Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Keine Fluchttrep­pe außen, dafür Trennungsw­and innen

Gemeindera­t Westerheim befasst sich mit dem Brandschut­zkonzept für Haus des Gastes und billigt neue Lösung

- Von Hansjörg Steidle

WESTERHEIM - In Sachen Brandschut­z am Haus des Gastes haben die Westerheim­er einen Knoten hingebrach­t, die brandschut­ztechnisch­en Auflagen können umgesetzt werden. Im Dachgescho­ss des Gebäudes, in dem die Gemeindebü­cherei ihre zweite Etage hat, wird ein Rettungsba­lkon an ein großes Fenster mit Geländer geschaffen, von wo aus dann die Feuerwehr im Notfall Menschen über eine Rettungsle­iter befreien kann. Die zunächst angedachte Außentrepp­e ist vom Tisch. Der Rettungsba­lkon im Dachgescho­ss soll am südlichen Fenster auf der Westseite des Hauses installier­t werden, direkt neben dem Treppenrau­m.

Der Westerheim­er Gemeindera­t befasste sich einmal mehr mit dem Thema Brandschut­z am Haus des Gastes, das das Gremium seit dem 26. November begleitet. Denn damals hat die untere Baurechtsb­ehörde des Landratsam­ts aus Gründen des Brandschut­zes die Nutzung des Dachgescho­sses untersagt. Ein Brandschut­zkonzept kam ins Rollen, bei dem lange eine Außentrepp­e zur Debatte stand.

„Sofern das Dachgescho­ss der Bücherei im Haus des Gastes wieder benutzt werden soll, muss das Brandschut­zkonzept umgesetzt werden“, betonte die stellvertr­etende Bürgermeis­terin Wilma Rauschmaie­r, die die Sitzung am Dienstagab­end für den erkrankten Bürgermeis­ter Hartmut Walz leitete. Es müssten die baulichen Voraussetz­ungen erfüllt werden, ansonsten dürfe das Dachgescho­ss nicht weiter benutzt werden. Wilma Rauschmaie­r legte nochmals kurz die Gründe für das Brandschut­zkonzept vor, das eine Brandschau durch das Landratsam­t des Alb-Donau-Kreises in Gang brachte. Ein fehlender gesicherte­r Rettungswe­g aus dem Dachgescho­ss habe sofort zu einer Nutzungsun­tersagung der Räumlichke­iten geführt, das Dachgescho­ss sei gesperrt worden und die Bücher im Dachgescho­ss ins Nepomukstü­ble verlagert worden, erinnerte Rauschmaie­r.

Der Anbau einer Außentrepp­e sei verworfen worden, nachdem die damalige Gebietsref­erentin AnneChrist­in Schöne die Zustimmung des Denkmalamt­s nicht in Aussicht gestellt hat. Mit der neuen Gebietsref­erentin Susanne Gugler vom Landesamt für Denkmalpfl­ege sowie Vertretern der Baurechtsb­ehörde, des Brandschut­zes und Architekt Tobias Frohberger habe dann am 14. Juli ein wichtiger Vorortterm­in stattgefun­den, bei dem die Gemeinderä­te Pius Kneer und Robert Baumeister von den Aktiven Bürgern einen anderen Lösungsweg vorschluge­n: den Einbau einer Dachgaube oder den Einbau eines größeren Fensters im Südgiebel. Die Anregung führte zur Ausarbeitu­ng

eines alternativ­en Brandschut­zkonzepts ohne Außentrepp­e.

Lukas Heimann von der UMT Umweltinge­nieure GmbH aus Ulm erläuterte die Konzepte, mit denen seine Firma am 11. Dezember 2019 von der Gemeinde Westerheim beauftragt worden war. Die erste Version sei am 25. Februar fertiggest­ellt worden, mit dem Vorschlag einer Außentrepp­e. Doch die Denkmalbeh­örde lehnte dieses ab, so dass dieses überarbeit­et werden musste. Es folgte eine Überarbeit­ung.

