Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Trump soll nicht mehr zur Wahl antreten dürfen
US-Demokraten reichen Resolution zur Amtsenthebung des Präsidenten ein
WASHINGTON - In der US-Hauptstadt Washington hat am Montag ein politischer Prozess begonnen, mit dem die Demokraten ein doppeltes Ziel verfolgen. Zum einen soll der bereits abgewählte Präsident Donald Trump so schnell es geht aus dem Amt entlassen werden, zum anderen will man sicherstellen, dass er sich nie wieder fürs Weiße Haus bewerben kann. Ein Überblick über das Amtsenthebungsverfahren.
Wie es weitergeht
Zunächst soll Vizepräsident Mike Pence bis spätestens Mittwoch im Kabinett die Amtsunfähigkeit Trumps nach dem 25. Zusatzartikel der Verfassung feststellen. Tut er es nicht, worauf alles hindeutet, soll im Eilverfahren über eine Amtsenthebungsklage wegen Anstiftung zum Aufruhr abgestimmt werden. Den enstprechenden Antrag reichten die Demokraten am Montag ein. Bis Ende dieser Woche könnte das Abgeordnetenhaus zum zweiten Mal nach der Ukraine-Affäre für ein Impeachment Trumps stimmen. Im Unterschied zu 2019, als sowohl der Geheimdienstals auch der Justizausschuss der Kammer wochenlang Zeugen vernahmen, wird man diesmal wohl auf Anhörungen verzichten. Laut Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi ist die Absetzung des Staatschefs so dringlich, dass ohne jeden Aufschub darüber entschieden werden muss.
Wie stehen die Erfolgschancen für ein Impeachment?
Gut, allein schon angesichts der
Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus. Obwohl die Demokraten bei den Kongresswahlen, die am 3. November parallel zum Präsidentschaftsvotum stattfanden, Rückschläge hinnehmen mussten, bilden sie dort mit 222 der 435 Sitze nach wie vor die Mehrheit. Für ein Impeachment reicht eine einfache Majorität. Zudem haben auch schon einige republikanische Abgeordnete angekündigt, sich mit den Demokraten verbünden zu wollen.
Und dann?
Dann wäre der Senat an der Reihe, in diesem Fall die entscheidende Instanz. Es käme zu einer Art Gerichtsverhandlung, bei der die 100 Senatorinnen und Senatoren die Rolle der Geschworenen-Jury übernehmen. Stimmt eine Zweidrittelmehrheit für die Amtsenthebung, sind die Würfel gefallen. Die 50 Demokraten benötigen dazu die Unterstützung von mindestens 17 Republikanern. Bisher haben sich allerdings erst vier Konservative für eine Absetzung Trumps ausgesprochen. Den meisten ist es offenbar lieber, wenn der abgewählte Amtsinhaber am 20. Januar das Weiße Haus verlässt, ohne bis dahin noch weiteres Unheil zu stiften. Viele haben Angst vor der Rache einer Parteibasis, die in Trump nach wie vor einen entschlossenen Rebellen im Kampf gegen die „Etablierten“zu sehen scheint. Der entscheidende Punkt: Der Senat könnte sich des Falls erst nach der Vereidigung Joe Bidens am Mittwoch in einer Woche richtig annehmen. Dann ist Trump aber schon nicht mehr im Amt. Der Kongress beträte juristisch-parlamentarisches Neuland.
Warum wird das ImpeachmentVerfahren angeschoben?
Die Demokraten, und offenbar auch einige Republikaner, wollen ein politisches Comeback Trumps ein für alle Male verhindern. Sie wollen erreichen, dass der Brandstifter auf Bundesebene nicht mehr für ein Wahlamt kandidieren kann. Eine nochmalige Bewerbung fürs Oval Office soll ausgeschlossen werden. Trump hatte zuletzt mehrfach angedeutet, dass er seinen Hut 2024 erneut in den Ring werfen könnte. Das wollen seine Gegner durchkreuzen.
Wie wäre das möglich?
Hat der Senat mit mindestens 67 Stimmen für die Amtsenthebung an sich gestimmt, genügt eine einfache Mehrheit, um Trump für weitere Wahlen zu disqualifizieren. Der Demokrat
James Clyburn hat ein viel diskutiertes Szenario entworfen. Demnach würde das Abgeordnetenhaus zwar schon jetzt ein Impeachment beschließen, dann aber 100 Tage warten, ehe es den Fall dem Senat überträgt.
Was ist der Hintergrund?
Clyburn, ein Afroamerikaner aus South Carolina, in der Hierarchie des Abgeordnetenhauses die Nummer drei, gilt als einer der engsten Vertrauten Bidens. Die beiden fürchten, dass ein Impeachment die Startphase der neuen Präsidentschaft überschatten und wichtige Entscheidungen verzögern könnte. Ist der Senat mit der Verhandlung in Sachen Trump beschäftigt, können weder die von Biden nominierten Minister bestätigt noch die Weichen für eine Corona-Strategie gestellt werden. Hinzu kommt: Der President-elect ist angetreten mit dem Versprechen, die tiefen Gräben der Polarisierung zu überbrücken. Er versteht sich als Heiler, der die Wunden der von Trump auf die Spitze getriebenen Spaltung behandelt. Das könnte konterkariert werden, wenn parallel zu seinem Amtsantritt ein Verfahren gegen seinen Vorgänger läuft.
Was wäre die Alternative?
Es gibt demokratische Abgeordnete, die als denkbare Variante eine „censure“ins Spiel bringen. Eine formelle, von beiden Parteien mit großer Mehrheit in beiden Parlamentskammern getragene Zurechtweisung des Präsidenten. Allerdings hätte ein solcher Tadel nicht die Wirkung eines Impeachments.