Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Die gierigen Grünschnäbel des VfB
Stuttgart beweist bei seiner Rückkehr in die Bundesliga Mut, doch Gefahren lauern überall
STUTTGART (dpa) - Wenn er über Mateo Klimowicz spricht, geht Sven Mislintat spürbar das Herz auf. Der 20 Jahre junge Argentinier war im Mai 2019 der erste Neuzugang unter seiner Regie als Sportdirektor des VfB Stuttgart. Und er steht symbolisch für das Projekt, das Mislintat seit seinem Einstieg beim FußballBundesligisten vor rund eineinhalb Jahren vorantreibt. Klimowicz ist einer von vielen jungen Wilden, die den VfB-Fans am Fernseher aktuell so Spaß machen. Ein Versprechen für die Zukunft. Aber auch einer, der noch einen weiten Weg vor sich hat.
„Wenn er aufdreht und mit Speed auf die letzte Linie zuläuft, hat er alle Fähigkeiten“, sagt Mislintat über den Offensivmann. Im Zweikampf brauche er noch mehr Wucht. „Aber wenn er sich so frei zwischen den Ketten bewegen kann und die Kugel annimmt, ist das eine Augenweide.“Das 1:1 beim FC Schalke 04 vergangenen Freitag, bei dem Klimowicz als Spielgestalter in der Startelf stand, lieferte in vielerlei Hinsicht einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte. Vorerst soll der Südamerikaner einen wie den in Gelsenkirchen auf der Bank sitzenden Routinier Daniel Didavi beim VfB wohl nur punktuell, perspektivisch vermutlich aber dauerhaft ersetzen.
Der Sohn des früheren Bundesliga-Torjägers Diego Klimowicz ist technisch hoch veranlagt, altersbedingt in vielen Momenten aber noch nicht besonders abgezockt. Auf Schalke haderte er damit, „bei manchen Angriffen nicht die richtige Entscheidung getroffen“zu haben.
Damit und mit vergebenen Großchancen wie der in der Anfangsphase gegen die Königsblauen oder der, die er letzte Zweitliga-Saison in Heidenheim ausließ und die ihm lange nachhing, wird er weiter umgehen müssen. Womöglich kann er aber auch daran wachsen. Wie sein Landsmann Nicolas Gonzalez (22), der sich in seiner zweiten Spielzeit in
Stuttgart vom Sorgenkind zum Leistungsträger mauserte. Oder Tanguy Coulibaly (19), der letzte Saison so gut wie gar keine Rolle und zuletzt regelmäßig auf den offensiven Außenverteidiger-Positionen spielte.
Die Mannschaft des VfB steckt voller Potenzial, Tatendrang und Spielfreude. Sie liefert mutige Auftritte und ihr Trainer Pellegrino Matarazzo mutige Entscheidungen. Sie birgt mit ihrer Unbekümmertheit aber eben auch Gefahren. Die Gefahr, dass die Schwaben nach ihrem guten Start mit neun Punkten aus sechs Spielen im Laufe der Saison entschlüsselt werden könnten, fürchtet Mislintat nicht. „Es ist noch ein weiter Weg und ich weiß nicht, was noch alles auf uns zukommt. Aber ich glaube, dass wir sehr unterschiedlich spielen und auf Gegner reagieren können“, und wie der jüngste Wechsel zwischen Didavi und Klimowicz gezeigt habe, „auch unsere eigenen Waffen wählen können“.
Dennoch ist Mislintat froh, die ersten Schritte zum angestrebten Klassenerhalt schon gemeistert zu haben. Mit Eintracht Frankfurt am Samstag (15.30 Uhr/Sky), der TSG Hoffenheim und Bayern München warten diesen Monat noch drei hohe Hürden. Gegner, gegen die die gierigen Grünschnäbel des VfB an ihre Grenzen gelangen könnten. „Ich sage nicht, dass ich da drei Niederlagen tippen würde“, sagt Mislintat. „Aber das ist etwas, das passieren kann.“Und das zu dem Projekt, an dem die Stuttgarter aktuell arbeiten, womöglich auch mal dazugehört.