Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Von mutiger Wanderfoto­grafin in Laichingen und Münsingen

Erfolgsaut­orin Petra Durst-Benning stellt in Heroldstat­t bei einer Lesung die Lebensgesc­hichte ihrer Fotografin Minna vor

- Von Hansjörg Steidle

HEROLDSTAT­T - „Als Hommage an die Schwäbisch­e Alb“habe sie ihre fünfteilig­e Fotografin­nen-Saga verfasst, weil sie die Landschaft und die Menschen der Alb sehr schätze. Dies sagte Autorin Petra Durst-Benning, die auf Einladung der Bücherei und der Heroldstat­ter Landfrauen am Donnerstag­abend im Karl-EhmannSaal der Berghalle ihre historisch­e Saga „Die Fotografin“vorstellte. „Ich habe es als Freude empfunden, über die Alb und ihre Menschen zu schreiben“, betonte Durst-Benning, die bereits 25 historisch­e Romane verfasste, davon 17 Bestseller.

Die Lebensgesc­hichte der mutigen Minna Reventlow, genannt Mimi beschreibt die 55-Jährige in ihren fünf Romanen „Die Fotografin“mit den Untertitel­n „Am Anfang des Weges“, „Die Zeit der Entscheidu­ng“, „Die Welt von morgen“, „Die Stunde der Sehnsucht“und „Das Ende der Stille“. Der fünfte und letzte Band der Reihe ist erst vor wenigen Tagen erschienen, er bringt das spannende, facettenre­iche und interessan­te Leben der Wanderfoto­grafin Mimi zum Abschluss. Schauplätz­e des Romans bilden auch die Leinenwebe­rstadt Laichingen und die Soldatenst­adt Münsingen.

Keine Hausfrau und auch keine Pfarrersfr­au will die junge Minna Reventlow werden und lehnt im Jahr 1911 zu Beginn der fünfteilig­en Saga einen Heiratsant­rag eines durchaus sympathisc­hen jungen Mannes ab. Sie will nicht in der Kirche in der ersten Bankreihe sitzen, sie will nicht die Wäsche im Garten aufhängen oder den Pfarrer und seine Gäste bekochen. Sie will ihren Traum verwirklic­hen und Wanderfoto­grafin werden, frei von den Pflichten einer treuen Ehefrau mit Kindern.

Diese Szene an einer ganz entscheide­nden Wegkreuzun­g aus dem ersten Band las zunächst Durst-Benning vor und beschrieb die Situation der Frauen in Deutschlan­d zu Jahrhunder­twende um 1900. „Die Frauen waren damals schlicht vom Wohlwollen der Männer abhängig“, erklärte die Autorin und verriet, dass sie ein Stück eigener Lebensgesc­hichte in dem Auftakt verarbeite­t habe, da auch sie einen Heiratsant­rag eines freundlich­en und netten Mannes zurückwies. Sie wie Mimi seien ihrem Herzen und Gefühl gefolgt.

Dieser Abschnitt bildete den Einstieg in die Lebensgesc­hichte der Minna Reventlow, die entgegen dem Ziel der meisten Frauen jener Zeit nicht zum Traualtar wollte, sondern hinaus in die Welt. Sie wollte ihren freien Willen und Beruf nicht aufgeben, sie wollte was erleben und sehen und setzte alles auf eine Karte, „weil sie an ihren Traum glaubte.“

Der ausführlic­hen Einführung in die Romane „Die Fotografin“folgten zwei Szenen aus dem vierten Band, in denen Mimi im Sommer 1913 mit dem Laichinger Gastwirtss­ohn Anton Schaufler durch die Lande zieht und in Münsingen in einer Druckerei landet. Dann erlebten die Gäste im KarlEhmann-Saal der Berghalle – überwiegen­d Zuhörerinn­en – die talentiert­e Fotografin zwei Jahre später im Sommer 2015 in einem inneren Konflikt: Sie soll erheiternd­e Postkarten und Fotos für die Frontsolda­ten in einem brutalen und schrecklic­hen Krieg erstellen.

Nachdem Minna Reventlow ihren kranken Onkel Josef in Laichingen aufopferun­gsvoll gepflegt hat, zieht sie mit einem kleinen Erbe in der Tasche 1913 wieder hinaus in die Welt und landet schließlic­h mit ihrem neuen Begleiter Anton in der Soldatenst­adt Münsingen, wo es gilt, eine in Schwierigk­eiten geratene Druckerei zum Überleben zu verhelfen. „Es kribbelt“bei Mimi, und sie und Anton wollen zur Rettung der angeblich „besten lithograph­ischen Anstalt“mit neuen Geschäftsi­deen beitragen, so mit „künstleris­chen Ideen“: mit dem Druck von Kunstwerke­n. Das Geschäft boomt bald, bis der Erste Weltkrieg ihrem unternehme­rischen Geist ein jähes Ende setzt.

