Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Erste Ferkel im neuen Wohlfühl-Aufzuchtstall in Westerheim
Kerstin und Klaus Ascher ist das Tierwohl sehr wichtig – Quartier für bis zu 2000 Ferkel in 16 Buchten – Viel Technik im Gebäude
WESTERHEIM - Von ihrem Wintergarten aus haben sie einen schönen Panoramablick in die freie Landschaft in Richtung Süden: die Ferkel im neuen Stall von Kerstin und Klaus Ascher. Termingerecht konnten zwei Projekte der Landwirte aus Westerheim zum Jahresende 2020 fertiggestellt werden. Im Gewann Laichenfeld im Osten Westerheims entstanden bei ihrem Aussiedlerhof zwei große landwirtschaftliche Gebäude, eine sogenannte Sauenarena für etwa 80 Sauen und einen Ferkelaufzuchtstall für rund 2000 Tiere.
In diesem 70 auf 20 Meter großen Stall sind zum Jahreswechsel die ersten Ferkel eingezogen, am Ende sollen es 2000 sein. Momentan wohnen dort 900 Schweinchen. Kerstin und Klaus Ascher freuen sich, dass zum Jahresende der Umzug beziehungsweise Einzug der Jungtiere stattfinden konnte, was mit viel Arbeit verbunden war. Bis Ende Januar sollen rund 1000 Ferkel in ihrem neuen Domizil wohnen, Ende Februar soll die angestrebte Zahl von 2000 Stück erreicht sein. Unterstützung fand die Familie zum Ende der Bauarbeiten von einigen befreundeten freiwilligen Helfern, da Monteure für den Innenausbau ausfielen. Ihnen seien sie sehr dankbar, betonen sie.
Insgesamt hatte die Familie in den vergangenen Monaten während des Baus viel zu leisten, nicht nur in finanzieller Hinsicht. „Wir haben uns entschieden, mit unserer Ferkelaufzucht weiter zu machen. Dabei wollen wir aber die konventionelle Tierhaltung verlassen und innovative neue Wege gehen“, erklärt Landwirt Klaus Ascher. Insgesamt sollen die vorgesehenen 2000 Ferkel in dem neuen Aufzuchtstall drei Klimazonen erhalten: für den abgedeckten
Liegebereich im Stallinneren, für den Aktivitäts- und Fressbereich auf festem oder teilweise durchlöchertem Boden und auf dem überdachten Auslauf auf Spalten.
In 16 Buchten ist der Stall unterteilt, in denen sich mal je 125 Ferkel tummeln und wohlfühlen sollen. Dies wird dank der besonders aufgebauten und gestalteten Buchten bei einer Größe von 7,5 auf neun Meter möglich. Diese bestehen aus beheizten Liegekisten bei einer Temperatur zwischen 22 und 30 Grad Celsius mit sehr viel Stroh, in denen die ganz jungen Ferkel einquartiert werden. „Je nach dem Liegeverhalten wird die Raumtemperatur gesteuert. Liegen die Tiere eng beieinander, so ist es ihnen zu kalt. Liegen sie auseinander, passt sie oder kann gar heruntergefahren werden“, so Kerstin Ascher.
Der Liegebereich ist mit einer Fußbodenheizung versehen. So könne sich jedes Tier auf dem von ihm gerade bevorzugten Temperaturbereich aufhalten. Geheizt wird über eine Holzhackschnitzel-Anlage.
Das erhöhte Platzangebot spielt in dem neuen Ferkelaufzuchtstall die entscheidende Rolle. Dieser wird in 16 Buchten für je 125 Ferkel aufgeteilt, wobei mit 0,51 Quadratmeter je Tier die Premiumanforderungen von 0,45 Quadratmeter sogar überschritten werden. Der Innenbereich je Bucht gliedert sich in einen eingestreuten Liegebereich, einen Fütterungsund Aktivitätsbereich und einen Auslauf. „So werden die Buchten in verschiedene Funktionsbereiche für Ruhen, Aktivität, Fressen und Koten eingeteilt“, erklärt Klaus Ascher.
Die Raumgröße erlaube eine großzügige Gestaltung der Bereiche und zu einem ausreichenden Abstand der Tiere zueinander. „Die Ferkel verfügen über Ausweichmöglichkeiten, Laufwege und Bewegungsradien“, ergänzt Kerstin Ascher. Dies soll auch das Risiko des Schwanzund Ohrenbeißens minimieren.
Ein wichtiger Teil einer Bucht bildet der Auslauf in den Wintergarten ins Freie, in den Außenklimabereich. Der 2,5 Meter breite und 70 Meter lange Bereich enthält ein Windnetz, das Vögel vor dem Eindringen abhalten soll. Über den Auslaufbereich sind auch mehrere Buchten miteinander verbunden. Doch noch weitere Einrichtungen sollen zum allgemeinen Wohl der jungen Tiere beitragen: Langstroh wird im Liegebereich immer wieder eingestreut, um den natürlichen Kau-, Beiß- und Wühltrieb der Tiere zu befriedigen. Über grüne Rohre wird den Ferkeln dauernd fein-gehäckseltes Stroh nachgepumpt und angeboten, eine der ersten Anlagen dieser Art, wie Klaus Ascher betont. Ferner werden
„Eine tiergerechte Schweinezucht hat ihren Preis.“Klaus Ascher aus Westerheim
im Auslauf Micro-Suhlen geschaffen, die im Sommer mit Wasser gefüllt werden. In diesem Becken können sich die Ferkel abkühlen, was das Wohlbefinden steigern soll.
