Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Das jüngste Profi-Team der Vereinsges­chichte

Basketball, ProA: Altersschn­itt im Kader von Ehingen Urspring liegt unter 20 Jahren – Viele Eigengewäc­hse – Vier neue US-Profis

- Von Andreas Wagner

EHINGEN - Seit mehr als sieben Monaten hat es in der Zweiten Basketball-Bundesliga kein Pflichtspi­el mehr gegeben. Nun geht es wieder los, am Wochenende ist Auftakt in die neue ProA-Runde. Allerdings blickt wohl nicht nur Domenik Reinboth, Cheftraine­r des Teams Ehingen Urspring, mit Sorge auf die kommenden Monate, denn die Pandemie könnte den Spielplan durcheinan­derwirbeln und im ungünstigs­ten Fall den Spielbetri­eb ein weiteres Mal stoppen. Trainer und Spieler versuchen, die Ungewisshe­iten weitgehend auszublend­en und sich auf den Sport zu konzentrie­ren. Sechs Wochen Vorbereitu­ng liegen hinter der in Teilen neu zusammenge­stellten Mannschaft, die am Samstag, 17. Oktober, zum Auftakt in Nürnberg antritt.

Im Frühjahr noch, zu Beginn der Pandemie, als noch mehr ungewiss war als heute und sogar der Fortbestan­d von Basketball-Profiklubs in Frage gestellt wurde, da wusste man auch beim Team Ehingen Urspring nicht, wie es weitergeht. Dann ließ das Infektions­geschehen deutlich nach und die Planungen für eine neue Saison schritten voran. Die Verantwort­lichen von Ehingen Urspring setzten alles daran, wieder einen Zweitliga-Etat auf die Beine zu stellen – und die Sponsoren zogen mit. „Der allergrößt­e Teil hat uns die Treue gehalten, auch in der schwierige­n Zeit“, so Teammanage­r Nico Drmota. „Wir haben gesagt, dass wir zusammenha­lten müssen.“

Dennoch kalkuliert­en die Verantwort­lichen vorsichtig, was sich auch im Spielerkad­er für 2020/21 widerspieg­elt. In den vergangene­n Jahren hatte der Zweitligis­t meist einige Amerikaner mit Auslands-Erfahrung im Kader (beispielsw­eise Seger Bonifant, Davonte Lacy, Cullen Neal, Rayshawn Simmons, Darnell Foreman), die den Verein in der Regel etwas mehr kosteten, diesmal kommen die US-Profis ausschließ­lich aus den USA und Ehingen ist deren erste Profi-Station. „Die Überlegung war schon, ob wir einen Amerikaner mit Europa-Erfahrung holen“, sagt Reinboth. Der Gedanke wurde verworfen. „Man hat ja auch keine Gewähr. Bringt er die erwartete Leistung oder erweist er sich gar als fauler Apfel im Korb?“Man entschied sich für vier „junge, hungrige Spieler“, die alle noch nie außerhalb ihres Heimatland­es unter Vertrag standen.

Was die deutschen Profis angeht, waren in der vergangene­n Saison noch vier, die andernorts ausgebilde­t wurden, im Aufgebot (Tim Hasbargen, Gianni Otto, Ferenc Gille, AkimJamal Jonah), diesmal sind es noch zwei (Gille, Jonah). Stattdesse­n sind jetzt noch mehr Nachwuchss­pieler aus Urspring im ProA-Kader als in den zurücklieg­enden Jahren. Eine Folge davon ist, dass das Durchschni­ttsalter der Zweitliga-Mannschaft von Ehingen Urspring bei 19,4 Jahren liegt. „Wir hatten noch nie einen Altersschn­itt von unter 20“, sagt Nico Drmota. „Aber das ist unser Weg und wenn wir ihn jetzt nicht forcieren, wann dann?“

Dass das Team Ehingen Urspring als letzter verblieben­er reiner Ausbildung­sverein in der ProA damit ein Risiko eingeht, räumt Trainer Cheftraine­r Domenik Reinboth ein. „Definitiv ist das so, aber das Risiko haben wir jedes Jahr.“Reinboth verweist, was die deutschen Spieler angeht, dass auch Hasbargen und Otto in der Vorsaison erst im zweiten Profi-Jahr waren und nicht über viel Erfahrung verfügten. Nun sind Gille und Jonah die deutschen Profis im zweiten Jahr und neben ihnen gibt es einen Kevin Strangmeye­r und einen Franklyn Aunitz, die schon für die NBBL aus Urspring spielten, seit einigen Jahren dem ProA-Kader angehören und nun noch mehr Verantwort­ung übernehmen sollen. Die Struktur der Mannschaft sehe er daher nicht so stark verändert, sagt Reinboth. Auf den ersten Blick könnte man vielleicht meinen, dass weniger Qualität vorhanden sei, so der Trainer, aber aus seiner Sicht stellt es sich anders dar.

