Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wundertüte Minijob
Versicherungspflicht bringt oft Rentenansprüche – Etwa auf die neue Grundrente
SCHONDORF - Gut sieben Millionen Minijobber gibt es derzeit. Grundsätzlich sind die kleinen Jobs immer rentenversicherungspflichtig. Doch die meisten Jobber wählen die Pflicht ab und sparen dadurch meistens maximal rund 16 Euro. Das kann sich im Alter rächen. Für das Gros der Minijobber ist die kleine Beschäftigung der einzige Job. Für sie ist dessen Versicherungspflicht meist bares Geld wert. Denn sie können über den Job vollwertige Rentenversicherungszeiten sammeln – und das kann im Alter monatlich ein Plus von einigen Hundert Euro bringen.
Grundrente: Für diese braucht man 33 – besser noch 35 – Versicherungsjahre („Grundrentenzeiten“). Zeiten mit Minijob zählen hierbei voll mit, wenn der Job rentenversicherungspflichtig ist. Im Extremfall können einige Monate mit einem rentenversicherungspflichtigen Minijob später einen Grundrentenanspruch von 400 Euro sichern.
Rentenfreibetrag bei der Grundsicherung: Mit mindestens 33 anerkannten Versicherungsjahren steht den Jobbern im Alter zugleich auch eine Art „Sozialhilfe-Plus“zu. Dafür sorgt ein 2021 eingeführter neuer Rentenfreibetrag von bis zu 223 Euro im Monat. Diesen Freibetrag gibt es für Rentner bei der Grundsicherung im Alter, wenn ihre Altersrente brutto 510 Euro oder mehr beträgt. Auch hier gilt: Minijob-Jahre mit Rentenversicherungspflicht zählen voll mit, wenn geprüft wird, ob 33 Jahre Grundrentenzeiten auf dem Rentenkonto sind.
Altersrente für besonders langjährig Versicherte: Diese begehrte abschlagfreie Frührente gibt es nur, wenn Antragsteller 45 Versicherungsjahre auf ihrem Rentenkonto haben. Auch nochmals gilt: MinijobZeiten mit Rentenversicherungspflicht zählen voll mit.
Wichtig bei Arbeitslosigkeit: Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Hartz IV werden weder bei der Grundrente noch bei der Altersrente für besonders langjährige Versicherte auf die geforderten Versicherungsjahre angerechnet. Als Joker kann dann ein gleichzeitig aufgenommener Minijob dienen. Eine wahre Wundertüte eben.
Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer wird mit 62 arbeitslos. Bis dahin kommt er auf 43 Versicherungsjahre, die für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte anerkannt werden. Er hat – wie die meisten älteren Arbeitslosen – Anspruch auf zwei Jahre Arbeitslosengeld. Doch diese bringen ihm keine weitere anerkannte Versicherungszeit für die abschlagfreie Rente. Nimmt er aber neben dem ArbeitslosengeldBezug einen Minijob auf, kann er nach zwei Jahren abschlagsfrei in Rente. Arbeitslose dürfen übrigens nebenher jobben, müssen es aber bei der Arbeitsagentur anmelden. Die Einkünfte dürfen sie zum Teil behalten.
Erwerbsminderungsrente und Reha: Auch der Anspruch hierauf wird durch einen versicherungspflichtigen Minijob gesichert. Die sogenannte Günstigerprüfung sorgt dafür, dass bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente der niedrige Verdienst im Minijob häufig unter den Tisch fällt und die Rente nach dem vorherigen höheren Verdienst berechnet wird.
Mini-Mini-Job reicht: Für die skizzierten Vorteile muss es kein voller 450-Euro-Job sein. Ein 100- oder ein 200-Euro-Job mit Versicherungspflicht reichen. Bei einem 200-EuroJob fallen beispielsweise für die Rentenversicherung
nur 7,20 Euro monatlich an.
Vorsicht bei Minijob als Nebenjob: Wichtig ist die Versicherungspflicht für die große Mehrheit der Jobber, die ohne den Minijob nicht versicherungspflichtig wären. Wer dagegen die kleine Beschäftigung als Nebenjob ausübt, kann getrost auf die Versicherungspflicht verzichten. Das gilt auch für Mütter (oder erziehende Väter), die in den ersten drei Lebensjahren ihres Kindes ohnehin durch die rentenrechtliche Kindererziehungszeit abgesichert sind. „In manchen Fällen kann die Versicherungspflicht dann sogar bei der Rente schaden“, weiß Andreas Irion, Rentenberater aus Siegburg. Im Zweifelsfall kann es sich daher lohnen, die Dienste eines professionellen Rentenberaters in Anspruch zu nehmen.