts und sein Team aber ein wenig ins Blaue hinein. Das Grundproblem: Genau die atmosphärische Stärke des Weihnachtsmarktes – das „Kuschlig-Enge“– muss wegen der Pandemie entzerrt werden. Aufgrund derzeit bestehender Verordnungen geht Eilts davon aus, dass auf den sieben geplanten Standorten des Ulmer Weihnachtsmarkts sich je maximal 500 Personen aufhalten dürfen. Aus diesem Grund ist auch der Münsterplatz raus: Denn die Magnetwirkung einer verkleinerten Variante im Ulmer Wohnzimmer wäre wohl so groß, dass es Zugangskontrollen geben müsste. Mit allen folgenden Problemen durch Warteschlangen. Außerdem wären sich der Wochen- und Weihnachtsmarkt zweimal wöchentlich noch mehr im Weg, wie in normalen Jahren.
Mal abgesehen von möglichen Menschentrauben vor Glühweinbuden bereiten Eilts die begehbaren Stände Sorgen. Den traditionell größten Stand auf dem Ulmer Weihnachtsmarkt betreibt die Firma Burger. Die Feuerwurst wird’s wohl auch dieses Jahr geben, doch der zweistöckige Stand mit seinem „Stüble“wird wohl kaum eröffnen dürfen. Alljährliche Magnete sind auch die mobilen Läden von Deko-Spezialist „Käthe Wohlfahrt“sowie der Bürstenladen. Hier werde es wohl Zugangskontrollen geben, wie im Einzelhandel längst üblich.
Im Gegensatz zum Glühwein ist der Kinderpunsch gesichert. Dennoch müssen sich die Kleinen umstellen: Der beliebte Märchenwald, der vergangenes Jahr zum Eisstockschießen einlud, wird ausfallen. Immerhin: Der Betreiber der Kinder-Dampflok arbeite derzeit noch an einem pandemieverträglichen Ersatzfahrgeschäft. Außerdem seien nach derzeitigem Stand der Dinge drei Karussells eingeplant.
Ersatzlos gestrichen wurde hingegen die mobile Glashütte, die seit fast 30 Jahren auf den Münsterplatz lockt. „Das ist bitter. Da fällt ein großer Teil des Einkommens weg“, sagt Eilts über die Glasbläser aus Wertheim.
Auf die Märchen-Jurte müssen die Besucher des Weihnachtsmarkts dieses Jahr nur bedingt verzichten: Zwar steht kein mongolisches Zelt vor dem Neuen Bau. Dafür veranstaltet die Junge Bühne ebenfalls unter dem Namen Jurte im Kornhaus ein Ersatzprogramm. Mit Kissen und Ofen so gemütlich, wie es mit dem nötigen Abstand eben geht. Die lebendige Krippe soll auch dieses Jahr auf dem Münsterplatz stehen. Ganz alleine unterm Weihnachtsbaum.