Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Das jüngste Profi-Team der Vereinsgeschichte
Basketball, ProA: Altersschnitt im Kader von Ehingen Urspring liegt unter 20 Jahren – Viele Eigengewächse – Vier neue US-Profis
EHINGEN - Seit mehr als sieben Monaten hat es in der Zweiten Basketball-Bundesliga kein Pflichtspiel mehr gegeben. Nun geht es wieder los, am Wochenende ist Auftakt in die neue ProA-Runde. Allerdings blickt wohl nicht nur Domenik Reinboth, Cheftrainer des Teams Ehingen Urspring, mit Sorge auf die kommenden Monate, denn die Pandemie könnte den Spielplan durcheinanderwirbeln und im ungünstigsten Fall den Spielbetrieb ein weiteres Mal stoppen. Trainer und Spieler versuchen, die Ungewissheiten weitgehend auszublenden und sich auf den Sport zu konzentrieren. Sechs Wochen Vorbereitung liegen hinter der in Teilen neu zusammengestellten Mannschaft, die am Samstag, 17. Oktober, zum Auftakt in Nürnberg antritt.
Im Frühjahr noch, zu Beginn der Pandemie, als noch mehr ungewiss war als heute und sogar der Fortbestand von Basketball-Profiklubs in Frage gestellt wurde, da wusste man auch beim Team Ehingen Urspring nicht, wie es weitergeht. Dann ließ das Infektionsgeschehen deutlich nach und die Planungen für eine neue Saison schritten voran. Die Verantwortlichen von Ehingen Urspring setzten alles daran, wieder einen Zweitliga-Etat auf die Beine zu stellen – und die Sponsoren zogen mit. „Der allergrößte Teil hat uns die Treue gehalten, auch in der schwierigen Zeit“, so Teammanager Nico Drmota. „Wir haben gesagt, dass wir zusammenhalten müssen.“
Dennoch kalkulierten die Verantwortlichen vorsichtig, was sich auch im Spielerkader für 2020/21 widerspiegelt. In den vergangenen Jahren hatte der Zweitligist meist einige Amerikaner mit Auslands-Erfahrung im Kader (beispielsweise Seger Bonifant, Davonte Lacy, Cullen Neal, Rayshawn Simmons, Darnell Foreman), die den Verein in der Regel etwas mehr kosteten, diesmal kommen die US-Profis ausschließlich aus den USA und Ehingen ist deren erste Profi-Station. „Die Überlegung war schon, ob wir einen Amerikaner mit Europa-Erfahrung holen“, sagt Reinboth. Der Gedanke wurde verworfen. „Man hat ja auch keine Gewähr. Bringt er die erwartete Leistung oder erweist er sich gar als fauler Apfel im Korb?“Man entschied sich für vier „junge, hungrige Spieler“, die alle noch nie außerhalb ihres Heimatlandes unter Vertrag standen.
Was die deutschen Profis angeht, waren in der vergangenen Saison noch vier, die andernorts ausgebildet wurden, im Aufgebot (Tim Hasbargen, Gianni Otto, Ferenc Gille, AkimJamal Jonah), diesmal sind es noch zwei (Gille, Jonah). Stattdessen sind jetzt noch mehr Nachwuchsspieler aus Urspring im ProA-Kader als in den zurückliegenden Jahren. Eine Folge davon ist, dass das Durchschnittsalter der Zweitliga-Mannschaft von Ehingen Urspring bei 19,4 Jahren liegt. „Wir hatten noch nie einen Altersschnitt von unter 20“, sagt Nico Drmota. „Aber das ist unser Weg und wenn wir ihn jetzt nicht forcieren, wann dann?“
Dass das Team Ehingen Urspring als letzter verbliebener reiner Ausbildungsverein in der ProA damit ein Risiko eingeht, räumt Trainer Cheftrainer Domenik Reinboth ein. „Definitiv ist das so, aber das Risiko haben wir jedes Jahr.“Reinboth verweist, was die deutschen Spieler angeht, dass auch Hasbargen und Otto in der Vorsaison erst im zweiten Profi-Jahr waren und nicht über viel Erfahrung verfügten. Nun sind Gille und Jonah die deutschen Profis im zweiten Jahr und neben ihnen gibt es einen Kevin Strangmeyer und einen Franklyn Aunitz, die schon für die NBBL aus Urspring spielten, seit einigen Jahren dem ProA-Kader angehören und nun noch mehr Verantwortung übernehmen sollen. Die Struktur der Mannschaft sehe er daher nicht so stark verändert, sagt Reinboth. Auf den ersten Blick könnte man vielleicht meinen, dass weniger Qualität vorhanden sei, so der Trainer, aber aus seiner Sicht stellt es sich anders dar.