Auf weitere Besonderheiten des Ferkelaufzuchtstalls verweist das Westerheimer Ehepaar: Die Güllekanäle im Auslauf verfügen über einen tiefer liegenden Querkanal, in den der Urin rasch abgeleitet wird. Der Kot in einem Kotbereich wird in regelmäßigen Abständen ausgespült. Durch die Trennung von Harn und Kot könnten somit die Emissionen reduziert werden. Mehrere Lüftungsklappen wurden installiert. Zudem wurde zwischen Innen- und Außenbereich ein isoliertes Folienelement eingebaut, das im Sommer angehoben werden kann, um für einen zusätzlichen Luftzug zu sorgen. Durch einen offenen Lichtfirst kann die warme Luft im Sommer abgeführt werden, die Lüftung wird automatisch gesteuert.
Dämmerungslicht finden die Ferkel vor, so dass es nachts nie ganz dunkel sein wird. Wasser nehmen die Tiere über einen Nippel oder Saugnäpfe auf, das aus dem Wasserkreislauf zu den Tieren gelangt und die Tiere so kein abgestandenes Wasser vorfinden. Zwei Zahlen nennt Klaus Ascher, was die umfangreiche Technik in dem Aufzuchtstall angeht: 2,5 Kilometer Kabel wurden für die Fütterungsanlage verbaut und zwei Kilometer für die Belüftung.
Umgestellt haben sie die Fütterung ihrer Tiere schon vor fünf Jahren – weg von Soja und hin zu Rapsschrot ohne jede gentechnische Veränderung. An drei Trögen je Bucht können die Ferkelchen sich stärken, das Futter wird über Rohre frisch angemischt in die Tröge gepumpt, vor allem ein Getreide- und Maisgemisch – zunächst hoch verdauliches, dann weniger verdauliches Futter, wie Kerstin Ascher erläutert.
Die Großreinigung erfolgt mit Hochdruckreiniger, und zwar immer dann, wenn die Buchten mit den jeweils 125 Tieren leer werden. Alle vier Wochen ist ein Kommen und Gehen in dem neuen Aufzuchtstall von Kerstin und Klaus Ascher angesagt, nicht von allen Tieren, aber von einem Teil der jungen Schweine. Die Ferkel sollen nach drei Monaten das gewünschte Gewicht von rund 30 Kilogramm erreicht haben.
Dann werden sie an Landwirte verkauft, die die Tiere bis zur Schlachtreife ausmästen. „Bei den Schweinemästern setzen wir auf die regionale Schiene“, unterstreicht Klaus Ascher. Und da suchen er und seine Frau noch weitere Abnehmer, die auf gentechnisch freie Fütterung zurückgreifen wollen.
„Eine tiergerechte Schweinezucht hat ihren Preis, doch den wollen leider viele Kunden nicht mitbezahlen und mittragen“, wissen Kerstin und Klaus Ascher und setzen auf ein Umdenken in der Bevölkerung. Sie wissen, dass der Schweine- wie Ferkelpreis derzeit am Boden ist. So sei der Preis für ein Stück Ferkel bei einem Gewicht von 25 Kilo seit dem Frühjahr von 80 auf jetzt 23 Euro gefallen. „Momentan zahlen wir drauf“, sagt Klaus Ascher unverblümt und sieht die schwierige Lage realistisch: „Ein Zuchtbetrieb kann nicht ruhen, wir können in keine Produktionspause gehen, egal wie die Preise auf dem Markt aussehen. Auch keine Kurzarbeit wie in der Industrie
sei möglich. Sie haben übrigens 450 Muttersauen in ihrem Stall in Westerheim sowie in einem in Feldstetten.
„Schweineaufzucht und Schweinehaltung geht auch anders und noch besser“, betont Landwirt Klaus Ascher, der wie seine Frau zudem Agrar-Ingenieur ist. Sie hätten sich dem Tierwohl verschrieben und den Kurs auch umgesetzt. „Den Ferkelpreis haben wir nicht im Griff, aber die Kunden“, sagt Klaus Ascher, der den landwirtschaftlichen Betrieb von seinem Vater Stefan Ascher 2011 übernommen hat.
Begleitet bei dem Modellprojekt der Ferkelzucht werden Kerstin und Klaus Ascher von der Interessengemeinschaft zur Fortentwicklung des tier- und umweltgerechten Bauens in der Schweinehaltung Baden-Württemberg (OPG) sowie von der Fachhochschule Nürtingen-Geislingen und der Universität Hohenheim, die die Innovationen bei der Schweineaufzucht verfolgen. Neue Erkenntnisse sollen dabei gefunden und wissenschaftlich ausgewertet werden.