Wenig verändern soll sich auch der Spielstil der Mannschaft. „Wir wollen schnell spielen, den Ball schnell bewegen“, sagt Reinboth. Enorm wchtig ist, dass das Team rasch seinen Rhythmus findet, was in der vergangene­n Saison nur phasenweis­e gelang. Dies lag damals aber an schwerwieg­enden Verletzung­en wichtiger Spieler wie Dan Monteroso und Darnell Foreman, deren Ausfall letztlich nicht kompensier­t wurde. So gab es einige Wechsel auf den Ausländerp­ositionen mit der Folge, dass die Mannschaft nicht richtig in Tritt kam.

Reinboth hofft auf weniger Verletzung­spech, wobei in der Vorbereitu­ng Ferenc Gille nach einer in einem frühen Testspiel erlittenen Verletzung lange ausfiel und erst seit Kurzem

wieder trainiert, aber noch nicht mit der Mannschaft. Außerdem mussten in den vergangene­n Wochen immer wieder NBBL-Spieler aufgrund von Verletzung­en oder bei Erkältungs­anzeichen aus Vorsicht pausieren. „Das Teamtraini­ng war etwas schwierig“, so Domenik Reinboth. Von Donnerstag an sollten von den 15 für die ProA gemeldeten Spielern („Das ist eine gute Größe“) wieder ein Dutzend im Training sein, hofft Reinboth.

Klar ist dem Trainer, dass das Zusammensp­iel und das Zusammenwa­chsen der Mannschaft mit Ende der Vorbereitu­ng nicht abgeschlos­sen ist, sondern sich auch nach Beginn der ProA-Runde fortsetzn wird – aber das ist nicht neu und geht auch anderen Vereinen so. Nicht optimal war, dass von den ursprüngli­ch neun geplanten Testspiele­n aufgrund von Verletzung­en und als Corona-Vorsichtsm­aßnahme drei abgesagt wurden. Weil auch die Generalpro­be am vergangene­n Sonntag gegen Kirchheim ausfiel, vereinbart­e Reinboth

ANZEIGEN kurzerhand für Dienstagab­end noch einen Test gegen Tübingen. „Ich wollte unbedingt noch mal spielen, weil uns Spielpraxi­s fehlt“, so der Trainer. Ohne Ferenc Gille (Probleme im Schulter-Nacken-Bereich) und AkimJamal Jonah (Muskelfase­rriss) verlor Ehingen Urspring knapp 75:79, doch der Trainer war mit dem Spiel seiner Mannschaft ganz zufrieden. „Es ist allerdings auch noch Luft nach oben.“

Dies gilt für die Offensive und erst recht für die Defensive, in der es in der vergangene­n Saison große Mängel gab. Im Schnitt knapp 87 Körbe pro Partie ließ Ehingen Urspring im Vorjahr zu – der schwächste Wert in der ProA. „Die Defensive war letztes Jahr unsere große Baustelle“, sagt der Trainer, der den Grund dafür im Wesentlich­en in der Unerfahren­heit der Spieler sieht. Gut zu verteidige­n habe viel mit Erfahrung zu tun, Spieler mit jahrelange­r Erfahrung in der Liga wüssten oft automatisc­h, wann welcher Weg zu laufen und wann ein Block vonnöten sei. „Bei weniger erfahrenen Spielern muss sich das erst einschleif­en.“

Ob in der Verteidigu­ng oder im Angriff: Viel wird beim Team Ehingen Urspring davon abhängen, wie schnell sich die vier neuen US-Amerikaner mit dem europäisch­en Basketball und in der ProA zurechtfin­den. Die Eindrücke, die sie bisher hinterlass­en haben, seien sehr positiv, sagt der Trainer. „Ich hoffe, das bleibt so.“Die US-Profis tragen beim Team Ehingen Urspring noch mehr Verantwort­ung als bei anderen Zweitligis­ten, die etliche gestandene deutsche Spieler in ihren Reihen haben. Ehingen Ursprings Amerikaner, obwohl selbst noch nicht so alt und erfahren, sollen ihre jüngeren Mannschaft­skollegen und vor allem eine Reihe von Nachwuchss­pielern führen. Acht Spieler, die in Urspring ausgebilde­t wurden, stehen im Aufgebot.

Aber das ist die Grundidee des Basketball­s bei Ehingen Urspring und wird fortgesetz­t – erst recht in diesen Zeiten. Damit ist der Verein der Underdog in der zweithöchs­ten deutschen Liga, aber das ist nichts Neues. Das war man schon immer. Und schon immer hat man gehofft, konkurrenz­fähig zu sein und mit ausreichen­d Siegen in der ProA zu bleiben.

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FOTO: AW
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