Wenig verändern soll sich auch der Spielstil der Mannschaft. „Wir wollen schnell spielen, den Ball schnell bewegen“, sagt Reinboth. Enorm wchtig ist, dass das Team rasch seinen Rhythmus findet, was in der vergangenen Saison nur phasenweise gelang. Dies lag damals aber an schwerwiegenden Verletzungen wichtiger Spieler wie Dan Monteroso und Darnell Foreman, deren Ausfall letztlich nicht kompensiert wurde. So gab es einige Wechsel auf den Ausländerpositionen mit der Folge, dass die Mannschaft nicht richtig in Tritt kam.
Reinboth hofft auf weniger Verletzungspech, wobei in der Vorbereitung Ferenc Gille nach einer in einem frühen Testspiel erlittenen Verletzung lange ausfiel und erst seit Kurzem
wieder trainiert, aber noch nicht mit der Mannschaft. Außerdem mussten in den vergangenen Wochen immer wieder NBBL-Spieler aufgrund von Verletzungen oder bei Erkältungsanzeichen aus Vorsicht pausieren. „Das Teamtraining war etwas schwierig“, so Domenik Reinboth. Von Donnerstag an sollten von den 15 für die ProA gemeldeten Spielern („Das ist eine gute Größe“) wieder ein Dutzend im Training sein, hofft Reinboth.
Klar ist dem Trainer, dass das Zusammenspiel und das Zusammenwachsen der Mannschaft mit Ende der Vorbereitung nicht abgeschlossen ist, sondern sich auch nach Beginn der ProA-Runde fortsetzn wird – aber das ist nicht neu und geht auch anderen Vereinen so. Nicht optimal war, dass von den ursprünglich neun geplanten Testspielen aufgrund von Verletzungen und als Corona-Vorsichtsmaßnahme drei abgesagt wurden. Weil auch die Generalprobe am vergangenen Sonntag gegen Kirchheim ausfiel, vereinbarte Reinboth
ANZEIGEN kurzerhand für Dienstagabend noch einen Test gegen Tübingen. „Ich wollte unbedingt noch mal spielen, weil uns Spielpraxis fehlt“, so der Trainer. Ohne Ferenc Gille (Probleme im Schulter-Nacken-Bereich) und AkimJamal Jonah (Muskelfaserriss) verlor Ehingen Urspring knapp 75:79, doch der Trainer war mit dem Spiel seiner Mannschaft ganz zufrieden. „Es ist allerdings auch noch Luft nach oben.“
Dies gilt für die Offensive und erst recht für die Defensive, in der es in der vergangenen Saison große Mängel gab. Im Schnitt knapp 87 Körbe pro Partie ließ Ehingen Urspring im Vorjahr zu – der schwächste Wert in der ProA. „Die Defensive war letztes Jahr unsere große Baustelle“, sagt der Trainer, der den Grund dafür im Wesentlichen in der Unerfahrenheit der Spieler sieht. Gut zu verteidigen habe viel mit Erfahrung zu tun, Spieler mit jahrelanger Erfahrung in der Liga wüssten oft automatisch, wann welcher Weg zu laufen und wann ein Block vonnöten sei. „Bei weniger erfahrenen Spielern muss sich das erst einschleifen.“
Ob in der Verteidigung oder im Angriff: Viel wird beim Team Ehingen Urspring davon abhängen, wie schnell sich die vier neuen US-Amerikaner mit dem europäischen Basketball und in der ProA zurechtfinden. Die Eindrücke, die sie bisher hinterlassen haben, seien sehr positiv, sagt der Trainer. „Ich hoffe, das bleibt so.“Die US-Profis tragen beim Team Ehingen Urspring noch mehr Verantwortung als bei anderen Zweitligisten, die etliche gestandene deutsche Spieler in ihren Reihen haben. Ehingen Ursprings Amerikaner, obwohl selbst noch nicht so alt und erfahren, sollen ihre jüngeren Mannschaftskollegen und vor allem eine Reihe von Nachwuchsspielern führen. Acht Spieler, die in Urspring ausgebildet wurden, stehen im Aufgebot.
Aber das ist die Grundidee des Basketballs bei Ehingen Urspring und wird fortgesetzt – erst recht in diesen Zeiten. Damit ist der Verein der Underdog in der zweithöchsten deutschen Liga, aber das ist nichts Neues. Das war man schon immer. Und schon immer hat man gehofft, konkurrenzfähig zu sein und mit ausreichend Siegen in der ProA zu bleiben.