Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Helfen denn Kontrollen gegen Tierquälerei in Ställen?
Arbeit des Veterinäramts beschäftigt Ulmer Hauptausschuss: Fleisch von misshandelten Schweinen aus Merklingen Teil eines Qualitätsprogramms
MERKLINGEN - Die Schweine lebten eng eingepfercht und konnten sich kaum umdrehen. Sie wurden geschlagen, manche Tiere starben und lagen verendet im Kot. Als die Zustände im Stall eines Merklinger Landwirts aufgedeckt wurden, mussten mehr als 100 misshandelte Schweine auf der Stelle eingeschläfert werden. Der Züchter brachte sein Vieh in den Schlachthof im Ulmer Donautal, es war Teil eines Qualitätsfleischprogramms. Die Vorfälle in Merklingen und die Arbeit des Veterinäramts beschäftigten nun den Hauptausschuss der Stadt Ulm.
„Die Tiere, die am Haken hingen, hätten jedes Qualitätsprogramm erfüllt“, sagte Thomas Ley. Für den Leiter des Ulmer Veterinäramts steht fest: Die kriminelle Energie des Landwirts war so groß, dass die Kontrollen am Schlachthof im Donautal zwangsläufig ins Leere führen mussten.
Die Zustände auf dem Hof in Merklingen brachten Aktivisten der „Soko Tierschutz“ans Licht, die in die Ställe eingedrungen waren. In einem Prozess am Ulmer Landgericht wurde Anfang des Jahres detailliert öffentlich, welche Missstände dort herrschten. Der Leitende Stadtveterinärdirektor Thomas Ley hat die Schweine des zu einer Bewährungsstrafe und einer Geldbuße verurteilten Mannes gesehen. Die Tierärzte notierten auch Auffälligkeiten: Bei fast 30 Prozent der Schweine wurden Lungenschäden festgestellt.
Das aber, sagte Ley, sei kein Hinweis für die Zustände auf dem Hof gewesen. Denn für Lungenprobleme könne es viele Ursachen geben, sie entstünden in vielen Fällen schon früh nach der Geburt. Schwanznekrosen, also das Absterben des Schwanzes, oder andere deutliche Hinweise für eine falsche Haltung oder gar für Misshandlungen habe es nicht gegeben. „Er hat nur die schönsten Tiere abgegeben. Es war für uns nicht ersichtlich, was im Stall abgegangen ist“, betonte Ley.
Der Leiter des städtischen Veterinäramts berichtete im Ulmer Hauptausschuss über die Arbeit seiner Behörde und beantwortete dabei auch Fragen von Gemeinderat Michael Joukov-Schwelling zu den Missständen im Merklinger Betrieb. Er wolle nicht die Arbeit des Amts in Zweifel stellen, beteuerte der Grünen-Politiker in der Sitzung. Ihm gehe es darum, solche Fälle in Zukunft früher aufzudecken. Doch eine wirkliche Lösung, wie das funktionieren kann, scheint jedoch nicht in Sicht.
Die Lungenprobleme haben die Mitarbeiter des Veterinäramts wie in allen Fällen in einer Datenbank eingetragen, im elektronischen Tagebuch. Die Daten sollen Hoftierärzten und Landwirten helfen, den Zustand der Tiere im Blick zu behalten und die Bedingungen in den Ställen verbessern zu können. Mit diesem System, so Ley, sei das Ulmer Veterinäramt vor rund einem Jahrzehnt Vorreiter gewesen und dabei auch auf Widerstand gestoßen: „Dafür mussten wir auch Kritik einstecken.“
Erkennen die Kontrolleure Befunde, die auf Tierwohlprobleme hinweisen, informieren sie die zuständigen Behörden: bei Schwanznekrosen etwa. Er selbst, berichtete Ley, sei Teil der Bund-Länder-Arbeitsgruppe für das Meldekonzept gewesen. Im Fall des Merklinger Landwirts half dieses System nichts: „Die Tiere, die so auf dem Hof gefunden wurden, hat er nicht zum Schlachthof gebracht“, berichtete Ley: „Wir konnten keinen Verdacht schöpfen.“Michael Joukov-Schwelling wollte wissen: „Wer stellt sicher, dass in Zukunft in solchen Fällen schneller reagiert wird?“Die Antwort gab der Grünen-Gemeinderat selbst: „Wir sind auf Tierschützer angewiesen, die in Ställe eindringen.“
64 Mitarbeiter hat das Ulmer Veterinäramt, elf davon sind Tierärzte. Die vorgeschriebene Anzahl der Kontrollen hat die Behörde in den beiden vergangenen Jahren nicht erfüllt. Leiter Thomas Ley verweist auf aufwendige anlassbezogene Kontrollen. Die seien aus seiner Sicht wichtiger als die zu festen Zeiten wiederkehrenden Überprüfungen: „Wir kontrollieren die, die kontrolliert werden müssen“, erläuterte er.
FWG-Stadträtin Helga Malischewski verwies auf einen Bericht im baden-württembergischen Staatsanzeiger.
Darin seien die Ämter aus Ulm und Heilbronn als vorbildlich bei den Kontrollen gelobt worden, alle anderen im Ländle hinkten hinterher. Insbesondere im Bereich Lebensmittelüberwachung ist die Quote der Beanstandungen konstant niedrig. Sie lag bei Kontrollen zuletzt bei unter drei Prozent und bei Proben bei um die elf Prozent.
Der Schlachthof im Donautal bekam in der Sitzung viel Lob. Finanzbürgermeister Martin Bendel hob das verantwortungsbewusste und vorausschauende Handeln der Verantwortlichen in der Corona-Pandemie hervor. Dank der guten Konzepte habe es keine Probleme gegeben.
Veterinär Ley berichtete, dass die Auslastung dank der regionalen Ausrichtung konstant sei: Es habe weder in der Corona-Hochphase Einbrüche gegeben noch Schwierigkeiten durch die afrikanische Schweinepest. Fälle dieser Erkrankung waren 2019 in Polen und Belgien aufgetreten.
Das Fleisch aus dem Schlachthof bleibt überwiegend in der Region. Ausnahmen sind beispielsweise Lastwagenladungen von Rinderlebern nach Belarus oder – vor der Corona-Pandemie – Schweinenasen nach China. Was hierzulande nur als Tierfutter verwendet wird, gilt anderswo als Delikatesse. Und: „Wenn Sie in die Steinbeisstraße fahren, sehen sie ganz viele italienische Lastwagen“, erzählte Ley. Fleisch von in Ulm geschlachteten Schweinen werde in Italien zu luftgetrockneten Produkten wie Schinken verarbeitet und anschließend auch in deutschen Supermärkten verkauft.