Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Von dunklen Winkeln und hellen Lichtstuben
Gemeinschaftliches Beisammensein mit Gesang und Tanz wird gepflegt
ALB●- Wenn es am späten LAICHINGER Nachmittag immer früher dunkel wurde, traf man sich auch in Laichingen ab der Frühen Neuzeit bis ins letzte Jahrhundert in den Lichtstuben (auch Kunkelstuben, Spinnstuben oder Lichtkarz), um teure Kerzen und Lampenöl gemeinsam zu nutzen. Hier wurden Handarbeiten, zum Beispiel für die Aussteuer gefertigt und Geselligkeit gepflegt – Hans Medick (der die wissenschaftliche Studie „Weben und Überleben in Laichingen“verfasst hat) spricht von „Arbeitsgeselligkeit“. Unter der Aufsicht der jeweiligen Hauseltern kamen junge unverheiratete Mädchen und Frauen zusammen. Ab acht oder neun Uhr kamen die jungen Burschen des Dorfes dazu. Dann wurde auch gesungen und getanzt.
Was bei diesem Zusammentreffen der Geschlechter, dem Gerede und auf dem Nachhauseweg geschah, war von der Obrigkeit nicht zu kontrollieren. Und da fing das Misstrauen an, denn die Lichtstuben gehörten zur dörflichen Kultur, zum Umgang der Geschlechter miteinander und zur Eheanbahnung.
Die literarischen Zeugnisse der Zeit und die Erlasse rückten die Lichtstuben gerne in die Nähe von Lasterhöhlen. Deshalb mussten die Ausrichter einer Lichtstube im eigenen Haus eine Genehmigung unter Angabe der Besucher beantragen. Und es sollte auf keinen Fall zu wildem Hin und Her im Flecken kommen – wie am 13. Oktober 1756 in den Kirchenkonventsprotokollen von Laichingen zu lesen ist: „Da waren Leute, die zu unterst im Ort wohnten zu denen gegangen, die zu oberst im Dorf wohnten. Dadurch kam es zu Unordnung und Gelegenheiten… – bei ledigen Leuten beiderlei Geschlechts bei dem Ganzen hin und her gehen.“
Eingerichtet wurden die Kirchenkonvente in der Folge des Dreißig Jährigen Krieges. Die Dörfer waren damals allesamt verwüstet, die Felder lagen brach, die Bewohner waren ermordet oder verhungert. Die wenigen Überlebenden waren jahrzehntelang sich selbst überlassen. Auch die Schwäbische Alb war betroffen. Gegenüber den 1200 Einwohnern, die 1634 in Laichingen gezählt wurden, waren es 1648 gerade noch circa 270. Durch Zuwanderung wuchs die Bevölkerung bis 1730 wieder auf 1400 an.
1642/44 wurden zur Aufrichtung von Sitte und Moral im ganzen Herzogtum
Württemberg die Einrichtung von Kirchenkonventen befohlen – bestehend aus Pfarrer, Amtmann, Heiligenpfleger (Kirchengutsverwalter) und zwei Ratsmitgliedern. Es ging um die Kirchengutsverwaltung, die Schule und das weite Feld der Sozialfürsorge. Und sie waren für die Lichtstuben verantwortlich. In den Protokollen wurden die Namen der ausrichtenden Hausväter und die Zahl der angemeldeten Besucherinnen vermerkt, meist mit dem Hinweis, sich „ordentlich und geziemend“zu verhalten. Das zeigt auch ein Eintrag von 1737: „...wurde beschlossen, die Lichtstuben diesen Winter zwar zu erlauben, hingegen aber denen ledigen Kerlen verboten in solche zu gehen….“
Die Ermahnung scheint jedoch wieder in Vergessenheit geraten zu sein, denn 1756 wurde eine Ordnung erlassen, die langen Heimwegen vorbeugen sollte. Dass nicht nur Männer Lichtstuben anmelden konnten, zeigt eine Liste von 1772. Hier wurde acht Personen (für insgesamt 90 Frauen und Mädchen) die Abhaltung von Lichtstuben erlaubt, unter ihnen Anna Maria Ostertag und der Witwe Anna Maria Schenck. Die jungen Männer kamen nach wie vor zu den Lichtstuben – trotz der Verbote.
Die Eintragungen zeigen, dass deshalb versucht wurde, diese „Besuche“zu lenken – die Mitglieder des Gremiums waren auch einmal jung gewesen und sicherlich kannte der Eine oder Andere das Treiben in und um Lichtstuben aus eigener Erfahrung. Nachzulesen im Eintrag vom 6. Dezember 1783 ist, dass „10 Männer wurden Lichtstuben für 115 Mädchen und Frauen erlaubt unter der Bedingung, daß Samstags, Sonntags und Feiertags kein Mannskerl in selbige einzulassen, an Werktagen nur eine Stunde und nach 9 Uhr auf den Gassen zu schwärmen oder in Spielhäusern sich aufzuhalten, am allerwenigsten gestattet sein soll aber die Mägde und Weibsbilder heim zu führen, oder sich bei Ihnen im Winkel aufzuhalten“.
Auf den Heimwegen, in den Winkeln, war es mitunter zu engeren
Kontakten mit Folgen gekommen. Ab und zu suchten Einige in den dunklen Winkeln sehr persönliche Erfahrungen. In der Regel aber hatten die Stuben eine große soziale Bindekraft und gemeinsam macht ja bekanntlich auch die Arbeit mehr Spaß.