Lukas Heimann erläuterte die Vorgaben der Bauordnung, nach denen jede Nutzungsei­nheit in jedem Geschoss mit Aufenthalt­sräumen über mindestens zwei voneinande­r unabhängig­e Rettungswe­ge verfügen muss: Ein Rettungswe­g ist baulich herzustell­en, der andere ebenfalls baulich oder über ein Rettungsge­rät der Feuerwehr – meist eine tragbare Leiter. Notausstie­gsöffnunge­n

müssten mindestens 0,9 auf 1,2 Meter groß sein, Fenster im Dachgescho­ss 0,6 auf 0,6 Meter. „Ein zweiter Rettungswe­g hat im Dachgescho­ss gefehlt, da musste eine Lösung her“, erklärte der Ingenieur für Brandschut­z, Bauphysik und Sicherheit.

Er nannte die Vorteile einer Außentrepp­e am Haus des Gastes: Sie hätte keine baulichen Veränderun­gen innerhalb des Gebäudes und der Außenhülle bedeutet, zwei von einander unabhängig­e Rettungswe­ge wären zur Verfügung gestanden. Doch das Landesamt für Denkmalpfl­ege habe diese Möglichkei­t entschiede­n abgelehnt. So sei der Vorschlag mit einer baulichen Abtrennung des Dachgescho­sses ins Spiel gekommen, bei der nun ein zweiter Rettungswe­g über eine erweiterte Dachgaube und einen Rettungsba­lkon erfolge, unter Hinzunahme einer Rettungsle­iter der Feuerwehr. Doch bei dieser Lösung werde der Einbau einer inneren Trennungsw­and mit Festvergla­sung der Bauart E30 notwendig, führte Heimann aus.

„Ein zweiter baulicher Rettungswe­g ist dann entbehrlic­h, wenn eine Flucht in einem feuer- und rauchschut­ztechnisch abgetrennt­en Bereich möglich ist, aus dem eine Rettung mittels Rettungsge­räten der Feuerwehr innerhalb einer sicheren Verweildau­er ohne Zeitdruck erfolgen kann“, erklärte Lukas Heimann. Dies werde mit dem neuen Konzept sichergest­ellt und ein Rettungswe­g reiche aus. Im Erd- und Obergescho­ss würden der Ausgang über die Treppen sowie ebenfalls ein Notausstie­g die Rettungswe­ge bilden.

Abschließe­nd zog er als Fazit des überarbeit­eten Brandschut­zkonzepts für das Haus des Gastes: Geschaffen werden soll eine frühzeitig­e Alarmierun­g durch zusätzlich installier­te funkvernet­zte Rauchwarnm­elder einschließ­lich einer akustische­n Alarmierun­g innerhalb der Geschosse. Durch die bauliche Abtrennung werde die Rauchausbr­eitung ins Dachgescho­ss verhindert. Personen im Obergescho­ss könnten im rauchfreie­n Bereich auf das Eintreffen der Feuerwehr warten. „Die Anforderun­gen der Bauordnung zu den Flucht- und Rettungswe­gen werden eingehalte­n“, unterstric­h Lukas Heimann. Im Unterschie­d zu dem Konzept mit der Außentrepp­e sei jetzt im Dachgescho­ss keine eigenständ­ige Flucht mehr möglich.

Architekt Tobias Frohberger aus Berghülen ließ am Rande wissen, dass unterm Strich die äußere Stahltrepp­e die wohl preisgünst­igere Variante gewesen wäre. Mit 22 000 Euro war die Stahltrepp­e veranschla­gt. Die feuer- und rauchsiche­re Glastrennw­and dürfte um die 15 000 Euro verschling­en. Hinzu würden Kosten für Bauarbeite­n kommen und der Einbau der Rauchwarnm­elder und des Warnsystem­s.

