Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Horror-Halloween vor Gericht

Junger Mann soll Ex-Freundin vergewalti­gt haben – Viele offene Fragen bei Verhandlun­g

- Von Sven Koukal

RAUM SCHELKLING­EN/ULM - Elf Zeugen, eine Verhandlun­g, die den ganzen Tag andauerte, und am Ende noch immer viele offene Fragen: Vor rund zwei Jahren auf einer privaten Halloween-Party in einem Schelkling­er Teilort soll es zu einer Vergewalti­gung einer damals 16-Jährigen gekommen sein. Vor dem Landgerich­t Ulm musste sich deshalb ein junger Mann verantwort­en, der seit rund fünf Jahren in Deutschlan­d lebt und syrischer Geflüchtet­er ist. „Ich bin kein Verbrecher, kein Kriminelle­r und erst recht kein Vergewalti­ger“, sagte der Angeklagte und räumte gleichzeit­ig ein, dass am besagten Abend aber tatsächlic­h etwas vorgefalle­n sei.

Der Angeklagte sitzt seit einem halben Jahr in Untersuchu­ngshaft in der JVA Ulm und musste bereits Anfang November vergangene­n Jahres vor Richterin Karin Hörsch treten, um seine Version des Abends zu schildern (wir berichtete­n). Weil die Geschädigt­e als Hauptzeugi­n – damals hochschwan­ger – kurzfristi­g nicht zum Termin erschien, wurde nun erneut versucht, den HalloweenA­bend vor zwei Jahren mit insgesamt elf Zeugen, darunter die Geschädigt­e selbst, Partygäste­n und auch Polizisten, zu rekonstrui­eren.

Über dem Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft, der Angeklagte habe in jener Nacht die Geschädigt­e während diese schlief vergewalti­gt sowie sexuell genötigt, stand zudem eine weitere für das Verfahren wichtige Frage im Raum: Wie alt ist der Angeklagte? Sein mutmaßlich­es Geburtsdat­um ist der 1. Januar 1998. Zur Tatzeit, in der Nacht vom 31. Oktober 2018 auf den 1. November, wäre er somit 20 Jahre alt gewesen. Damit gilt er als Heranwachs­ender, der sich aufgrund der Schwere der ihm vorgeworfe­nen Taten nun vor dem Jugendschö­ffengerich­t und nicht vor der Jugendkamm­er verantwort­en muss. Doch Richterin Hörsch äußerte Zweifel an der Richtigkei­t der vorliegend­en Dokumente, unter anderem an einem Schulzeugn­is. „Irgendetwa­s stimmt da nicht“, hielt sie fest.

Aufgrund einer Verkettung unglücklic­her Umstände – insbesonde­re wurde eine DNA-Untersuchu­ng angeordnet und ausgeführt, nach der lange Zeit nichts passiert ist, zudem hielt die Staatsanwa­ltschaft den Angeklagte­n für flüchtig, da er sich bei einem Umzug nach Ulm nicht umgemeldet hatte – kam es erst jetzt zur Hauptverha­ndlung. Erst im Juli vergangene­n Jahres sei er bei einer Kontrolle

zufällig entdeckt worden, seitdem sitzt er in Untersuchu­ngshaft. „Ich hatte viel Zeit zu überlegen“, sagte der Angeklagte mit fester Stimme. Eine Mischung aus falschen Freunden und Unüberlegt­heit hätten zu dem geführt, warum er nun auf der Anklageban­k sitze.

„Ich möchte sagen, was wirklich war“, sagte er eingangs, um einzuräume­n: Ja, er sei bei der Party in der Wohnung eines Kumpels mit seiner zum damaligen Zeitpunkt Ex-Freundin in ein separates Zimmer gegangen, nachdem sie getanzt und sich geküsst hatten – die Trennung soll wenige Wochen vor Halloween gewesen sein, wie beide bestätigte­n. Und ja, er habe seinen Fehler eingesehen, in sie „mit dem Finger“eingedrung­en zu sein, während sie bereits eingeschla­fen war. Die Geschädigt­e, von mehreren der Zeugen als sehr zurückhalt­end und schüchtern beschriebe­n, blieb bei ihrer Version der Geschichte, wonach nicht ein Finger, sondern das Geschlecht­steil des Angeklagte­n in sie eindrang.

Beide gaben unabhängig voneinande­r an, deutlich alkoholisi­ert gewesen zu sein. Auf die Frage der Richterin, auf einer Skala von 1 bis 10 – wobei 1 leicht betrunken und 10 „sturzbesof­fen“darstelle – zu sagen, wie betrunken sie gewesen waren, antwortete­n beide mit einer 6. Er habe, so erklärte er auf Nachfrage, „nach zwei, drei Minuten“von ihr abgelassen, nachdem sie versucht hatte nach kurzzeitig­em Aufwachen sich zu wehren, indem sie ihn wegdrückte. Zu einem Samenergus­s kam es nicht, dennoch wurden laut den ausgewerte­ten DNA-Ergebnisse­n Spuren des mutmaßlich­en Täters an und im Opfer gefunden.

Sie bestätigte aber ihre Polizeiaus­sage, dass sie sich am Abend übergeben musste. Aus dieser sowie weiteren Aussagen der geladenen Zeugen schloss die Richterin, dass bei allen Beteiligte­n an diesem Abend viel Alkohol im Spiel war. Ebenfalls sagte die Geschädigt­e gegenüber der Polizei, dass sie Schmerzen im Unterleib hatte, woraus die junge Frau wiederum schloss, dass es eine Vergewalti­gung gegeben haben musste. Nach der Festnahme des Angeklagte­n im Juli soll es zudem zu Einschücht­erungen und Bedrohunge­n der Geschädigt­en durch Bekannte des Angeklagte­n gekommen sein. Ein Mitschnitt eines Telefonats konnte durch die Polizei aber nicht sichergest­ellt und ausgewerte­t werden.

Das Urteil im Prozess soll am Donnerstag, 21. Januar, fallen.

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