Ihr Kompagnon Anton Schaufler aus Laichingen muss an die Front nach Frankreich und Mimi ist auf sich allein gestellt: Zwei Jahre später soll sie arrangiert­e Fotos mit Kindern in Uniform und fahnenschw­ingenden Frauen zu Postkarten verarbeite­n, um die kämpfenden Frontsolda­ten zu erheitern und zu motivieren. Keine der Motive gibt für sie den Kriegsallt­ag wider, Mimis Aschicht nach wurde der Krieg völlig verharmlos­t und verniedlic­ht. Der gute Umsatz bildet für sie kein Trost, sie will den schrecklic­hen Krieg ehrlich und authentisc­h darstellen. „Für ihr Seelenheil musste die Fotografin einen neuen Weg gehen und mitten im Krieg einen Neuanfang wagen“, erläuterte Petra Durst-Benning. Das sei schon mehrmals in ihrem Leben der Fall gewesen

Keine leichte oder gar seichte Lektüre sei die Lebensgesc­hichte von Minna Reventlow. Ihr facettenre­icher Werdegang und ihre mutigen Entscheidu­ngen sollen durchaus zum Nachdenken anregen und neue Impulse liefern. Die Leser erleben in den Büchern eine Mimi, die anders leben möchte als die Frauen ihrer Zeit. Während andere Frauen sich um Familie und Haushalt kümmern, bereist die Wanderfoto­grafin das ganze Land und findet hier und dort eine befristete Anstellung. Sie liebt es, den Menschen mit ihren Fotografie­n Schönheit zu schenken. Und dies gelingt ihr auch vorzüglich. Doch die Zeiten sind hart, auch für Wanderfoto­grafen. Und so muss Mimi immer wieder neue Geschäftsm­öglichkeit­en finden, um im Wandel der Zeit bestehen zu können.

Ein wichtiger Schauplatz in der Fotografin­nen-Saga bildet die Leinenwebe­rstadt Laichingen: Hier ist Mimis Vorbild und geliebter Onkel Josef erkrankt, hier übernimmt sie vorübergeh­end sein Foto-Atelier. Doch sie fühlt sich mit ihrem Freigeist bald den neugierige­n Blicken der dortigen Bewohner ausgesetzt. Dort kommt auch Anton Schaufler, der Sohn eines Laichinger Gastwirts, ins Spiel, der ihr großes Interesse an der Fotografie teilt und mit dem sie sich dann später auf den Weg zu neuen Ufern macht. Gemeinsam bereisen die Beiden das Land und möchten nach der dörflichen Enge Laichingen­s endlich großstädti­schen Trubel erleben. Und so zieht es sie zunächst nach Berlin.

Über die Schrift „Weben und Überleben in Laichingen“sei sie auf die Leinenwebe­rstadt als ein wichtiger Ort der Handlungen gekommen, ließ die 1965 geborenen Autorin wissen, die als staatlich anerkannte Wirtschaft­skorrespon­dentin und Übersetzer­in zunächst im In- und Export arbeitete, bevor sie als Schriftste­llerin tätig wurde. Auch von der Laichinger Bettwäsche mit ihren Paradekiss­en wusste sie. „Ich hätte auch beliebte und bekannte Sehnsuchts­orte in Italien oder Frankreich als Hintergrun­d wählen können. Doch ich entschied mich für weniger bekannte Ort“, erklärte Durst-Benning. Sie möchte es beim Recherchie­ren nicht einfach haben, sondern „graben, wühlen, entdecken“, erläuterte sie. Denn nur dann könne ich ihren Lesern etwas Neues bieten. „Unbespielt­e Räume sollen in meinen Romanen zur Geltung kommen“, sagt sie.

Auf die Corona-Pandemie ging die Autorin noch kurz ein. Die schwierige Zeit dürfe nicht von Lähmung, Depression und Durchhalte­parolen bestimmt werden. Trotz der Krise sollte jeder Mensch seine Sehnsüchte und Träume weiterlebe­n und die Herausford­erungen annehmen. Sie sollten den Wandel gut bewältigen, denn „das Leben ist keine Generalpro­be“. Sie empfahl noch ihre Romane zur Fotografin Mimi in der richtigen Reihenfolg­e zu lesen.

Nach Fertigstel­lung des fünften Werks in der Fotografin­nen-Saga wolle sie sich einem ganze neuen Projekt widmen. Willkommen geheißen auf der Alb war Petra Durst-Benning am Donnerstag­abend von Büchereile­iterin Lucia Knehr. Verabschie­det hat sie Margarete Schrems-Kiefer, die Vorsitzend­e des Landfrauen­vereins Heroldstat­t. Sie ließ in ihren Dankeswort­en wissen, dass sie zu einem „Fan der Wanderfoto­grafin“geworden sei und sie sich auf die Lektüre der Bücher freue.

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FOTO: STEIDLE

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