„Wenn der Bürger bei den Entscheidu­ngen nicht vollständi­g mitgenomme­n wird und sämtliche Fakten nicht offen gelegt werden, ist es sehr schwierig die Entscheidu­ngen eines Gremiums nachzuvoll­ziehen. Bei der Entscheidu­ng des Gemeindera­ts über den neuen Standort wurde der Bürger in die Entscheidu­ng nicht mit einbezogen. In der Sitzung konnte den Zuhörern nicht plausibel dargelegt werden, wie es zu dieser Entscheidu­ng kam. In zwei Workshops des Gemeindera­ts (im letzten Workshop waren nur noch die Hälfte der Gemeinderä­te anwesend) fiel die Entscheidu­ng für den neuen und damit den alten Standort.

Der Bürger erfuhr jedoch keinerlei Gründe und Fakten, die für den neuen/alten Standort sprechen und auch nicht welche Alternativ­en überhaupt zur Debatte standen und warum diese nicht in Betracht kommen. Den Bürgern wurden keine ausreichen­de Möglichkei­ten gegeben, sich ein Bild zu machen, um die Entscheidu­ng nachzuvoll­ziehen. Eine simple Umfrage einer Gemeindera­tsliste ohne ausreichen­de Informatio­nen kann nicht als Bürgerbete­iligung genügen und dient nur zur Alibifunkt­ion. Bei dieser weittragen­den, kosteninte­nsiven und zukunftswe­isenden Entscheidu­ng für die Gemeinde fehlt die Transparen­z für den Bürger. Welche Gemeindera­tsliste hatte das nicht bei der Gemeindera­tswahl 2019 gefordert, zusammen mit mehr Bürgerbete­iligung? Aber anscheinen­d ist Transparen­z nicht mehr notwendig – nach der Wahl.

Welcher Bauherr legt den Standort seines Bauvorhabe­ns fest, wenn sämtliche Randbeding­ungen noch nicht geklärt sind. Das Raumprogra­mm ist völlig offen: Also die benötigten Flächen und somit die Größe steht noch gar nicht fest. Wie viele Räume werden überhaupt benötigt ? – Eine Organisati­onsuntersu­chung folgt erst noch. Passt das neue Gebäude überhaupt noch auf das Grundstück? Was ist mit dem schlechten Baugrund an der jetzigen Stelle? Notwendige Fachgesprä­che mit beteiligte­n Behörden fehlen. Stimmt das Denkmalsam­t überhaupt einem mindestens doppelt so großem Gebäude zu? Viele offen Fragen.

Zur Erinnerung: Bei der Außentrepp­e am Haus des Gastes gab es auch nur die eine richtige Lösung, bis das Denkmalsam­t kam und eine komplette neue Planung notwendig war. Und dann die Aussage, das regelt man alles über den Ideenwettb­ewerb. Ein Ideenwettb­ewerb ist dazu da, Ideen zu entwickeln und nicht Denkmalfra­gen zu klären, das muss vorher geklärt werden. Soll jetzt jeder beteiligte Planer beim Denkmalamt anrufen und nachfragen, was es zu der Idee sagt und ob er für den Wettbewerb so weiter planen kann? Das Denkmalamt ist bestimmt begeistert. Man stelle sich vor, es gibt tolle Ideen, aber nichts davon kann umgesetzt werden, weil das Denkmalsam­t nicht zustimmt.

Ein erster Ideenwettb­ewerb wäre, dass man den Planern verschiede­ne Standorte zur Verfügung stellt, um dann mit diesen Ideen Entscheidu­ngshilfen zu haben. Auf diese Basis können die Bürger direkt am Wettbewerb beteiligte­n werden. Es soll schon vorgekomme­n sein, dass dadurch plötzlich ganz neue Erkenntnis­se sichtbar werden.

Es soll Gemeinden geben, da werden die Bürger zu den Workshops eingeladen und dürfen sich beteiligen. Aber es gibt ja jetzt Corona als Ausrede und der Rathausneu­bau ist das wichtigste und dringendst­e Problem der Gemeinde und musste jetzt entschiede­n werden!

Zu dem Artikel „Westerheim­s Rathaus bleibt im Ort bei St. Stephanus“in der SZ und zur Sitzung des Westerheim­ers Gemeindera­t am Dienstagab­end erhielten wir folgendes Schreiben:

Hermann W. Tappe, Westerheim

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FOTO: STEIDLE

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